Und inmitten dieser Situation, zwischen den Menschen, die ich tatsächlich lieben gelernt habe, entsteht nackte Panik in meiner Brust.
Die Ballbesucher sehen allesamt so schön hergerichtet aus, das ich beinahe glauben könnte, das sie sich gleich lachend zurückziehen.
Das kann nicht wahr sein, brüllt die geistige Stimme in meinem Kopf, als ich ihre regungslosen Gesichter betrachte.„Der Rubin gehört mir! Ein für alle mal! Mir reicht es, ihn von Hand zu Hand wandern zu sehen. Durch unwürdige Pranken."
Kira zeigt auf uns und ihr Blick bleibt wütend auf mir hängen. Sie scheint völlig aufgelöst.„Sag mir, Kaddee. Was für eine Magie besitzt du? Was bist du?", redet sie unbeirrt weiter, ohne die anderen auch nur zu beachten.
Ich gucke ebenfalls nur zu ihr.
Unsere Blicke ineinander verknotet, über zwanzig Menschen hinweg.
Die Gesichtsausdrücke der anderen will ich garnicht erst sehen.
Überdeutlich bin ich mir der Blicke jeder im Raum bewusst.
Sie liegen schwer auf mir.
Die Ballgäste haben sich so nahe an uns gedrängt, dass wir in einem kleinen Kreis gefangen stehen und ich spüre eine überdeutliche Körperwärme zu meiner linken.
Jasper.
Ich spüre, wie sein Atem kaum merklich schneller geht. Doch gleichzeitig weiß ich genau, wie unlesbar sein Gesicht gerade sein muss.Die Magie des Rubins drängt sich innerhalb weniger Sekunden an mich und will mich zwingen zu sprechen.
Ohne es zu wollen, öffne ich meinen Mund.
Und die Worte entweichen meinen Lungen in nur einem Luftzug.
„Die Kälte ist meine Magie."
Ich versuche, meine Lippen vergeblich zusammenzupressen. Doch die Magie hämmert erbarmungslos an meinen Stimmbändern.
Ich rede weiter.
„Ich weiß nicht, was ich bin. Ein Mensch auf jeden Fall nicht", sage ich die Worte, die mir das Buch einst bei unseren ersten und einzigen Gespräch zugeflüstert hat.Warte.. das Buch!
Ich blicke mich mit einem Ruck um.
Wir müssen zum Buch.
Etwas in mir sagt es mit einer Gewissheit, die ich kaum ignorieren kann.
Und es gibt nur eine einzige Möglichkeit, um hier rauszukommen. Eine, vor der ich mich innerlich sträube.Als ich Linn ihren Blick auffange, nickt sie leicht. Beinahe aufmunternd.
Es ist, als würde sie spüren, dass meine Augen eine klare Warnung aussenden und auch irgendwie eine Erlaubnis.
Als ich wieder zurück zu Kira blicke, schweifen meine Augen an Jasper vorbei.
Er blickt mich aus seinen dunklen Augen an.
Unlesbar. Und doch spüre ich, dass er etwas erwartet und mir die Wahl lässt.
Den keiner von uns kann gerade etwas ausrichten, um uns aus dieser Situation zu befreien. Außer ich.Ich balle meine rechte Hand zur Faust und versuche mit allem was ich habe, meine Magie zu sammeln. Diesmal kann ich die Panik so weit herunter schrauben, das sie mir gehorcht.
Innerlich entschuldig ich mich bei Light.
Denn er ist der Einzige, der keine Ahnung von irgendwas hat und dem es jede weitere Offenbarung kalt erwischt.Kira ihre Augen liegen äußerst zufrieden auf mir.
Meine innerliche Wut spornt meine Magie an und ich stoße einen tiefen Atemzug aus.
Ich spüre, wie meine Haut anfängt zu erfrieren.
Doch egal wie viel Schmerz ich dabei verspüre, ich sammle alles, was in mir ist.„Kaddee, sag mir-", beginnt Kira mit einem grausamen glitzern in den Augen.
