Kapitel 47♚

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Seine Lippen bewegen sich zu schnell.
Jasper reagiert ebenso wie ich und tritt einen großen Schritt an mir vorbei Richtung Aron. Ich erhasche gerade noch so einen kurzen Seitenblick in seine Richtung.
Doch dann ist es zu spät.
Während ich Arons Haut unter dem Stein brutzeln höre und der strenge Duft von verbrannten Fleisch in meine Nase zieht, hat er den Wunsch bereits ausgesprochen.

Erst weiß ich nicht, wie mir geschieht und im nächsten Moment kann ich mich und meinen Körper kein einziges Stück mehr bewegen. So, als würden meine Arme und Beine viel zu schwer zum heben sein. Wie eingefroren.
Welch Ironie..
Jasper, der neben mir plötzlich zum stehen kommt und sich ebensowenig mehr rührt, scheint es gleich zu gehen.

„So, jetzt wo ich eure erteilte Aufmerksamkeit endlich einmal habe, würde ich vorschlagen, ihr hört auf mit diesem Kinderspiel und lasst mich in Ruhe. Ihr hattet lange genug Zeit für eure lächerlichen Abenteuer."
Als wäre der Schmerz nur noch Nebensache, lässt er den feuerroten Rubin langsam zu Boden gleiten und legt ihn nieder. Mit einem Blick aus glitzernden Augen betrachtet er den Stein grinsend über beide Ohren.
Wie er harmlos und doch so unheilvoll auf den Boden liegt und den Teppich verseengt.

Ich versuche meine Finger zu bewegen.
Meine zu Lippen lecken.
Doch nichts davon funktioniert.
Ich spüre Jasper seine Körperwärme neben mir, doch kann nicht einmal den Kopf drehen um ihn anzusehen.
Nicht einmal mein Mund lässt sich öffnen.
Blinzelnd versuche ich dagegen anzukämpfen und ein knurren entspringt meiner Kehle, als ich wütend begreife, dass es nicht hilft.
Der Wunsch ist zu stark und ich frage mich, wie der Rubin sich aussucht, wen er Wünsche erfüllt.
Den Habgierigen? Denen, dessen Lebensenergie man gut stehlen kann?
Doch wieso dann gerade auch ich?

Aron sein Wusch ist zweifelsohne gut gewählt. Für die Lebensenergie, die ihm jedoch dafür genommen wurde, war es das sicherlich nicht Wert.
„Natürlich", fast schon tadelnd schüttelt Aron den Kopf und betrachtet mein Gesicht, als er meinen Ton bemerkt.
Federleicht umrundet er den Rubin und blickt über seinen Sohn hinweg zu mir.
„Du willst doch nur deine Eltern beschützen."
Ich spüre, wie meine Augen sofort geschockt größer werden.
Nackte Panik braut sich tief in meinem Inneren auf.

Er deutet meinen Blick genau richtig. Ein Grinsen breitet sich auf seinen Lippen aus. Blut strömt aus der kleinen Wunde heraus, die ihm Jasper hinzugefügt hat.
„Ich war nicht tatenlos, während ihr mir meinen Rubin herumspaziert habt. Deine Eltern, Kaddee, sind blendend darin Dinge geheim zu halten und ich weiß, dass sie etwas über den Mondwolf wissen. Vielleicht sogar wo er sich aufhält."

Wenn ich könnte, hätte ich genau jetzt erleichtert aufgeatmet, als ich seinen Worten lausche. Er weiß es nicht.
Natürlich nicht.. nie würde ein Mensch darauf kommen, das Werwölfe existieren. Denn sie glauben nur das, was sie wollten. Nur das, was sie sehen.
Noch nie war ich glücklicher über diese Tatsache.

„Schwierig. Aber wenn ich mir dich so ansehe", er kommt ein paar Schritte näher und bleibt direkt vor mir stehen. Die Erleichterung verschwindet Augenblicklich.
„Ich würde nur all zu gerne dein schönes Gesicht verwetten, dass du ebenfalls Bescheid weißt und wenn ich mir dich so ansehe.. völlig wehrlos.„

Ein Ruck geht doch Jasper, als er das hört.
Auch ohne ihn ansehen zu müssen spüre ich, das sich sein ganzer Körper versteift hat. Er kämpf mit aller Kraft dagegen an. Das fühle ich einfach.
Aron packt mit einer fließenden Bewegung mein Kinn und unter dem Zauber sich nicht bewegen zu können, spüre ich meine Kälte, wie sie anfängt zu rebellieren.
Seine Hand ist kalt. Es fehlt jegliche Wärme.
Doch ich kann nur stehen bleiben. Nichts tun.
Völlig wehrlos.

„So eine zarte Haut. So unverletzt. Findest du nicht auch?"
An wen die Frage gerichtet ist, weiß keiner so wirklich und für mich ist es nebensächlich weil sich heiße Wut in meinem Bauch zusammenbraut. Wie gerne würde ich ihn jetzt entgegenspeien, das ich keine Angst vor seinen lächerlichen Drohungen habe.
Er sollte eher Angst vor mir haben.
Entschlossen starre ich in seine dunklen Augen.

„Nimm- deine Hände von.. ihr", ertönt Japser seine gepresste Stimme. Er klingt, als würde es ihm alle Mühe abverlangen zu reden. Als hätte er starke Schmerzen dabei.
Überrascht fliegt Arons Kopf in seine Richtung.
Er haucht.
Und dann lässt er mein Kinn abrupt los und kichert laut und hell.
Meine Ohren tun augenblicklich weh und am liebsten würde ich mein Gesicht verziehen.
„Du", er deutet mit einem breiten Grinsen auf seinen Sohn.
„Und sie", redet er weiter. Er hebt die Arme nach oben und lächelt breit. Irre.
Das ist das einzige Wort, das mir durch den Kopf schießt.

Ich versuche vergeblich zu schlucken und meine Augen von Aron abzuwenden, doch bringe es nicht über mich, ihn aus den Augen zu lassen. Etwas in mir will die aufkommende Angst und Panik nicht zulassen.
Stattdessen durchfluten ganz andere Gefühle mein inneres. Welche, die rein garnicht jetzt und vor allem hier hergehören.
Liebe.
In diesem Moment bin ich mir sicher.
Etwas in mir wird ganz weich bei dem Gedanken und meine Kälte surrt in einem ruhigen Wirbelwind in meinem Inneren. So sanft und ausgeglichen wie noch nie.

„Ich bin wirklich überrascht mein Junge. Doch so schön es auch ist, das zu hören, muss ich dir leider sagen; du hast dir ein Mädchen mit zu vielen Geheimnissen gesucht. Eins, das mir gehört", donnert Aron seine Stimme plötzlich laut drauf los.

Mit einem Mal steht er vor mir und packt grob mein Kinn. Seine langen Finger drücken meine Wangen fest zusammen und sein Griff ist eisern. Selbst jetzt, wo ich mich nicht einmal wehren kann.
Mit aller Macht fegt meine Kälte plötzlich in meinen Adern umher und ich spüre, wie sie sich schmerzhaft gegen diesen Wunsch auflehnt und dem entkommen will.
Meine Magie fühlt sich eingeschlossen.
Ich fühle mich so.

„Sag mir, was du weißt. Ich will alles wissen."
Wüste Beschimpfungen kommen mir in den Sinn, als ich in sein breit lächelndes Gesicht sehe.
Er wartet vergeblich auf eine Antwort, wohl wissend, dass ich ihn in diesem Zustand nicht einmal eine Antwort geben könnte, selbst wenn ich es wollen würde.

Als wäre ein Sturm über sein Gesicht geweht, hört er nach ein paar Sekunden abrupt auf zu lächeln und rümpft wütend die Nase. Ich sehe diese Wut sogar tief in seine dunklen Augen. Wie ein Sturm tobt er.
Seine Hand verschwindet von meinem Gesicht, doch seine Augen bleiben daran kleben.

Ich versuche meine Lippen zu heben um ein böses Lächeln in mein Gesicht zu zaubern.
Es soll ihn zur Weißglut treiben und er soll die Fassung verlieren.
Denn ich habe keine Angst vor ihm.
Ehe ich weiß, wie mir geschieht fallen seine Augen hinunter zu meinen Lippen, die sich tatsächlich langsam heben.
Meine Beine zittert kaum merklich vor Anstrengung.

Ich sehe die Wut in seinen Augen stärker lodern, eher er mit der flachen Hand ausholt.
Automatisch kneife ich meine Augen zu und warte auf den Schmerz, der jeden Moment einsetzen wird.
Doch nach ein paar Sekunden in denen nichts passiert, öffne ich sie verwundert wieder und begreife in wenigen Sekunden, dass Jasper sich mit einem erschütternden Schrei auf ihn gestürzt hat.
Im gleichen Moment wie beide Körper direkt neben den Rubin zu Boden fallen, ist der Bann gebrochen und ich kann mich wieder bewegen.

Wolfsmond - Geheimnis der Legende Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt