Erneut schoss mir die Röte ins Gesicht, doch dieses Mal war es nicht, weil mir Worte, die aus meinem Mund gekommen waren, peinlich und zweideutig waren. Ich schämte mich einzig für die Bedeutung, die sie ausdrückten. In meinem Alter war es unüblich, nicht schwimmen zu können. Nicht nur meine Angst vor dem Wasser, das im Sommer eine wunderbare Abkühlung darstellte, ließ mich erröten. Auch, dass ich verlernt hatte, mit ihm umzugehen.
Lennox' Augen gewannen an Größe hinzu und auch als er sich auf mich zubewegte, wie ein Mensch auf ein scheues Reh, konnte er seine Verwunderung nicht verbergen. „Du kannst nicht schwimmen? Hast du es nie gelernt?", fragte er mich vorsichtig. Seine Stimme war gesenkt und hätte ich es nicht besser gewusst hätte ich gesagt, die klamme Luft hatte sich auf seine Lungen gelegt, diese umfasst und ihnen die Möglichkeit genommen, große Mengen an Sauerstoff aufzusammeln.
Ich biss mir auf die Unterlippe bis diese anfing, unter dem Griff meiner Zähne zu schmerzen. „Doch, als Kind hat mich meine Mutter ins Schwimmbad geschleppt, sodass ich einen Kurs belegt habe. Ich liebte es, die Sorglosigkeit und die Freiheit, die ich bekam. Aber genau diese Freiheit ist mir eines Tages zum Verhängnis geworden. Ich weiß nicht, vielleicht könnte ich noch schwimmen, mich an die Abläufe erinnern und sie umsetzen. Aber ich habe zu große Angst, um es auszuprobieren", gestand ich flüsternd. Ich schaffte es nicht, diese Worte laut und deutlich auszusprechen, als befürchte ich, das Wasser würde mich holen kommen, sobald ich mich unbeholfen zeigte, so, wie ich es damals geschehen war.
„Was ist passiert?", hakte Lennox nach. Seine Stimme nicht mehr als ein Hauchen, das so leicht vom Wind hätte davongetragen werden können.
„Wir waren im Urlaub in Italien. Ich war vielleicht zehn Jahre alt, als ich am Strand freudig ins Meer rannte. Es war gerade ein halbes Jahr her, dass ich gelernt hatte zu schwimmen und dementsprechend wollte ich unbedingt herausfinden wie es war, woanders zu schwimmen. Nicht nur im Schwimmbad, wo man den Boden für die Kinder erheben konnte und auf dem ich so oft gelaufen war wenn ich keine Lust hatte, mich anzustrengen. Oft hatte ich das Gefühl gehabt, bereits alles gelernt zu haben und es für unwichtig erachtet, meine Bahnen zu ziehen, wie es mir befohlen worden war."
Ich pausierte einen Moment, ließ ihm die Zeit, um die Informationen zu bearbeiten, wenngleich ich diejenige war, die diese Pause benötigte. „Mein Vater rief mir nach, forderte, dass ich auf ihn warten solle, bis er sich umgezogen hatte und wir zusammen ins Wasser gehen konnten. Aber ich hörte nicht auf ihn. Nicht, als meine Füße das Salzwasser berührten. Nicht, als es mir bis zu der Hüfte ging. Erst, als ich das Salz in meinem Mund schmeckte, es in meinen Augen brannte und die Wellen mich immer wieder aufs Neue nach unten rissen wurde mir klar, wie ernst seine Worte gewesen waren. Und dass ich hätte auf sie hören sollen." Tränen kitzelten in meinem Augen und erinnerten mich an das Salzwasser des Meeres, das vor Jahren ebenfalls meine Augen zum Brennen gebracht hatte.
„Immer wieder zogen mich die Wellen nach unten und weiter ins Meer hinein, sodass ich den Boden unter meinen Füßen vollkommen verlor. Ich hatte die Stärke der Wellen unterschätzt, kannte nicht die Gefahren und die Kraft, mit der sie Wasser immer wieder an das Ufer schwemmten. Panische Schreie erreichten mich immer, wenn mir die Wellen einen Moment an der Oberfläche gewährten. Meine Mutter stand am Strand, das Wasser ging kaum bis zu ihren Füßen und sie schrie die anderen Strandbesucher an, mir zu helfen. Mein Vater hatte sich ohne zu zögern auf den Weg zu mir gemacht, mit den Anweisungen seiner Frau im Nacken."
Nur einmal hatte ich sein Gesicht in dieser Zeit gesehen. Das panische Glitzern in seinen Augen, die weit aufgerissen waren und in denen sich unsagbare Angst widerspiegelte. Immer öfter hatte ich dafür aber seine Rufe gehört. Seine Bitten zu versuchen, an die Oberfläche zu gelangen, meine Hände nach ihm auszustrecken, sodass er mich greifen konnte, wenn er in meiner Nähe war.

DU LIEST GERADE
Paralyzed | ✓
Teen Fiction𝑺𝒆𝒊𝒕 𝑾𝒐𝒄𝒉𝒆𝒏 𝒃𝒆𝒇𝒊𝒏𝒅𝒆𝒕 𝒔𝒊𝒆 𝒔𝒊𝒄𝒉 𝒊𝒎 𝒇𝒓𝒆𝒊𝒆𝒏 𝑭𝒂𝒍𝒍 - 𝒆𝒓 𝒉𝒂𝒕 𝒆𝒔 𝒔𝒊𝒄𝒉 𝒛𝒖𝒓 𝑨𝒖𝒇𝒈𝒂𝒃𝒆 𝒈𝒆𝒎𝒂𝒄𝒉𝒕, 𝒔𝒊𝒆 𝒂𝒖𝒇𝒛𝒖𝒇𝒂𝒏𝒈𝒆𝒏. Cartia hatte in ihrem Leben alles, was sie sich wünschen konnte, bis d...