„Sag du mir lieber danach, wie sehr es wehgetan hat," unterbreche ich sie laut.
Meine Stimme hallt einen winzigen Moment im totenstillen Raum.Und ehe irgendwer auch nur reagieren kann, stoße ich einen wütenden Schrei aus.
Ich hebe blitzschnell meine Faust und lasse sie nach unten sausen.
Meine Magie beugt sich mir willentlich entgegen und verstärkt den Schlag, als ich mit meinen Knien und meine Faust beinahe gleichzeitig am Boden aufkomme.
Dann lasse ich sie mit einem Schrei frei und lasse alles los.Das Aufkommen meiner Faust auf dem seidigen Teppich zerstört den Boden darunter, als wäre es nur Luft. Ein ohrenbetäubendes Krachen ertönt.
„Runter!", brüllt gerade noch so Jasper seine Stimme, als eine kräftige Druckwelle über den Raum hinwegfegt.
Linn schmeißt sich mit vollem Körpereinsatz zu Boden und zieht dabei den verblüfften Light mit nach unten. Jasper reagiert ebenfalls schnell und schmeißt sich nach unten wobei er einen Arm über Linn legt und sie zusätzlich festhält.Und ich spüre den Aufprall, bevor er überhaupt einen einzigen Menschen berührt.
Obwohl ich merke, wie stark mein Körper strapaziert ist, so versuche ich dennoch in dieser einen Sekunde meine Magie um drei warme Körper herum zu manövrieren, um sie nicht ebenfalls zu erwischen.
Dennoch fegt sie über sie hinweg und ich merke, wie sich alle drei dem Boden entgegen pressen, um nicht nach hinten geschleudert zu werden.Meine Magie jedoch macht keinen Halt vor allen anderen.
Es passiert so schnell, dass beinahe alle gleichzeitig von den Füßen gerissen und einige Meter nach hinten geschleudert werden.
Körper fliegen durch den Raum und landen mit einem ächzen an den Wänden.
Fliegen kreuz und quer übereinander.
Die Bilder fliegen von den Wänden.
Tische, Geschirr und Stühle fliegen durch den Raum.
Dabei spüre ich jeden einzelnen Körper mit einem warmen Lichtpunkt.
Selbst Kira und Aron haut es von den Füßen.
Dabei weiß ich genau, das sie den Rubin nicht mal so aus ihren Händen lässt.
Selbst wenn ihr Körper mit duzend anderen an den Wänden aufprallt.Und dann bricht reinstes Chaos aus.
Die Magie des Rubins löst sich und gibt alle Ball Besucher von ihrem Bann frei.
Ich richte mich auf und beachte das Loch im Boden nicht.
Menschen beginnen panisch zu brüllen und durcheinander zu reden, zu schubsen und panisch umherzublicken.
Ich höre einige laut heulen.Linn reagiert schnell und kämpft sich auf die Beine. „Los raus!", brüllt Jasper über die Schreie der Gäste hinweg.
Er tretet zu seinem Bruder, der vollkommen geschockt am Boden liegt und zerrt ihn unerbittlich auf die Beine.Fast gleichzeitig rennen wir zur Ausgangstüre und lassen alle hinter uns, ohne auch nur einen Blick zurück zu werfen. Ohne auf Verletzte zu achten. Der Weg jedenfalls ist komplett frei, weil alles den Wänden entgegen geflogen ist.
Laufend und keuchend lassen wir den Ballsaal hinter uns.
Und niemand hält uns auf.Nicht einmal das Beben, dass kurz darauf den Boden unter uns erfasst.
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Wolfsmond - Geheimnis der Legende
WerewolfKadee ist kein normales Mädchen und das weiß sie ganz genau. Jedoch will sie es nicht wahrhaben, wie unglaublich schön sie ihrem Gesicht jeden Morgen im Spiegel entgegenblickt. Und wie viele Menschen in ihrer Umgebung geradezu verrückt nach ihr sind...