Teil 47

476 15 0
                                    

Sophie:

Ich habe mich wie ein kleines Kind auf die Reise gefreut. Mit Yacine alleine habe ich seit ewigen Zeiten nichts mehr unternommen und werde die Zeit mit ihm bestimmt geniessen.

Pünktlich um zehn hupt es vor meiner Wohnung, und Yacine lehnt lässig an seinem Auto und winkt mir zu, als ich zum Fenster raus schaue. Er hat sich eine verwaschene Jeans und einen Rollkragenpulli angezogen und sieht zum Anbeissen aus. Oh mann, wird er denn immer NOCH attraktiver? Wie macht er das nur?

Ich schnappe mir meine Tasche und bin in wenigen Sekunden bei ihm. Er nimmt mich locker in den Arm und haucht mir einen Kuss auf die Haare. Dabei rieche ich sein dezentes Aftershave, das sich mit seinem typischen Yacine-Geruch vermischt. Ich bekomme weiche Knie und beeile mich, auf den rettenden Autositz zu klettern.

Dass alle - ehemaligen - Spitzensportler auf den Autostrassen fahren wie die Henker, stimmt definitiv nicht. Yacine fährt sehr vorsichtig und nimmt sich alle Zeit der Welt. Auch durch einen Drängler lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen und führt uns sicher an unser Ziel.

Als wir angekommen sind, bringt Yacine die Taschen hoch und fragt verschmitzt: "Willst du immer noch im Gästezimmer übernachten?" Doch ich antworte bestimmt: "Hey, diese Antwort kennst du, Kleiner." Er spielt den Enttäuschten und beginnt, das Cheminéefeuer zu entfachen.

Yacine:

Gerade, als wir es uns im warmen Wohnzimmer gemütlich gemacht haben, klingelt mein Handy, und ich entschuldige mich bei Sophie und nehme den Anruf entgegen.

"Hi Yacine, hier ist Andrea." "Hey, Andrea, schön, wieder mal von dir zu hören, wie geht es dir?" antworte ich. "Danke, soweit ganz gut. Und wie geht es dir, ich habe gehört, dass du inzwischen Vater geworden bist?" "Ja, das stimmt, der kleine Loulou ist ein ganz schöner Wirbelwind. Er lebt den grössten Teil der Zeit bei mir, zum Glück helfen mir Sophie und mein Vater mit der Erziehung." "Ah, dann hast du also noch Kontakt zu der hübschen Ärztin, die mal einen Match von uns geschaut hat und nachher das ganze Team durchgeimpft hat?" fragt er. "Ja", antworte ich, "sie ist jetzt mit meinem Vater zusammen. Aber im Moment bin ich mit ihr in meinem Chalet in den Bergen, wir haben beide eine Auszeit gebraucht."

"Weswegen rufst du denn an?" frage ich ihn. "Ähm, das hat sich glaub grad erledigt, ich habe eine Tagung in der Nähe deines Ferienhauses und wollte fragen, ob ich allenfalls dort übernachten könnte, aber ihr seid ja jetzt selber da." "Hey, das ist kein Problem", antworte ich spontan, "komm uns doch besuchen, ich würde mich sehr freuen, dich wieder mal zu sehen." Andrea überlegt es sich kurz und meint dann: "Danke dir, ich würde mich auch freuen, euch zu sehen. In dem Fall komme ich gern morgen abend, wenn das für euch okay ist." "Das ist total okay, dann bis morgen."

Sophie fragt mich: "Wer war denn das?" Und ich erzähle ihr, dass Andrea uns besuchen wird. Sie freut sich ehrlich über die Ankündigung. Andrea ist inzwischen Trainer der Nationalmannschaft, mit der er kürzlich den Europameistertitel gewonnen hat.

"Du, Sophie, du erinnerst dich vielleicht nicht mehr, es ist ja auch schon einige Jahre her, aber du hast unserer Mannschaft damals mal Impfungen verpasst, weil unser Teamarzt ausgefallen ist", beginne ich. "Doch, doch, daran erinnere ich mich noch gut, du warst der letzte an der Reihe und musstest dich fünfmal pieksen lassen", bestätigt sie mir.

"Erinnere mich bloss nicht daran, wenn ich an die letzte Spritze denke, macht mir mein Allerwertester jetzt noch weh. Du hast ihn damals recht in die Mangel genommen."

Sie nimmt lächelnd meine Hand und meinte: "Ja, du musstest ziemlich auf die Zähne beissen, dein Hintern hat mir wirklich leid getan." Bei dieser Erinnerung verziehe ich das Gesicht und muss mir grad nochmals an die rechte Hinterbacke greifen, und wir lachen beide.

Ich fahre fort: "Ich kann mich nur erinnern, dass ich gesehen habe, wie Andrea anschliessend mit nacktem Hintern auf der Behandlungsliege gelegen und total geschafft ausgesehen hat. Was hast du da bloss mit ihm angestellt?" Sophie denkt kurz nach und schmunzelt dann: "Hmmm, weisst du, er fürchtet sich extrem vor Spritzen, und ich musste ihn deswegen etwas, sagen wir mal, speziell behandeln." Meine Neugierde ist geweckt, und ich frage: "Aha, eine spezielle Behandlung, was beinhaltet das denn ganz genau?" Ich lache und mache eine wegwerfende Handbewegung: "Das, Yacine, kann ich dir jetzt nicht im Detail erklären, das geht unters Arztgeheimnis." Ich bin enttäuscht, hätte ich doch zu gern erfahren, was damals genau vor sich gefallen ist.

Da kommt mir eine Idee und ich schaue sie treuherzig an: "Seit dieser letzten traumatisch erlebten Spritze habe ich auch eine schlimme Spritzenphobie. Nun muss ich aber wieder mal die Tetanus-Impfung auffrischen, was ich jetzt schon seit längerem vor mir her schiebe." Sophie schaut mich schmunzelnd an, weil sie schon ahnt, in welche Richtung das geht. "Könntest du das vielleicht bei mir vornehmen und mich dabei auch einer ganz speziellen Behandlung unterziehen?" frage ich mit einem unschuldigen Blick in ihre schönen grünen Augen.

Sie verdreht die Augen und wuselt mir lachend durch die Haare: "Ach, Yacine, manchmal bist du einfach immer noch ein liebenswerter grosser Junge."

Dr. Sophie Marchand und Yacine VincentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt