32 | Talk to me.

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Der darauffolgende Samstag war der Tag, an dem ich das Hintergrundbild auf meinem Handy von einem einfachen Spruch, zu einem richtigen Bild änderte. Einem Bild von Lennox.

Es kam mir absurd vor, ihn in dieser Form auf meinem Handy zu haben. Dennoch zauberte es mir jedes Mal ein Lächeln auf die Lippen, wenn ich seine strahlenden Augen.

An diesem Tag entsperrte ich das Handy häufiger als sonst. Ich wollte ihn sehen, mich an das erinnern, was am vergangenen Tag geschehen war. Die Stunden mit ihm waren wunderschön gewesen. Die Ereignisse und neuen Gefühle hatten mich dazu gebracht, meine Prinzipien zu erneuern und mich treiben zu lassen.

Sich jemandem anzuvertrauen musste nichts Schlechtes bedeuten. Eine Verbindungen zwischen zwei Menschen musste nicht nur Leid bringen. Sie konnte auch eine Stütze sein, eine Hilfe.

Ich lag mit dem Rücken auf meinem Bett, spürte das Gewicht meines Handys auf meinem Bauch und starrte schon seit geraumer Zeit Löcher in die Decke. Ich konnte mich nicht dazu aufraffen, etwas für die Schule zu tun, Lernzettel zu verfassen oder mich auch nur meinen Hausaufgaben zu widmen.

Meine Gedanken wollten sich einfach nicht von Lennox verabschieden, selbst, wenn ich ihnen versprach, dass es nur vorübergehend war.

Der gestrige Abend war genauso verlaufen, wie es nach dem Kuss den Anschein gemacht hatte. Gemütlich hatten wir noch mehrere Stunden nebeneinander in seinem Auto gelegen, die Sterne beobachtet und uns über Gott und die Welt unterhalten. Beispielsweise hatte ich erfahren, dass seine Lieblingsfarbe rot war und er einmal Klavierunterricht gehabt hatte. Sein Lieblingsessen waren Tortellini und er konnte es nicht ausstehen, tagsüber Auto zu fahren.

Über letzteres glaubte ich, eine gute Stunde noch gelacht zu haben. Ich hatte es amüsant gefunden, dass ein Mensch bei Tag nicht gerne fuhr, sich dafür aber in der Nacht sicherer fühlte. Wenn ich mich entscheiden musste, zu welcher Tageszeit ich den Rest meines Lebens nur noch fahren dürfte, würde ich mich definitiv nicht für die Nacht entscheiden.

Ich seufzte leise, als sich der Gedanke an unseren Kuss wieder in meinen Kopf schlich und ich automatisch meine Finger zu meinen Lippen wandern ließ. Allein bei der bloßen Erinnerung daran stellten sich die kleinen Härchen auf meinem Arm auf und ich konnte ein Kribbeln auf meinen Lippen spüren, als wäre Lennox gerade bei mir.

Einen Kuss wie unseren ersten hatte es noch weitere Male gegeben. Und ich hatte jeden einzelnen so sehr genossen. Vor allem jenen, den er mir vor meiner Haustür geschenkt, und der nicht hatte enden wollen.

Ein Vibrieren auf meinem Bauch ließ mich zusammenzucken und den Kopf heben. Ich tastete nach meinem Handy und kaum hatte ich es umgedreht, erkannte ich Alaias Namen hell leuchtend auf dem Display.

Am gestrigen Abend hatte sie mehrere Male angerufen, doch durch unser Date hatte ich diese Anrufe nicht mitbekommen, und an diesem Morgen nur mit einer kurzen Textnachricht ihre Frage nach meinem Wohlbefinden beantwortet. Nun müsste ich mich wohl einer ausführlicheren Erklärung stellen.

„Hallo", murmelte ich ins Telefon, welches ich mir haltlos ans Ohr hielt. Ich rieb mit der freien Hand müde über mein Gesicht und versuchte zum ersten Mal an diesem Tag ernsthaft, mich auf andere Dinge zu konzentrieren.

Ein Knacken auf der anderen Seite der Leitung war zu hören und schließlich die aufgeregte Stimme meiner Freundin: „Mein Gott, Cartia. Dass ich dich mal ans Telefon bekomme."

Ich rollte mit den Augen und drehte mich auf den Bauch, sodass ich meinen Kopf in die Handinnenfläche legen konnte.

„Ich war beschäftigt gewesen, tut mir leid...", entschuldigte ich mich halbherzig, wissend, dass ihre Worte keinesfalls als Vorwurf gemeint gewesen waren.

Paralyzed | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt