Teil 22

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Sophie:

Bevor ich mich von der Truppe verabschiede, meint der Capitain des Teams: "Warte noch schnell, Sophie, wir haben ein kleines Dankeschön für dich, immerhin hast du uns lange Wartezeiten an unserem freien Nachmittag erspart." "Oh, das ist doch nicht nötig, das habe ich echt gern gemacht für euch", beeile ich mich zu versichern. Doch einer meint: "Wart's nur ab!"

Kurz darauf bringt jemand eine Tortenschachtel und meint stolz: "Die haben wir selbst gebacken." Ich öffne den Deckel und sehe eine verzierte Torte mit zwei grossen rosa Halbkugeln darauf. Als ich etwas genauer hinsehe, bemerke ich, dass das die einigermassen gelungene Nachbildung eines nackten Hinterteils ist. Ich muss laut lachen, und auch die Spieler können nicht mehr an sich halten. "Hey, Jungs, so eine Torte habe ich noch nie bekommen, danke euch vielmals!" rufe ich ihnen zu.

Wir verabschieden uns, und Yacine bringt mich zum Bahnhof. Auf dem Perron stehen wir uns schweigend gegenüber. Ich weiss nicht, was ich sagen soll, und so frage ich ihn: "Geht's deinem Po?" Er meint verlegen: "Hm, es geht, das Zäpfchen wirkt." Ich nicke nur.

Wir haben noch zehn Minuten Zeit, bevor mein Zug einfährt, und ich habe den Eindruck, Yacine möchte noch gern etwas loswerden.
Ich schaue ihn fragend an, und er beginnt: "Sophie, du weisst, ich habe jede Sekunde genossen, in der du in meiner Nähe warst." Ich frage ihn verschmitzt: "Wirklich jede?" Und er bekräftigt: "Ja, sogar die letzte Spritze, die hat zwar ganz doll weh getan, aber einfach, weil ich mich dir so nahe gefühlt habe."

Ich weiss nicht, was ich erwidern soll und drücke nur seine Hand.
Doch er fährt fort: "Weisst du, ich habe in den Bergen ein Chalet, wo ich in den Spielpausen jeweils zum Ausspannen hinfahre." "Oh, schön, das mag ich dir gönnen, die Pausen zwischen den anstrengenden Aktivzeiten."
Er meint: "Ja, ich geniesse es immer dort, auch wenn es nur wenige Wochen im Jahr sind. Meistens gehe ich alleine dort hin. Aber in der letzten Zeit habe ich mir immer wieder vorgestellt, wie schön es wohl wäre, wenn du mich mal begleiten würdest." Als ich nicht gleich antworte, fragt er weiter: "Würdest du?"

Ich bin etwas hin- und hergerissen: "Ich weiss nicht so recht..." Doch er lässt nicht locker: "Keine Angst, das Haus ist gross genug, es hat auch ein Gästezimmer, in dem du übernachten könntest."

Ich sage ihm: "Yacine, ich danke dir vielmals für die Einladung, ich überlege es mir noch." Er strahlt mich an, als hätte ich bereits zugesagt, und meint: "Mach das", bevor er mich lange Zeit an sich drückt. Als der Zug eingefahren ist, sage ich: "Jetzt musst du mich aber los lassen, sonst verpasse ich noch meinen Zug." Widerwillig löst er seine Umarmung, nicht ohne zu bemerken: "So schlimm wär das gar nicht."
Ich gebe ihm einen freundschaftlichen Stoss, doch er schaut so traurig, dass es mir fast das Herz abdrückt. Aber, es hilft alles nichts, ich muss in diesen Zug steigen. Vom Fenster aus winke ich ihm zu, als sich der Zug in Bewegung setzt. Er bleibt stehen, bis ich ihn nicht mehr sehen kann.

Die nächsten Wochen vergehen wie im Flug. Ich bin mit meiner Praxis voll ausgelastet, wir haben auch beim Personal krankheitsbedingte Ausfälle. Eigentlich möchte ich nach Möglichkeit nur achtzig Prozent arbeiten, aber in letzter Zeit waren es eher hundertzwanzig.
Abends komme ich jeweils todmüde nach Hause und lege mich meistens bald darauf ins Bett.

Es ist Samstagabend, und ich liege wieder mal müde im Bett. Da meldet sich mein Handy. Ich schaue, wer sich denn so spät abends noch meldet. Überrascht und erfreut sehe ich, dass die Nachricht von Yacine kommt.

Y: Guten Abend, Sophie, bist du noch wach?
S: Ja, aber nicht mehr lange ;-)
Y: Da habe ich ja grad noch Glück, dass ich dich erreiche.
S: Wie geht es dir denn?
Y: Hmm, eigentlich gut, bin heute zum MVP gewählt worden...
S: Wow, Yacine, das ist ja wundervoll, der beste Spieler des Matches :-)
Y: Ja, schon... aber weisst du, immer wieder muss ich an dich denken... ich vermisse dich
S: Hey, Kleiner, das sollst du doch nicht.
Y: Kann es nicht ändern... aber genug von mir, wie geht es dir?
S: Danke der Nachfrage, ich bin ziemlich müde.
Y: Warum bist du denn so müde?
S: Ach, ich habe in letzter Zeit sehr viel arbeiten müssen.
Y: Dann hast du sicher Ferien nötig?
S: Das hätte ich in der Tat, nur sieht es leider momentan nicht danach aus.
Y: Wann hast du denn das nächste Mal frei?
S: Gute Frage, das wird wohl erst in ein paar Wochen sein, denke ich.
Y: Ah, das trifft sich ja wunderbar. Da ist grad unsere Saison zu Ende und ich wollte ein paar Tage in die Berge fahren. Kommst du mit?
S: Haha, du kleiner Schlaumeier, jetzt ist mir alles klar.
Y: Wenn schon grosser Schlaumeier, würde ich sagen..;-)
S: Yep, da hast du recht...:-)
Y: Und, kommst du?
S: Also gut, aber ich kann mir nur einige Tage frei schaufeln.
Y: Das ist grossartig!

In den nächsten Tagen kommt es häufig vor, dass Yacine mir eine kurze Nachricht schickt oder mir auch nur eine gute Nacht wünscht.

Und nach einigen weiteren, anstrengenden Wochen ist endlich der Tag gekommen, auf den ich mich schon lange freue: Ein paar freie Tage in den Bergen warten auf mich. Ich bin gespannt auf Yacines Ferienhaus und freue mich auf die Zeit mit ihm.

Yacine:

Als wir in Paris aus dem Zug steigen, knurrt uns beiden der Magen, und wir schauen uns nach einem geeigneten Essensstand um. Sophie deutet auf einen Crêpestand und meint: "Der sieht gut aus, aber da steht eine so lange Schlange davor, dass ich glaub doch lieber einen Kebab von da drüben hole." Tatsächlich muss man für die Crêpes etwa zehn Minuten anstehen, und ich schlage ihr vor: "Wenn dir das Warten nichts ausmacht, ich kann gern für uns beide anstehen und du wartest einfach hier auf der Bank." Sie schaut mich erfreut und überrascht an und meint: "Das ist ja lieb von dir, danke vielmals. Ich nehme gern eine Crêpe mit Schinken und eine mit Käse. Ich warte dann da drüben in der Nähe des Kioskes."

Also stelle ich mich in die Schlange vor dem Crêpesstand und übe mich in Geduld. Aus der Ferne betrachte ich Sophie, die sich vor den Kiosk gestellt hat und die Aushänge dort studiert.

Als ich einige Zeit später wieder zu ihr rübergucke, haben sich drei Kerle zu ihr gesellt, mit denen sie sich offenbar gerade unterhält. Unnötigerweise spüre ich einen kleinen Stich im Herzen und stelle überrascht fest, dass ich ein wenig eifersüchtig bin. Schliesslich darf sich Sophie unterhalten, mit wem sie will.

Doch, was ist das?? Die drei Männer stehen nun ganz nahe und lachen immer wieder, Sophie lacht aber nicht mit und macht ein ernstes Gesicht. Einer der drei erfrecht sich sogar, ihr die Hand auf die Schulter zu legen. Sie weicht etwas zurück, doch die Männer schliessen sofort wieder zu ihr auf. Wieder betatscht sie einer, und sie schlägt dessen Hand vehement zurück.

Ich habe definitiv genug gesehen, löse mich aus der Warteschlange und gehe schnellen Schrittes zu der kleinen Gruppe hin. 

Dr. Sophie Marchand und Yacine VincentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt