Kapitel 37♚

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Als Light, Jasper und ich Mittags den Waldstück zu meinem Zuhause betreten, kann ich erst wieder erleichtert durchatmen.
Das Frühstück ist gut verlaufen und zum Ende hin war es sogar angenehm, auch wenn mich die Anwesenheit und das irre Glitzern in Aron's Augen die gesamte Zeit nervös gemacht haben.

„Wie tief im Wald liegt eurer Haus?", fragt Light und kickt einen Ast zur Seite.
Ich zeige nach vorne.
„Nicht mehr lange", antworte ich und versuche dem Buch, dass unter Jasper seinen Arm klemmt, keine Beachtung zu schenken. Jedoch fällt es mir unsagbar schwer und ein Teil von mir will nicht nur vom Buch wissen, wie man den Rubin zerstören kann, sondern auch, was er über mich weiß.
Ein Mensch bist du sicherlich nicht.

Jasper sein Blick versinkt zwischen den Bäumen, in den tiefen des Waldes.
Man hört eine gewisse Zeit lang nur noch unsere Schritte und das gelegentliche Knacken von Ästen, die unter unseren Schuhen zerbrechen.
„Redet das Buch mit dir?", frage ich Jasper nach ein paar Sekunden.

Aus den Gedanken gerissen blickt er mich an und ein leichtes Lächeln bildet sich auf seinen Lippen.
Musternd wandern seine Augen über mein Gesicht.
„Nein, sie scheint irgendwie eingeschnappt zu sein."

Erleichtert lache ich auf und schaue nach vorne.
Das ist doch schonmal was.
„Da ist es", sage ich, als mein Zuhause zwischen den vielen Bäumen zum Vorschein kommt. Lächelnd wandern meine Augen an der Hausfassade entlang nach oben.
Light pfeift durch seine Zähne und zieht seine Augenbrauen nach oben. „Schick."

„Und es steht sogar noch", erwidert Jasper.

„Linn hat sich scheinbar sehr zusammengerissen", sage ich und lache auf, als sie die Haustüre aufreißt und uns auch schon entgegenkommt.
Als sie in unserer Hörweite ist, lächelt sie mir zu.
„Schön dich wieder zu sehen, Schwesterchen."
Betont auffällig ignoriert sie Light und Jasper komplett. Lediglich dem Buch schenkt sie einen kurzen schaudernden Blick.





„Lass es mich versuchen", sage ich und strecke meine Hand nach dem ledrigen Einband des Buches aus.
Alle Augen bleiben an meinem Gesicht hängen und ich sacke kaum merklich tiefer in das Sofa hinein.

Das Buch redet nicht mehr.
Mit niemanden von uns.

Ich jedoch weigerte mich bis jetzt strickt dagegen, das Buch in die Hand zu nehmen. Doch wenn ich antworten will, muss ich sie mir holen, egal ob ich will oder nicht. Und mein Gefühl sagt mir, dass das Buch mit mir reden wird.
Selbst wenn nicht dann ist es den Versuch jedenfalls wert.
Jasper zögert dennoch kurz, bevor er mir das Buch in die ausgestreckte Hand legt.

Der Einband fühlt sich im ersten Moment kalt auf meiner Hand an, dann jedoch durchströmt mich augenblicklich ein kribbeln und ich spüre die Magie meinen Arm empor wandern.
Der Rubin an meinem Hals wird warm und ich schicke automatisch Kälteschübe an diese Stelle. Es hilft sofort.

Was willst du wissen, kluges starkes Mädchen?

Erschrocken atme ich auf. Ich spüre alle Augen auf mir und Linn richtet sich alarmiert auf. Beruhigend nicke ich ihr zu.
Jasper fährt sich durch seine Lockenpracht.
Schluckend sage ich meine Antwort in Gedanken und versuche dieser mächtigen Stimme in meinem Kopf nicht den Platz zu geben, den sie einnehmen will.

Sag mir, wie wir den Rubin an meinem Hals zerstören können.

Ein tiefes dröhnendes Lachen erklingt in meinem Kopf und ohne das ich etwas dagegen tun kann, spüre ich, wie mein Gesicht kreidebleich wird.

Unter all den Fragen die in deinem Kopf umherwandern, willst du diese eine wissen?
Bist du dir sicher? Ich beantworte dir nur eine einzige Frage.

Zögernd schlucke ich und versuche die Tatsache zu ignorieren, dass das Buch weiß, wie viele Fragen in meinen Gedanken tatsächlich zu Gange sind.
Ja, schieße ich meine Antwort dennoch hervor.
Diese Frage ist die einzige dessen Antwort ich brauche, auch wenn es mich nach so viel mehr dürstet.

In meinem Kopf ist es kurz still.
„Was sagt es?", fragt Light und seine Augen kleben in meinem Gesicht.
„Halt die Klappe, Light", kommt es von Linn.

Ich ignoriere beide, denn es fängt wieder an zu reden.
Um eine Antwort auf deine Frage zu bekommen, musst du mir ein Rätsel lösen.

Es will, dass wir ein Rätsel lösen", erkläre ich langsam und blicke in die verwirrten Gesichter der anderen.
Jasper zieht seine Augenbrauen zusammen.
„Das ergibt doch keinen Sinn", flüstert Linn mehr zu sich selber, während Jasper mir so ernst entgegenblickt, dass ich fast wegsehen muss.
„Was für eins?"

Schluckend wende ich mich wieder dem Buch zu. Wie lautet es?

Während die Stimme in meinem Kopf all den Platz einnimmt und bis in jedes Eck in meinen Gedanken dröhnt, spreche ich laut für die anderen mit.
Meine Stimme vermischt sich, in meinen Ohren, mit dem des Buches und jagt mir ein Schauder nach dem anderen über meinen kompletten Körper.

„Viele suchen mich ein Leben lang, voll Sehnsucht im Herzen.
Und viele, die ich küsse, zertrampeln mich mit herzlosen Scherzen.
Manchmal scheint es, als wäre ich der Klugen und Schönen liebstes Kind, aber ich beschenke alle, die tapfer und wagemutig sind.
Meine Taten sind sanft und süß, im Großen und Ganzen.
Doch einmal verschmäht, das rate ich dir, solltest du dich verschanzen. Denn obschon meine Pfeile ihr Ziel nie verfehlen, töte ich langsam, wenn ich entschiede, dir das Leben zu stehlen."

Den letzten Teil des Rätsels hauche ich lediglich, jedoch weiß ich, dass mich jeder deutlich verstehen konnte.
Mit einer schnellen Bewegung lege ich das Buch zu Seite, bevor es noch mehr sagen kann.

In meinen Kopf hat sich das Rätsel angehört wie ein schrecklicher Fluch.

Wolfsmond - Geheimnis der Legende Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt