Es war dunkel um mich herum. Allein der blasse Schein meiner Taschenlampe gab den Gegenständen vor meinen Augen ihr gewohntes Aussehen zurück. Kantige Maschinen, kalte Metallwände und dutzende verhedderte Kabel. Eine Umgebung, die selbst durch das Licht meiner Lampe nicht wirklich an Farbe gewann. Das Design erfüllte seinen Zweck, ein seltsamen Gefühl der Beklemmung, das ich mittlerweile schon gut kannte, mischte meinen Bauch durcheinander.
Mulmigen Schrittes lief ich also los. Die verschraubten Platten an den Wänden engten mich ein, mit Klaustrophobie hätte ich jetzt bestimmt blöd dreingeschaut. Man hätte meinen können, dass mein klobiger schwarzer Anzug mich beim Bewegen hinderte, aber er saß wie maßgeschneidert und passte sich jeder Drehung meiner Gelenks an. Äußerst sexy war er zwar nicht aber hey, ich war hier ja auch nicht zum Anbandeln.
Gleich nebenan befand sich der Lagerraum, zudem ich kurzerhand einbog, um mal etwas Sinnvolles zu machen. Der Tank für den Motor musste nämlich mal wieder aufgefüllt werden und ich hatte grad irgendwie Lust, das zu tun. Ich schnappte mir also einen vollgetankten Kanister und ließ das Benzingemisch in den gierigen Schlund des Tanks gluckern, den beißenden Geruch konnte man sich nur zu gut vorstellen.
Kaum war ich fertig, trottete ich auch schon aus dem Lager heraus. Nie zu lang an einem Ort bleiben, das war mein Grundsatz. Doch an diesem Tag sollte er mir nichts helfen. Denn kaum trat ich aus dem Raum wieder in den Gang hinaus, kam mir mein Kollege Patrick in seinem giftgrünen Anzug entgegengerannt. Furcht prickelte in meinen Adern und ich wirbelte auf der Stelle herum, um wieder ins Lager zu flüchten. Aber ich war zu langsam. Patrick hatte sein Langmesser schon gezückt, zog es mir quer über den Bauch und halbierte mich. Autsch.
"Lol, Patrick ist ja echt fast immer Imposter", murmelte ich zu mir selbst und starrte noch kurz auf den Bildschirm mit meiner Todesszene, ehe ich mein Handy wieder wegpackte.
"Hm, hast du was gesagt?", fragte Miri mich und sah freundlicherweise von ihrem Insta Feed auf.
"Egal"
Sie nickte und senkte den Kopf wieder über ihr Handy, sodass ihre glatten lavendellila gefärbten Haare ihr Gesicht verdeckten. Da das Gespräch damit wohl beendet war, checkte ich mal kurz die Lage hier in der Straßenbahn ab. Paar dudes und dudines standen herum oder saßen wie wir auf den hölzernen Sitzen der Bahn. Die meisten schenkten ihrem Smartphone ihre ganze Aufmerksamkeit, wenige glotzten die dreckigen Fensterscheiben an. Oder sie sahen durchs Glas hindurch nach draußen, schwer zusagen. Ich jedenfalls ließ meinen Blick raus gleiten. Gräuliches Mauerwerk und glänzend lackierte Autodächer konnte ich von meinem warmen Plätzchen in der Straßenbahn erblicken. Zwei, drei Menschen gondelten auch herum und wirkten ähnlich verloren wie die Herbstblätter, die widerstandslos vom Wind herumgetragen wurden. Gleich würde ich auch einer von ihnen sein, denn meine Station war schon die nächste.
"Hier muss ich raus", informierte ich Miri, deren dunkelbraune Augen von Bildschirm wieder zu mir wanderten.
"Okay. Wie lang bist du ungefähr auf der Ausstellung? Nur damit ich's mir einteilen kann"
"Kein Plan, aber länger als zwei Stunden glaub ich kaum. Ich ruf dich dann an", meinte ich und schulterte unbeschwert meinen leichten Rucksack, da die Straßenbahn langsam zum Stehen kam.
"Ja, gut", meinte Miri und lächelte mich kurz an.
"Na dann", sprach ich im Aufstehen und beugte mich noch kurz zu ihr rüber, um ihr ein kleines Bussi auf die Wange zu geben, "Tschau"
"Tschüss"
Als ich aus der Straßenbahn trippelte, scrollte Miri auch schon wieder auf Insta. Ich wollte ihr von draußen noch einmal zuwinken, aber sie war zu sehr gefesselt von ihrem Handy. Tja, dann halt nicht.
Hier draußen dominierte Asphalt mein Umgebungsbild, Bäcker reihten sich an Kebab Stände und Nudelbuden, die Shishabar war gleich um die Ecke. Die dünn befahrenen Straßen zerhackten die Wohnkomplexe in strikte Rechtecke, die Kabel der Straßenbahn hingen am Himmel. Wien. Ein Adjektiv dafür fiel mir nicht ein.
Während ich die Geruchsvermischung von Speisen aus drei verschiedenen Kontinenten genoss, setzte sich die Straßenbahn wieder in Bewegung. Leise ratternd schlängelte sie sich davon, während der Wind verspielt meine dunklen Haare herumwirbelte. Spontan hob ich die Hand und winkte Miri in der Hoffnung, die Bewegung würde ihre Aufmerksamkeit erregen. Doch sie hatte es gar nicht mitbekommen, und stierte noch immer wie fixiert ihr Handy an. Dann wohl wirklich nicht.
Unbeirrt verabschiedete ich mich von der Station und machte mich ans Marschieren. Ich war wohl doch nicht so ziellos wie die gefallenen Blätter, denn ich steuerte heute ganz bewusst ein Ziel an. Einen der Ausstellungsräume der Kunstakademie. Als Freshman an der Uni kam ich nämlich in den Genuss, an einer exklusiven Ausstellung der Drittsemester teilnehmen zu dürfen. Das war so Brauch an der Akademie, dass relativ am Anfang des Semesters einmal kurz mit den Studenten geflext wurde. Konnte es kaum erwarten, was die Künstler zu bieten hatten, genauso wie die unzähligen anderen Neulinge, die sich durch den Aufnahmetest wurschteln hatten können.
Und lasst mich eins sagen, die Mischung an Leuten war wild. Es gab Tätowierte, Glatzköpfige, Anzugsmenschen und Bikini Dudes, aufgekrempelte Hosen und löchrige Jeans. Schnurrbärte und Monobrauen, Dunkle, Helle und Bunte, jede menschliche Schattierung war vertreten. Und ich mittendrin mit meinen fetten schwarzen Sneakers und dem mit Tinte bestochenen Arm. Meine riesigen Klamotten waren schwarz wie die Nacht, sogar meine Fingernägel hatte ich mir mit tiefschwarzem Lack bepinselt. Es kam nicht selten vor, dass Leute mich für ein schwarzes Loch hielten.
Ein paar Mal war ich schon hier gewesen für kunstwissenschaftliche Fächer, aber trotzdem haute mich die Vielfalt an Menschen immer wieder um. Künstler hatten schon ein eigenes, elitäres Flair.
"Heut wird's sicher cool", dachte ich laut und versenkte meine Hände in den endlosen dunklen Hosentaschen. Dann tauchte ich auch schon im bunten Wirbel aus Menschen unter.
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catching vibes like dreams || taeguk
FanfictionJeongguk und Taehyung, die beiden leben einfach ihr Leben, machen ihr Ding, kennen sich nicht. Doch bei dieser einen Kunstausstellung spricht Teilzeit Pokémontrainer Taehyung den angehenden Game Designer an und irgendwie verändert das alles. strang...