Kapitel 38♚

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Früher dachte ich, dass ich gut darin wäre Rätsel zu lösen. Doch eine Blockade hat sich in meinen Gedanken gebildet und sie wird immer stärker je länger das Buch in meiner unmittelbare Nähe liegt.
Jedes Mal, wenn ich einen Blick darauf werfe scheint es mich zu verhöhnen, obwohl es nur da liegt und in der Sonne ledrig glänzt.

Doch zu meinem Trost bin ich anscheinend nicht die einzige. Meine Schwester, Light und Jasper lungern den gesamten Nachmittag auf der Couch, in unserem Wohnzimmer, herum und überlegen erfolglos. Dabei immer die Frage im Hinterkopf, warum wir gerade ein Rätsel lösen müssen, um eine Antwort auf unsere Frage zu bekommen.
Seufzend erhebe ich mich nach ein paar Stunden schließlich und verlasse den Raum.

Meine Beine führen mich in die nächstgelegene Küche, wo ich mir ein Glas Wasser einschenke und mich an die Küchenzeile lehne.
Mit brummenden Kopfschmerzen trinke ich und denke nach.
Und viele, die ich küsse, zertrampeln mich mit herzlosen Scherzen..

Im Nebenzimmer höre ich gerade Linn und Jasper über das Rätsel diskutieren als Light den Raum betritt.
„Vielleicht gehen wir viel zu dickköpfig an die Sache ran", sagt er und bedient sich wie selbstverständlich an unserem Kühlschrank. Daraus holt er Orangensaft um sich ebenfalls etwas zu trinken zu machen.

Ich schlucke runter und betrachte sein honigblondes Haar. Sie stehen wie festgeklebt perfekt an seinem Kopf und sind somit das komplette Gegenteil von Jasper's.
Doch was gleich sind, sind seine dichten Wimpern, unter denen er mich nun anblickt.

Manchmal scheint es, als wäre ich der Klugen und Schönen liebstes Kind, aber ich beschenke alle, die tapfer und wagemutig sind..

„Mh", erwidere ich und versuche die Stimme in meinem Kopf niederzudrücken. Auch wenn die Lösung des Rätsels auf dessen Oberfläche lauert und nur darauf wartet von mir entdeckt zu werden.
Ich schlucke.

Light betrachtet mich einen augenblicklich lang und ich schenke ihn keine Aufmerksamkeit, auch wenn ich genau sehe, wie sich seine Lippen öffnen und wieder schließen.
Mit einem Zug leere ich mein Glas aus und stelle es zur Seite.
Kurz bevor ich jedoch den Raum verlasse höre ich Light murmeln; „Kaum zu glauben, dass ich das jetzt wirklich mache."

„Bitte?", frage ich und bleibe stehen.
Tatsächlich. Er hat nur überlegt ob er es mir wirklich sagen will.
Seine Lippen verziehen sich zur Seite und ich gehe zwei Schritte zurück, um ihn besser ansehen zu können.

„Du solltest etwas über meinen Bruder wissen, bevor du dir die an ihm Zähne ausbeißt", sagt er und senkt seine Stimme kaum merklich.
Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen und öffne den Mund um zu antworten, doch er redet unbeirrt weiter.
Seine Augen geradewegs in meine gerichtet.
Ohne zu wissen warum, fängt mein Herz an verräterischen schnell zu klopfen.

Er richtet sich auf und leckt sich die Lippen.
„Jasper ist ein Freigeist. Was ich damit meine; Regeln sind für ihn nichts weiter als Worte. Was er für richtig hält, dass tut er auch. Und zwar ohne auch nur eine Sekunde an sich selber und an seine Sicherheit zu denken. Er ist nicht dafür gemacht in eine Form zu passen und schon gar nie verliebt er sich."
Einen Moment lang schaue ich Light einfach nur baff an.

Mir fallen so viele Dinge ein. So viele Fragen und einige davon sind giftige Erwiderung. Größtenteils Abstreitungen. Doch nicht weil ich mich deswegen schäme, sondern einfach nur weil es Light ist, der mich damit konfrontiert und anscheinend ertappt hat.

Das einzige, dass meinen Mund jedoch verlässt ist ein; „Warum sagst du mir das?"
Ich spüre, das mein Gesicht sich verschließt und von außen hin sicher wie versteinert aussieht. Doch in Wirklichkeit schwirren mir seine Worte in meinen Kopf hin und her und werden gedreht und gewendet.

Light lässt sich jedoch nicht beirren.
Lässig trinkt er seinen Orangensaft aus und zuckt dann mit den Schultern.
„Schätze mal, weil ich nicht will, dass du zu mir kommst, um dich auszuheulen wie jedes andere Mädchen auch, dass er bis jetzt anstandsvoll zurückgewiesen hat", sagt er grinsend und hebt wie selbsterklärend seine Hände.

Ich hebe meine Augenbrauen und ein kaum merklich Lächeln erscheint auf meinen Lippen. „Sag mir bloß nicht, dass es dich stört. Denn ich würde dir kein Wort glauben, so wie du grinst", erwidere ich.
Light lacht auf und das ist mir Antwort genug.
Diese armen Mädchen.

Doch wenn ich ihn mir so ansehe, dann sind das wohl doch nicht ganz so arme Mädchen.

Bevor ich die Küche verlasse, werfe ich noch einen Blick in Light seine Richtung und kann einfach nicht anders.
„Hey Light", er schaut mich an und ich grinse, „Linn ist übrigens erst fünfzehn."

Ich beobachte noch einen Moment wie sich sein Gesicht voller Ungläubigkeit verzerrt und seine Augen völlig überrascht an der Küchentheke zu kleben beginnen.
„Fünfzehn?!", höre ich ihn noch flüstern ehe ich den Raum verlasse.

Linn mag Light und vielleicht habe ich gerade ihre Chancen verspielt.
Doch das schlechte Gewissen in meinem Herzen will einfach nicht hochkommen.
Stattdessen schwillt tief in meinen inneren die Kälte an und ballt sich um mein Herz zusammen.

Wolfsmond - Geheimnis der Legende Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt