Kapitel 7♚

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Als ich am Samstag Morgen meine Augen öffne, begrüßt mich die Sonne. Ich kneife sie zusammen, um mich besser an das Licht gewöhnen zu können, das in mein Gesicht scheint.

Einen kurzen Moment bleibe ich liegen. Meine Augen fühlen sich von der Nacht noch müde an, und mein Körper liegt wohlig weich, sodass es mir schwer fällt aufzustehen.
Ich musste gestern Abend noch die Bettwäsche wechseln, da meine andere nach wie vor nass war.
Dazu hatte ich in später Stunde noch mein ganzes Zimmer trocken putzen müssen und als ich endlich fertig war, schlichen so viele Gedanken in meinem Kopf herum, dass ich anfangs nicht einschlafen konnte.
Vor allem aber musste ich an Jasper denken und an das was in den letzten Tagen mit ihm passiert ist.
Ich habe daran zurück gedacht und den ein oder anderen Traum zusammengeflickt.

Zufrieden lächle ich, als nun meine geöffneten Augen um das Zimmer schweifen.

Es ist vollkommen normal.
So vollkommen normal wie ich gerade bin.
Ich bin normal, rede ich mir ein.
Immer und immer wieder.

Mit einem tiefen Seufzer stehe ich schließlich auf und fahre mir durch mein offenes langes Haar, das sich gleich darauf wie eine wärmende Decke an meinen Rücken schmiegt.
Ich schlüpfe in meine Hausschuhe in Form von schwarzen Schlappen.

Als ich aufstehe mache ich mir garnicht die Mühe etwas überzuziehen, als ich die Türe aufsperre und mit einem T-Shirt und keiner Hose die Treppe runter gehe.
Die Sonne gibt mir das Gefühl, dass heute ein schöner Samstag sein wird.
Ich kann mich heute raus legen und die Wärme der Sonnenstrahlen genießen, was in letzter Zeit schwer war wegen der fehlenden Sonne.

Und ich kann die Kälte vergessen.

Während ich die Treppe runter gehe, höre ich das helle Lachen meiner Mutter vom Wohnzimmer aus.
Es riecht nach frisch gemachten Kaffee, was meine Laune auf den Höhepunkt bringt.
Als ich fast an der Türe ankomme, kommt mir Linn entgegen.

Hinter sich schließt sie die Wohnzimmertür und dreht sich schließlich zu mir um.
Ein breites Lächeln ziert ihre rosa Lippen und ihre Wangen sind gerötet, als ich sie erblicke. Eine Sekunde blicke ich sie verwirrt an, doch dann ist es mir doch egal.

Sie erhebt einen Zeigefinger als sie mich sieht und macht ihren Mund auf.
„Ehm.. Kaddee, zieh' dir lieber was an, bevor du-„

Doch ich ignoriere sie einfach genervt und sie verstummt als ich die Wohnzimmertüre aufreiße und mit großen Schritten reingehe.

Ich lenke meine ganze Aufmerksamkeit auf mein juckendes Auge, das ich reibe.

Meine Mum verstummt.

Und ich öffne kurze Zeit darauf meine Augen.
Ich wünsche mir im gleichen Moment ich hätte es nicht getan.

Geräuschvoll ziehe ich die Luft ein, als ich das Bild wahrnehme, das sich gerade im Wohnzimmer abspielt.
„Ach, Schatz! Ich habe ganz vergessen dir zu sagen das wir heute Besuch bekommen!", nehme ich die glückliche Stimme meiner Mutter wahr. Ich spüre wie meine Augen kugelrund werden und einen Moment stehe ich nur erstarrt da. Meine Gedanken setzten aus.

Doch ich höre garnicht erst hin.

Ich gucke nur Jasper an.

Wie er da sitzt, einen Kaffee in der Hand und seine vor Schreck geweiteten Augen. Sie wandern schnell meinen Körper hinab, rein aus Reflex. Sein Haar liegt in schönen Locken zerzaust auf seinem Kopf und seine grünlichen Augen funkeln wie immer.
Er wendet den Blick ab, was mich noch roter im Gesicht macht.

Und bevor ich die Situation realisieren kann, stellt sich Linn ganz nach guter Schwester vor mich hin um meine nacktem Beine zu bedecken.
Und generell alles zu verdecken, was Jasper nicht sehen darf.

Noch nicht zumindest.

Dabei ist sie kleiner als ich.

„Oh Gott, Mum!", schreie ich nun auch erwacht von den Toten und springe zurück um mich hinter der Türe zu verstecken, die kaum genug Deckung bietet.
Kurz fühle ich mich wie eine Maus, die um die Ecke geht und dort die Katze sitzen sieht.
Mein Herz klopft mir bis zum Hals.

Ich blicke zu Linn, die gerade wahrscheinlich genauso rot ist wie ich und planlos drein guckt.

„Nein, nein, nein", flüstere ich so leise ich kann vor mich hin. Geduckt hinter der Tür.
Was macht ER denn hier?
Und was ist gerade da passiert?

Während ich realisiere das Jasper mich garde halb nackt gesehen hat, höre ich Linn nervös lachen, die nach wie vor mitten im Zimmer steht.
„Ich.. ich äh..", sie bricht ab.
Das macht die Situation nicht gerade besser, denke ich frustriert und der kurze Hoffnungsschimmer der in mir aufflammt erlischt durch einen kleinen Luftzug.

Ich stelle mir vor was Jasper wohl denkt, weil er ein fremdes Mädchen seiner Schule nur mit einer Unterhose und Shirt bekleidet vor sich stehen hatte.
Er fragt sich bestimmt, was mit mir wohl schief läuft, weil eben diese sich hinter der Tür versteckt und keinen Mucks von sich gibt.

„Guck mal nach ihr, Linn. Hach, tut mir leid Jasper, in dem Alter war ich auch noch so schüchtern und prüde", höre ich meine Mum mit glockenheller Stimme lügen.

Empört mache ich meinen Mund auf und ich spüre das mein Gesicht nun endgültig so rot wird wie eine Tomate.

Das hat sie gerade nicht gesagt, rede ich mir ein und presse meine Lippen zusammen.
Ich stelle mir abermals Jasper's Gesicht vor, und versuche das Bild zu vergessen.

Danach lacht sie hell und die Situation scheint sich wieder zu normalisieren.
Ich höre Jasper antworten, doch seine Stimme klingt nur noch leise und unverständlich, als Linn die Türe hinter uns zuknallt und mich mit roten Bäckchen und großen Augen anstarrt.

Danach laufen wir beide gleichzeitig in mein Zimmer und während wir die Treppe hoch laufen höre ich sie immer wieder flüstern.
„Scheiße, das ist gerade alles nicht passiert."

Schwestern teilen wohl doch ihr Leid.



Linn schmeißt ihren Kopf in meine Richtung, nachdem meine Zimmertüre mit einem knallen in das Schloss fällt.
Ich sehe ihre roten glänzenden Haare umher wehen und kurz darauf ihr Gesicht, das mich anblickt. Sie fasst sich an die Stirn, als ob sie Fieber hätte und durchquert mein Zimmer mit großen Schritten.
Ich dagegen lasse mich mit voller Länge ins Bett fallen, das mich weich einfängt.

Und dann passiert genau das, was ich mir dachte und worauf ich nur gewartet habe.

Erst höre ich ein unterdrücktes Lachen und kurz darauf bricht sie aus und fällt ins schallende Gelächter.
Ich beobachte sie, wie sie ihren Bauch krümmt vor lachen und sich kurz darauf eine Träne vom Augenwinkel wischt.
Sie klatscht sich mit der Hand auf ihren Oberschenkel.
Und dann kann ich es nicht mehr halten und falle mit ein.
Ich lache so sehr und so lange, dass mein Bauch weh tut.

Und ich frage mich, ob ich nicht lieber heulen sollte vor Scham.

Wolfsmond - Geheimnis der Legende Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt