Kapitel 34♚

180 16 0
                                    



Mein Körper ist stocksteif, während ich mich innerhalb der kurzen Stille frage, warum das Schlafmittel nicht funktioniert hat. Vielleicht hätten wir länger warten sollen? Oder sie haben zu wenig davon gegessen?
Aron's Frau steht unberührt und nach wie vor überrascht vor mir und ich blicke zu der einzigen offenen Türe zu meiner Rechten.
Ein Badezimmer.
Sie war aus dem Badezimmer gekommen und direkt hinter ihrer Schulter erkenne ich die Haustüre.

Ein paar Sekunden früher oder später und wir hätten ohne Probleme hinaus spazieren können.

„Ich.. wollte gerade gehen", stoße ich stockend hervor und meine Wangen beginnen vor Scham und gleichermaßen Panik zu glühen. Nichts mehr ist von der Todbringenden Kälte zu spüren. Als hätte auch sie sich im letzten Eck meines
Daseins versteckt.

Die dunklen Augen von der Frau huschen einen Moment meinen Körper hinab.
Jeans, Jacke, Schuhe.
Vollkommen Aufbruchbereit.
„Warum bist du hier? Ich dachte, du wolltest zu deiner Schwester heim", wiederholt sie ihre Frage abermals und bewegt sich kein Stück zur Seite.
Ihre Stimme klingt klar und freundlich, doch in ihren Augen lodert etwas anderes.
Etwas, dass ich im Moment nicht einschätzen kann und will.

Ich schlucke, als sich ein fester Kloß in meinem Hals bildet. Das wars, denke ich mir.
Ich bin sowas von geliefert.
Obwohl ich weiß, dass meine Stimme nicht mehr als ein krächzen ist, wenn ich jetzt rede, mache ich dennoch den Mund auf, um etwas zu sagen. Mich irgendwie zu rechtfertigen, obwohl ich nicht weiß wie.
Doch dazu komme ich nicht.

„Da bist du ja", ertönt es plötzlich rechts von mir.
Kurz darauf spüre ich einen warmen Körper direkt an meiner Schulter.
„Ich habe dich überall gesucht", redet Jasper unbeirrt weiter, obwohl seine Mutter ihn mit tellergroßen Augen betrachtet.

Sein Arm legt sich um meine Schultern und ich versteife mich noch mehr.
Sein Körper hat die perfekte Größe zu meinem, um seinen Arm lässig um meinen kompletten Oberkörper zu legen.
Ihre Augen huschen zwischen mir und Jasper hin und her und ich traue mich nicht mal, mich nur ein Stück zu bewegen oder gar nach oben in sein Gesicht zu sehen.

„Warum bist du gegangen? Ich dachte, du bleibst über Nacht", sagt er und ignoriert die eiserne Stille, die sich um mich und seiner Mutter gelegt hat.
Beinahe hätte ich mich an meiner eigenen Spucke verschluckt, als ich das höre.
So ein lässiger glattzüngiger Lügner.
Das kann er wirklich viel besser als ich.

„Oh?", ertönt es dann doch aus ihrem Mund. Perplex starrt sie mich an.
Und ich kann ihre Überraschung nachvollziehen, denn ich fühle mich im Moment nicht anders, vor allem als ich dann auch noch bemerke, dass Jasper sich umgezogen hat.
Er sieht aus, wie frisch aus dem Bett geschlüpft.
Sein Haar steht mehr als sonst in alle Richtungen und es ist ungewohnt, ihn mit anderer Art von Kleidung zu sehen, die er normalerweise in der Schule trägt.

Er muss sich wohl sehr beeilt haben und im Eifer des Gefechts habe ich nicht einmal mitbekommen, dass sie sich alle tatsächlich entfernt haben.
Sogar meine Schwester und Light sind verschwunden.

Mit knallroten Wangen räuspere ich mich und sage: „Tut mir leid. Ich dachte, es wäre besser, hier nicht zu übernachten."
Die weitere unausgesprochene Erklärung bleibt in der Luft zwischen uns hängen.
Jasper sein Arm, der noch immer über meine Schultern liegt wird kaum merklich leichter.
Auch, wenn sein Gesicht kaum etwas verrät, erkenne ich das überraschte Funkeln in seinen dunklen Augen.

Als er seine Mutter wieder anblickt, lächelt er.
„Ihre Eltern sind etwas streng was.. solche Dinge angeht", lügt er und führt meinen Satz zu Ende.
Wenn ich nicht wüsste, dass er lügt, würde ich es sogar glauben.

„Gut, dass wir es nicht sind. Ihr hättet es mir ruhig sagen können. Kaddee, Schätzchen", sie blickt mich an, „du bist immer und jederzeit bei uns willkommen. Bleib über die Nacht und Frühstücke morgen mit uns! Ich würde mich freuen. Wenn deine Eltern erst morgen wieder in der Stadt sind, sollte das doch kein Problem sein, oder?"

Kurz überlege ich, was sie mit ‚ihr hättet es mir ruhig sagen können' genau meint.
„Natürlich", presse ich versucht entspannt hinaus, nachdem ich all meine Möglichkeiten in Gedanken durchgespielt habe.
Jasper sein Lächeln sieht so echt aus, dass ich beinahe dieses verräterische Funkeln in seinen Augen übersehen hätte.
Er spielt nur mit. Mehr nicht.

„Dann bis morgen früh, meine Süßen", sagt sie und lächelt uns zu.
Meine Lippen erwidern es wie festgefroren.
Jasper nickt leicht und er entfernt sich, wobei er mich mitzieht.
Als wir ihr den Rücken zudrehen, spüre ich ihre Augen bis in den letzten Zoll meines Körpers.
Sie brennen auf meiner Haut und ich verbanne den Gedanken daran, dass sie denkt, dass Jasper und ich uns tatsächlich ein Bett teilen.

So lange, bis wir um die Ecke verschwunden sind.

Jasper entfernt seinen Arm von mir und legt sie stattdessen auf meinen Rücken zwischen meinen Schulterblättern.
Ich spüre die Wärme bis im jede Faser meines erkühlten Körpers und man hätte diese Tatsache sicher von meinem Gesicht ablesen können, doch Jasper blickt nur nach vorne, während er mich vorschiebt.
Auch ohne zu fragen, erkenne ich den Weg, den er einschlägt.
Wir gehen geradewegs in Richtung seines Zimmers.

Seine Hand auf meinem Rücken ist unnachgiebig, so, als würde er denken, dass ich umkehre und hinausrenne, wenn er sie entfernt würde. Vielleicht hätte ich das auch, doch nur aus dem Grund, weil ich es nicht länger in seiner Nähe ertrage, ohne komplett den Verstand zu verlieren.. oder über ihn herzufallen.
Oh Gott.. hör' auf so zu denken.
Gerade als ich den Mund aufmache, um die Stille zu brechen, höre ich ein leises Geräusch.

Es wird immer lauter, je länger wir den Flur entlanggehen.
Zuerst kann ich es nur mit meinem guten Gehör wahrnehmen, doch nach ein paar Sekunden regt sich auch etwas in Jasper's vorher fast versteinertes Gesicht.

Jemand schnarcht unglaublich laut.
Und als wir an dem offenen Küchenbereich vorbeigehen, weiß ich auch, wer es ist.

Gleichzeitig bleiben wir beide kurz stehen, als wir ihn entdecken.
Über den kompletten Esstisch gebeugt, halb auf einem Stuhl und halb auf dem Tisch liegt Aron.

Er schläft tief und fest.





Nächstes Kapitel kommt in ein bis zwei Tagen💛
Danke für's lesen

Wolfsmond - Geheimnis der Legende Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt