Kapitel 31♚

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Ich brauche ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass es stimmt.
Während ich Jasper einfach nur wortlos und unsagbar Überrascht betrachte, ohne ihn wirklich wahrzunehmen.
Es ist wirklich Magie.

Je länger meine Hand auf der Schublade liegt, je größer wird mein Empfinden. Diese Magie fühlt sich mit einem mal so mächtig und pressend an, dass ich meine Finger abrupt zurückreise und die Schublade mit einer plötzlichen Übelkeit betrachte.
Auch wenn ich es nicht weiß, erahne ich die schier endlose Macht, die durch den Inhalt dieser Schublade pulsiert. Und das, obwohl eine Holzplatte dazwischen liegt.

„Was denkst du, ist da drin?", frage ich und meine Stimme klingt leise. Fast zögerlich.
Jasper, der bis eben noch auf den Knien war, richtet sich auf und greif sich seufzend in seinen Nacken. Ich blicke ihn an und meine Augen bleiben an seinem Haar hängen, dass ihn in die Stirn hängt.

„Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich das überhaupt wissen will", erwidert er. Jedoch betrachtet er das Holz der Schublade mit einem neugierigen Funkeln in den Augen. Ihm scheint die Magie nicht so zuwider zu sein, wie mir.

Ich richte mich ebenfalls auf und sobald ich stehe, bemerke ich den Schatten hinter Jasper. Er steht still an der Wand und mir fällt es schwer, mir vorzustellen, was er gerade wohl denken mag. Doch was ich gewiss weiß, ist, dass er uns zuhört und beobachtet.

Ich würde gerne wissen, was er mir sagen würde, wenn er mit mir sprechen könnte.
Der Schatten will etwas von mir und so wie er gerade dasteht, bin ich scheinbar auf dem richtigen Weg.

Schließlich springt er nicht hektisch umher und gibt mir unmögliche Anschaffungen, wie sonst immer.

Vielleicht will er das Gleiche wie wir. Vielleicht will er Frieden und der Rubin hält ihn hier fest. Anders kann ich es mir nicht erklären. Warum sollte er sonst wollen, dass ich ihn klaue und dann zerstöre? Doch warum soll gerade ich das tun? Was sieht der Schatten in mir, dass mir selber verborgen bleibt?

Ich sehe im Augenwinkel, dass sich Jasper's Augenbrauen in die Höhe ziehen. Dadurch blicke ich ihn an und bemerke, dass ich vollkommen auf den Schatten fokussiert war.

„Ich weiß nicht, ob ich es als Beleidigung sehen soll, dass die Wand hinter mir schon den ganzen Abend interessanter ist als ich", sagt er, doch lächelt dabei schelmisch.

Ich spüre, wie meine Wangen rot werden und schicke aus Angewohnheit einen kleinen Schwall Kälte empor, um dem entgegenzuwirken. Und ich hätte schwören können, dass er nicht bemerkt hat, wie oft ich einen flüchtigen Blick auf König Arthur geworfen habe.

Ich reagiere nicht gleich, weswegen Jasper sich zur Wand umdreht.
Beinahe hätte ich erschrocken aufgekeucht, doch genau dann, als er den Schatten gesehen hätte, verschwindet er.
So als hätte er sich in Luft aufgelöst.
Und mir wird augenblicklich klar, dass der Schatten sich mir gezeigt hat. Freiwillig.
Als ich ihn das erste Mal bei diesem Abendessen gesehen habe, dachte ich, dass ich ihn rein zufällig erwischt habe. Das er einfach unvorsichtig war.
Doch er verschwindet nicht nur in Dunkelheit, sondern auch in der Luft.

Jasper sieht wieder zu mir und bekommt nicht mit, dass sich gerade so viele Gefühle in meinem Gesicht bemerkbar gemacht haben.
Doch jetzt verdränge ich meine Emotionen.
So stark, wie ich die Kälte verdränge.

„Eure Tapeten sind echt wahnsinnig", sage ich und betrachte die goldenen Muster an der Wand.

Was als nächstes kommt, hätte mich beinahe noch mehr erschrocken, als all die Ereignisse des heutigen Abends, denn er lacht- er lacht richtig.
Dabei fand ich mein Kompliment ganz gut.
Schließlich ist ‚wahnsinnig' genauso nichts-sagend wie ‚interessant'. Die perfekten Antworten, wenn man nicht weiß, wie man sonst reagieren soll.

Wolfsmond - Geheimnis der Legende Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt