Kapitel 17♚

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Ich öffne meine Handfläche und sende Kälte in meine Fingerspitzen. Angestrengt beiße ich auf meine Lippe und ziehe meine Augenbrauen zusammen.
Ich versuche das Gefühl in mir hervor zu rufen, dass ich hatte, als Light zu mir kam und ich das Gefühl hatte, meine Kälte wäre groß und gefährlich.

Auch wenn meine Hand irgendwann so kalt ist, dass es beinahe schon wehtut, sende ich noch mehr Kälte von meinem Inneren ab.
„Komm schon", flüstere ich leise.
Unter meinen Füßen knirscht der Fußboden meines Zimmers. Ich werfe keinen Blick nach unten.

Erschrocken atme ich auf, als sich etwas in meiner Hand bildet, das fast durchsichtig ist. Ich kneife meine Augen zusammen und sehe, wie sich des Eis zu einem Ball formt. Faustgroß. Und kurz bevor ich es nicht mehr aufrecht halten kann, werfe ich es ab.
Wie als würde ich einen Ball werfen.
Er landet auf meinen Holzboden und zerschellt mit einem lauten krachen.
Erschrocken springe ich zurück.

Linn, die hinter mir stand, schreit entzückt auf.

Wir treten näher zum Boden, wo der Ball gelandet ist.
Er ist verschwunden und hat stattdessen einen kaputten Fußboden hinterlassen. Dabei hatte ich nicht einmal stark geworfen.
„Oh Hallo!", ruft Linn neben mir aus und mustert das zersplitterte Holz.
Ich seufze.
„Wir hätten draußen üben sollen", sage ich.

Linn zuckt mit den Schultern und schiebt meinen Teppich über das Loch. Ich schüttle lächelnd den Kopf.
„Womöglich ja. Ich muss dir was zeigen", erklingt ihre Stimme aufgeregt.
Aufmerksam betrachte ich sie, als sie aus dem Zimmer geht und kurze Zeit später mit einem großen alt aussehenden Buch wieder kommt.

„Ich habe mich ein wenig in alten Büchern von der Bibliothek informiert."
Sie legt das schwere Buch auf den Boden und beginnt in den Seiten zu blättern.
„Es gibt viel über den Mondwolf, jedoch kaum etwas darüber hinaus. Deswegen habe ich diesbezüglich nichts herausgefunden. Aber.. ich habe das gefunden", sagt sie und deutet auf die nun geöffnete Seite.

Ich beuge mich vor.
Das Bild bedeckt die gesamte linke Buchseite. Es ist ein Gemälde eines jungen Mannes. Er ist schick angezogen und blickt förmlich drein.

Er sieht aus wie ein König, stelle ich fest.
Der Stuhl auf dem er sitzt ist groß und mit rotem Samt umdeckt. Und er hält einen Zepter in seiner Hand.

Während ich ihn mustere und versuche herauszufinden, wieso er mir so bekannt vorkommt, seufzt Linn und flüstert:
„Schau dir seinen Zepter genauer an."

Ich tue was sie sagt und ziehe scharf die Luft ein. „Der Stein!", sage ich, als ich es entdecke. Ich betrachte ihn, wie er ganz oben auf dem Zepter thront.
Er ist es unverwechselbar.

„Dieses Bild stammt vom 15. Jahrhundert. Das ist König Arthur", flüstert Linn ehrfürchtig einen Moment später.

Ich schüttle den Kopf.
„König Arthur ist nur eine Sagengestalt", sage ich.
Sie zuckt mit den Schultern.
„Das kann man nicht beweisen. Wer weiß, was früher alles wahr war und was nicht. Du bist schließlich ja auch unmöglich.
Aber Fakt ist: dieser Stein ist alt. Sehr alt. Im Text wird er als Rubin benannt. Du kennst doch die Legende von Excalibur? Das ist ein Teil dem Schwertes, dass König Arthur aus dem Stein gezogen hat."

„Das- das ist..", ich stocke und versuche meine Gedanken zu ordnen.
Ich lehne mich noch weiter vor, um König Arthur von nahen zu betrachten. Ich musterte seine breiten Schultern und sein Haar. Es ist nach hinten gestrichen und doch kann ich seine Locken erahnen.
Mir schießt ein Gedanke durch den Kopf und ich presse meine Lippen zusammen.
„Nein. Das ist unmöglich", flüstere ich.
Etwas in mir will es einfach nicht wahrhaben.
Trotzdem versuche ich mir seinen Schatten vorzustellen. Diese breiten Schultern und die etwas abstehenden Ohren. Seine Locken.
Das ist der Schatten!

„Was ist los?", fragt mich Linn, als sie meinen Gesichtsausdruck erblickt.
Ich versuche meine Gedanken beiseite zu schieben und etwas Ordnung in meinen Kopf zu bekommen. Vergebens.
Das ist unmöglich. König Arthur ist seit Ewigkeiten Tod.

„Nichts. Wie ist er gestorben?", frage ich mit zitternde Stimme. Gleichzeitig wünsche ich mir, ich hätte im Geschichtsunterricht besser zugehört. Doch ab dem Thema Mondwolf hatte ich komplett abgeschaltet.

Linn setzt sich aufrechter hin und verschränkt ihre Hände auf den Schoß. Eifrig fängt sie an zu erzählen:

„Es gab eine Schlacht. In dieser Schlacht starben sehr viele der besten und berühmtesten Ritter der Zeit. Das gleiche Schicksal erlitt auch König Arthur. Im Zweikampf tötet er seinen Feind. Er selbst wird aber schwer verwundet in die geheimnisvolle Insel Avalon entrückt. Von dort, so weiß die Sage zu berichten, kehrt er eines Tages zurück, denn er ist nicht gestorben. Es gibt jedoch viele Visionen der Geschichte. Diese jedoch steht in diesem Buch. Und dieses Buch ist das einzige, wo ich dieses Bild gefunden habe."

Er kehrt eines Tages zurück, denn er ist nicht gestorben.
Dieser Satz wiederholt sich in meinem Kopf in Dauerschleife und ich lehne mich erschöpft nach hinten. Nach so viel Ahnungslosigkeit, so viele Antworten zu erhalten, ist zu viel.
„Wir wissen also jetzt, beziehungsweise denken zu wissen, wo dieser Stein herkommt.
Jedoch wissen wir weder, wie Aron diesen Rubin in die Finger bekommen konnte oder was er damit vorhatte zu tun.
Was denkst du, sollen wir tun? Jetzt, da wir ihn haben", frage ich an meine Schwester gewandt.

Linn seufzt und sieht schon fast bedauernd aus. „Wir zerstören ihn. So viel Macht darf in einer Welt wie diesen auf keinen Fall existieren. Sie ist sogar größer als die Macht des Mondwolfes und dieser hat schon damals die Welt auf den Kopf gestellt."

„Du hast Recht."
Ich nicke bekräftigend und lege meine Hand um die Kette. Auch wenn ich seine Wärme vermissen werde, so werden wir das Richtige tun.

Auch wenn unsere Situation es nicht zulässt, kann ich nicht anders als Linn stolz anzusehen. Ich hatte schon öfters mit dem Gedanken gespielt, den Stein zu zerstören, doch hatte es nie gewagt es auch nur auszusprechen. Doch Linn tut es.

Während wir beide in Gedanken nachhängen ertönt plötzlich ein lautes Geräusch im Untergeschoss. Eine Türe wird zugeschlagen und eine aufgebrachte Stimme ertönt.
Mama.

Sogleich springen wir auf und laufen die Treppe hinunter. Kaum sind wir näher dran, kann ich alles klar und deutlich hören.
In der Mitte des Treppenhauses packt mich Linn am Arm und bringt mich zum stehen bleiben.
Ich verstehe sie sogleich und lehne mich nur etwas vor, um Mama's Worte an Papa gewandt besser verstehen zu können.

„-das ist nicht möglich, Sky!", ertönt die aufgebrachte Stimme von Papa. Ich werde hellhörig. Wenn Papa sie beim richtigen Namen nennt, dann kann es nur wichtig sein. Sonst sagt er nur Skychen zu ihr.

„Wenn ich es doch sage! Keira hat es mir deutlich gesagt! Sie sagte, dass sie etwas haben, um den Mondwolf seine Kraft und Magie zu stehlen. Sie wollte beinahe angeben, verdammt! Genau deswegen machen sie Jagd auf uns!", ihre Stimme klingt aufgebracht und laut. So laut, dass es mir in den Ohren wehtut. Die Panik in ihrer Stimme tut jedoch in meinem Herzen weh.

Ich versteife mich und blicke zu Linn nach hinten. Uns schießt der gleiche Gedanke durch den Kopf. Es kann nur der Stein sein, von dem Aron's Frau Aurelia geredet hat.
Gleichzeitig höre ich Papa fluchen.

„Und was bitte soll das sein? Das ist unmöglich."
Auch ohne ihn zu sehen, weiß ich, das er sich in diesem Moment die Haare rauft.

„Ich weiß es nicht. Aber wir müssen mehr aufpassen und sie weiter aushorchen. Aurelia scheint mir langsam zu vertrauen. Ich muss noch mehr herausfinden", sagt Mama nun etwas leiser.

„Bis dahin dürfen wir auf keinen Fall mehr in den Wald", sagt Papa und erstickt Mama's lautstarken Proteste in einer Umarmung.

„Wir zerstören den Stein gleich morgen", raunt mir Linn in diesem Moment in mein Ohr.
Ich nicke.

Wolfsmond - Geheimnis der Legende Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt