Kapitel 4

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Am nächsten Morgen musste Anni ziemlich viele Untersuchungen über sich ergehen lassen und ich durfte zu keiner einzigen mit. Bei Shayenne stellte sich erst jetzt raus, wie tief der Schock wirklich saß, denn meine kleine Schwester war komplett anders. Meine Mum und ich saßen gerade bei Shayenne und Anni im Zimmer und unterhielten uns ein bisschen mit Anni über die Untersuchungen, als es an der Tür klopfte. Ole trat vorsichtig ein und blieb mit einigem Abstand zu uns stehen. „Du kannst dich setzten.", bot ich an und stand von meinem Stuhl auf, um mich zu Anni auf die Bettkante zu setzten. „Wisst ihr jetzt schon mehr?", fragte Anni dann sofort an Ole gerichtet. „Ja, aber ich weiß nicht, ob wir das jetzt und hier besprechen sollten.", erwiderte er sofort. „Ole, ich muss das wissen.", sagte Anni und Ole warf einen Blick zu Shayenne. „Na gut, darfst du ein bisschen laufen?", fragte er und Anni nickte direkt. „Ich komme mit.", brummte ich und half meiner Freundin aus dem Bett. Bis in den Flur kamen wir noch ganz gut, aber dann merkte Anni, dass sie nach der Operation doch nicht ganz so fit war. Ohne Murren ließ sie sich einen Rollstuhl organisieren und wir suchten uns im Park des Krankenhauses einen netten Platz.

A: „Ole, jetzt sprich."

O: „Der Täter ist kein Schüler von uns. Er ist durch Schüler von uns vor einigen Monaten ins Gefängnis gekommen und wollte sich rächen. Zudem stand er unter Drogeneinfluss."

A: „Aber warum hat er dann auf mich geschossen?"

O: „Laut Polizei hat er halluziniert und nicht bewusst auf irgendwen geschossen, auch wenn er gezielte Opfer hatte."

A: „Leben noch alle?"

Anni sah Ole erwartungsvoll an, doch dieser schüttelte nur leicht mit dem Kopf. „Wer?", fragte Anni stumm. „Zwei Schüler aus meiner Klasse, einer aus der Zehnten und zwei aus der Neunten. Außerdem hat es Ella ziemlich hart erwischt, sie liegt auf Intensiv.", erklärte Ole und ich sah die Tränen in Annis Augen. Auch mir ging das gerade super nah und ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich kann so glücklich sein, dass es meinen Mädels so gut geht, fünf Tote und mindestens eine Schwerverletzte, was eine schreckliche Bilanz. Ich wollte Anni trösten, bei ihr sein, doch ich konnte nicht, ich saß, wie festgewurzelt, auf dieser verdammten Bank und versuchte irgendwie selbst mit den Gedanken klar zu kommen. Ole sagte Anni noch die Namen der Schüler und dann herrschte absolute Stille. Ich hörte, dass Anni weinte und irgendwann schaffte ich es meinen Körper so weit zu bewegen, dass ich Annis Hand nahm und beruhigend mit meinem Daumen über ihren Handrücken strich. Nach ungefähr zehn Minuten hatten wir uns alle wieder gefangen und Ole verabschiedete sich von uns. Ich schob Anni noch eine Weile durch den Park, bis sie zu einem Gespräch mit dem Zuständigen Oberarzt musste. Irgendwie schaffte Anni es sogar, dass ich mitdurfte und so saßen wir wenig später in einem super schlichten Behandlungszimmer.

Dr.: „Frau Neumann, Herr Weiß, mein Name ist Dr. Langendorf. Ich habe die Operation durchgeführt und wollte mit ihnen nochmal die Untersuchungsergebnisse durchsprechen. Erstmal muss ich Ihnen sagen, was für ein Glück Sie hatten. Der Schuss durch den Oberbauch hat kaum Organe verletzt und vor allem ist dem Kind nichts passiert. Frau Neumann, warum waren sie noch nicht beim Arzt?"

A: „Ich habe selbst erst vor zwei Wochen rausgefunden, dass ich schwanger bin und dann standen die Termine für meine Zwischenprüfung schon. Da Sonderpädagogen in den meisten Fällen ins sofortige Berufsverbot geschickt werden, hätte ich gestern Nachmittag meinen Termin gehabt."

Dr.: „Okay, das ist für mich einigermaßen verständlich. Herr Weiß, Sie sind der Vater des Kindes?"

W: „Ja."

Dr.: „Gut, also ich kann Sie erstmal beruhigen. Dem Kind geht es gut, es ist gesund entwickelt und der errechnete Geburtstermin ist der 30.10.2020. Möchten Sie das Geschlecht schon wissen?"

Unsicher sahen Anni und ich uns an. Ich wollte das nicht entschieden, auch, wenn ich verdammt neugierig war.

A: „Ich denke schon, du bist eh neugierig." Ich musste leicht schmunzeln und sah dann wieder zum Arzt.

Dr.: „Sie beide erwarten ein gesundes Mädchen.", lächelte er und schob uns ein Ultraschallbild und einen Mutterpass rüber. Auf dem Bild konnte man schon einen richtigen kleinen Menschen erkennen. Wir hatten die komplette Phase, in der unser Baby ein kleiner Punkt ist verpasst, aber trotzdem erwarten wir eine kleine Prinzessin.

Dr.: „Frau Neumann, normalerweise würden wir sie noch eine Nacht hierbehalten, aber wir haben einen akuten Bettenmagel und ich sehe, dass sie ohne ihren Freund nicht hierbleiben wollen. Wenn Sie sich zu Hause vernünftig schonen und in drei Tagen zur Nachuntersuchung kommen, dann könnten sie heute Abend schon nach Hause."

A: „Das wäre super. Ich werde auch wirklich auf mich acht geben."

W: „Dafür sorge ich schon."

Der Arzt erklärte uns noch einiges, was wir beachten müssen und verschrieb Anni auch noch das ein oder andere Medikament. Als letztes wurden die Entlassungspapiere ausgestellt und dann verließen wir glücklich das Behandlungszimmer.

Zwischen Dir und Mir // Wincent Weiss FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt