47 | I am happy.

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Gibt es einen bestimmten Grund dafür, dass du schon so früh hier bist? Ich habe erst kurz vor knapp mit dir gerechnet", gestand meine Freundin leise. An ihren hektischen Bewegungen konnte ich erkennen, dass sie die Situation überforderte. Dass sie nicht damit klarkam, was sich gerade abspielte. Ich hatte sie wohl auf dem falschen Fuß erwischt.

Während sie ihre Arme zur Begrüßung um mich schlang und ich dazu meine Hand von Lennox löste, bückte sich dieser nach unten um die Plakate, die meine Freundin fallengelassen hatte, aufzusammeln.

„Dito. Hat dein Bruder es endlich mal frühzeitig aus dem Haus geschafft?", stellte ich die Gegenfrage, um ihr möglichst nicht vor Lennox erzählen zu müssen, was die letzte Nacht geschehen war und weswegen genau wir so früh an waren.

Sie gab einen genervten Laut von sich und strich sich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr, bevor ihr Blick hektisch auf ihre Hände fiel. „Wo sind-?", stammelte sie verblüfft, ehe sie die Plakate in Lennox Händen erkannte. Erleichtert ließ sie Luft entweichen.

„Ich muss diese Plakate in der Schule aufhängen, und aus irgendwelchen mysteriösen Gründen bin ich die einzige in unserem Team, die dafür gerade Zeit hat. Alle anderen sind beschäftigt. Um halb Acht morgens. Vor der Schule." Sie rollte mit den Augen und griff zögerlich nach den großen Papieren, die ihr Lennox mit einem verhaltenen Lächeln reichte.

Der Moment der Stille war nicht nur mir, sondern auch Lennox und Alaia unangenehm. Niemand wusste genau, wie er sich zu verhalten hatte. Es gab keine gemeinsame Basis, auf derer sich die beiden verständigen konnten. Sie kannten einander nicht, wussten nicht, wie der andere einzuschätzen war. Vor allem bei Alaias Schüchternheit bezweifelte ich, dass sich diese anfängliche Stille schnell zwischen den beiden legen würde. Dabei hoffte ich dies so sehr.

Verwundert hob ich eine Augenbraue. „Niemand hat Zeit, ehrlich?" Alaia zuckte unbeeindruckt mit den Schultern aber ich kannte sie gut genug um zu wissen, dass es ihr etwas ausmachte. Es störte sie, dass sie die einzige war, die sich wieder für das Team einsetzte.

Mit Herzblut plante sie Veranstaltungen und sie liebte es, sich dafür mit anderen Menschen auseinander zu setzen. Es waren die wenigen Momente in ihrem Leben, in denen sie alles andere als schüchtern und in sich gekehrt war. So sehr sie es aber liebte, in eine solche Organisation verwickelt zu sein, zu sehr verabscheute sie es auch, wenn die Arbeit vollends an ihr hängen blieb. Während sie alles dafür gab, dass jedes Fest ein voller Erfolg wurde, waren viele der Mitglieder nur mit halber Aufmerksamkeit bei der Sache.

Mein Blick glitt von ihr zu der Wand, an dem sie eines der Polster angeklebt hatte. Es zeigte einen Hintergrund in verschiedenen Blautönen, geziert mit weißen Punkten, die an sanften Schnee erinnerten. Mehrere kleine, weihnachtliche Bildchen in weiß zierten die Fläche, während man die geschwungene Schrift in der Mitte angebracht hatte.

Der Winterball.

Außerdem Namen des Events hatte man das Papier mit Informationen über die Location, das Catering und den DJ versorgt.

Ich hatte mitbekommen, dass Alaia und ihre Gruppe in der Planung für dieses Fest steckten, weswegen es mich nicht wundern sollte, dass sie allmählich begannen, für dieses Werbung zu machen. Dass es so plötzlich stattfand, überraschte mich dennoch. Mit schlechtem Gewissen bemerkte ich, wie wenig Aufmerksamkeit ich meiner Umgebung in den letzten Wochen eigentlich geschenkt hatte.

Durch die Schule war die Zeit weniger geworden. Hinzu kamen die Treffen mit Lennox, die ich beim Start in dieses Schuljahr nicht eingeplant hatte. Ich hatte mir nicht einmal die Möglichkeit offen gelassen, dass ein Freund oder auch nur eine Freundesgruppe, so sehr an meiner Zeit zehren würde.

Paralyzed | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt