Vielleicht wartet er auf eine andere Reaktion. Auf eine Antwort. Wie zum Beispiel; was ist die Antwort auf das Rätsel?
Oder auf die unbändige Wut, die bis eben noch aus meinem Blick und meinem Mund kam.
Diese ist jedoch plötzlich verraucht.
Und in meinem Kopf spuckt nur ein einziger Gedanke herum.
Eine einzige Berührung der Hände also.. kann den ganzen Körper verrückt spielen lassen.
Beinahe höre ich noch diese Worte aus seinem Mund wispern.
Es gibt so viel.
Der bewusstlose Aron hinter uns.
Das treiben des Festest, irgendwo in diesem Haus. Die ganzen Menschen und meine Schwester, von der ich nicht weiß, wo sie gerade ist.
Der Stromausfall.
Geschweige denn dieser Kuss..Doch mein Kopf denkt nur an eines.
Ich gehe die paar wenigen Schritte in seine Richtung die noch zwischen uns liegen.
Er beobachtet mich mit stillen Augen.
Erwartungsvoll.
Ich hebe meine Hand und lege sie federleicht auf seine Schulter. Wie von selber wandern meine Finger nach oben entlang, an seinem Schlüsselbein hinauf, bis meine Kuppen seine weiche Haut am Hals berühren.
Im ersten Moment weiß er sicher nicht, ob er einfach stehen bleiben oder ganz automatisch zurückweichen soll. Das zeigt zumindest das leichte zurückzucken.
Doch sein Körper nimmt ihm scheinbar die Entscheidung ab.
Stocksteif steht er da. Seine so lässig vergrabenen Hände, die bis eben noch in seiner Hosentasche vergraben waren, sehen nicht mehr ganz so entspannt aus. Mit dunklen, nichtssagenden Augen beobachtet er mein Gesicht.
Leise Überraschung ist darin zu erkennen.
Ich würde alles für seine Gedanken geben- nur für ein paar wenige Sekunden.Meine Mundwinkel heben sich leicht.
Sein Blick wandert sofort meine Lippen hinab.
Genau das, was ich wollte.
„Was denn?", flüstere ich so verführerisch wie ich kann, auch, wenn ich mir dabei ein wenig lächerlich vorkomme.
„Ich versuche nur meine Nervenden mit Reizen zu versorgen."Ich versuche das Zittern meiner Hand zu unterdrücken, da ich plötzlich genauso nervös werde, wie heute beim Tanzen.
Ich war mutig und er hat mich abgewiesen. Doch jetzt, nach dem Kuss, scheint sich vieles geändert zu haben. Vielleicht ist sogar der Damm gebrochen, den er so dick um sein Herz herum gebaut hat.
Auch wenn etwas in mir sagt, das ich gleich wieder eine Enttäuschung zu spüren bekomme, mache ich weiter.
Keine Angst vor Verluste.
Dabei versinke ich beinahe viel zu tief in den dunklen Sturm seiner Augen, die mich nicht loslassen wollen.Ich strecke mich etwas nach oben, um in sein Ohr flüstern zu können. Dabei wollen mir meine Zehnspitzen kaum gehorchen.
Gerade im Augenwinkel bekomme ich mit, wie seine Augen noch weiter kaum merklich dunkler werden. Fast sind sie schwarz.
Sein Adamsapfel hüpft auf und ab.„Ganz egal was passiert. Ich werde dafür sorgen, dass der Rubin in all seinen Einzelteilen zerlegt wird. Aron kann es sich gerne zum Schluss einrahmen und täglich anschauen, was er verzweifelt versucht hat zu erreichen. Und er wird sich jeden Tag daran erinnern müssen, das ausgerechnet ich es war, die all seine Träume nieder getrampelt hat."
Meine Stimme bleibt leise. Entspannt.
Dabei bildet sich blinde Wut in meinem Hals, wo der Rubin unheilvoll liegt. Und jedes Wort meine ich auch so.
Möglicherweise wollte ich etwas anderes sagen. Doch aus meinem Mund kamen diese Worte wie ganz automatisch. Es ist keine Drohung, fällt mir in diesem Moment auf. Es ist ein Versprechen.Jasper bleibt vollkommen still und ich will schon wieder zurückweichen, als nach ein paar Sekunden keine Reaktion kommt.
Eine Berührung an meiner Hüfte lässt mich verwundert inne halten und die Wut verschwindet augenblicklich und macht Platz für ganz andere unerhörte Gefühle.
Seine Hand legt sich in seiner vollen Größe auf meine Seite. Selbst durch den Stoff meines Kleides, fängt meine Haut beinahe Feuer.„Du faszinierst mich", ertönt seine dunkle Stimme neben meinem Ohr.
Mein Atem wird kaum merklich schneller.
„Wie bitte?", frage ich völlig fassungslos und lehne mich ein Stück zurück, um ihn in die Augen sehen zu können.
Seine Hand lässt jedoch nicht zu, dass ich mich komplett von ihm entferne.
Ein Schauder durchfährt mich.
Seine Augen heften sich sogleich in meine.„Trotz deinen klaren Ansichten kannst du mir immer noch nicht sagen, was du bist", seine andere Hand wandert hinauf zu meinem Gesicht und stoppt an meinem Hals. Warme Finger legen sich um ihn und um mein unteres Kinn. Mit einer fließenden Bewegung zwingt er meinen Kopf in seine Richtung nach oben. Ich gebe wie hypnotisiert nach.
„Sag mir, Kaddee, warum willst du den Rubin so unbedingt zerstören? Was hängt daran, das du dir so viel Mühe machst und Risiken eingehst?"Am liebsten wäre ich zurückgewichen. Doch mein Körper gehorcht mir nicht mehr. Seine Hände halten mich fest und seine Augen blicken wie in meine Seele. Selbst wenn ich es wollen würde, könnte ich mich nicht mehr losreißen.
Vor meinem geistigen Auge sehe ich meine Eltern. Das Geheimnis das unsere Familie behütet.
Mein Geheimnis.
„Lass mich los", flüstere ich.
Trotz macht sich in mir breit. Von diesen vielen unterschiedlichen Gefühlen bekomm ich noch ein Schleudertrauma.„Sag es", erwidert er, ohne mich loszulassen.
Unnachgiebig steht er vor mir. Stärker, vermutlich auch noch gerissener als ich.
Ich schweige.
„Ich habe da so eine Theorie."„Ich warte mit angehalten Atem auf deine Lösung", erwidere ich.
Das Grübchen an seiner rechten Wange erscheint, als er lächelt.
„Auch noch ironisch."„Nicht nur eine Diebin und Einbrecherin", erwidere ich und versuche bewusst nicht, seine Lippen anzusehen.
„Ich frage mich, was du noch alles verheimlichst. Es steckt mehr dahinter, du willst mir nur nicht sagen was. Und wissen was du bist, tust du scheinbar nicht mal. Also, Kälteprinzessin, du musst es nur zu sagen."
Seine Finger an meiner Taille bewegen sich kaum merklich und kein Blatt mehr passt zwischen unseren Körpern. Wärme steigt mir empor.
Von der Kälte keine Spur mehr.„Kälteprinzessin?", frage ich verwirrt und versuche einen kleinen Teil meiner Kälte bewusst an dem Rubin zu lassen, damit er mir nicht wieder das Fleisch von den Knochen brennt.
„Da du mir nicht sagen kannst, was du bist und es offensichtlich mit Kälte zutun hat, nenne ich dich eben so. Und fordernd wie eine Prinzessin bist du auch."
Ein neckendes Grinsen hat sich auf seinen Lippen gebildet.„Ich bin nicht fordernd. Und jetzt lass mich sofort los", feuere ich dagegen.
Er zieht seine Augenbrauen nach oben und ich verkneife mir ein irres Kichern. Warum das plötzlich emporsteigen will, weiß ich bei besten Willen nicht.
Seine Hand wandert von meinem Kinn weg hinunter zu meinen Schultern. Als er den Mund aufmacht und mich nach wie vor nicht loslässt rede ich dazwischen. „Und komm mir jetzt nicht mit deinen Nervenden. Was wenn ich dir sage, dass ich nicht will, dass du mich anfasst?"
Etwas in mir zieht sich bei dieser Lüge wie automatisch zusammen.
Das ignoriere ich gefließlich.Als auf seiner anderen Wange auch ein Grübchen erscheint, wende ich meine Augen schnellsten ab. Sonst falle ich noch über ihn her, was rein kontraproduktiv wäre.
„Oh ich wäre schon längst am Boden und würde kein Finger mehr rühren können, wenn du es nicht wollen würdest. Da bin ich mir sicher."Naja..
Ein leichtes Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen und Jasper seine Mundwinkel heben sich ebenfalls.Gerade als ich den Mund aufmache, um zu antworten passiert es.
Gerade so bekomme ich seinen erschrockenen Gesichtsausdruck mit und er will etwas sagen. Vielleicht wäre es eine Warnung gewesen, irgendwas.
Etwas das verhindert hätte, das sich eine bloße Hand von hinten um meinen Rubin am Hals schließt und in Sekundenschnelle zieht.
Meine Kette gibt nach und reißt, zeitgleich rieche ich verbrannte Haut.Mein Gehirn verarbeitet das Geschehene nur sehr langsam und ich drehe mich um.
Panisch sehe ich mit an, wie Aron mit schmerzverzerrtem Gesicht und irrem Glitzern in den Augen den Rubin triumphierend in die Höhe hält.Kaum können Jasper und ich etwas sagen oder auch nur reagiert flüstert Aron bereits den ersten Wunsch.
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Wolfsmond - Geheimnis der Legende
WerewolfKadee ist kein normales Mädchen und das weiß sie ganz genau. Jedoch will sie es nicht wahrhaben, wie unglaublich schön sie ihrem Gesicht jeden Morgen im Spiegel entgegenblickt. Und wie viele Menschen in ihrer Umgebung geradezu verrückt nach ihr sind...