Kapitel 19♚

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Am nächsten Morgen halte ich den Rubin gegen das Tageslicht. Ich betrachte ihn ein paar Sekunden schweigend, kann mich jedoch kaum auf ihn konzentrieren, weil meine Körpertemperatur über Nacht mein Zimmer sehr abgekühlt hat.
Ich seufze und lasse mich in mein Bett zurück fallen. Den Rubin lege ich aus meiner Hand.
Heute wird die Sonne leider erst später heraus kommen und mich wärmen.
Ich schweige einen Moment und halte es dann doch nicht mehr aus, als der Gedanke sich fest in meinen Kopf verankert hat.

Es ist schließlich nur ein harmloser Wunsch. Für einen guten Zweck.

„Ich wünsche mir, dass die Sonne jetzt scheint", sage ich nach kurzem überlegen in mein leeres Zimmer hinein.

Und kurz darauf fallen warme Sonnenstrahlen auf meine Haut. Wohlig lächle ich auf. Der Rubin scheint für solche Wüsche perfekt zu sein. Während ich die Wärme genieße, denke ich über den heutigen Tag nach.

Da unsere Eltern nach wie vor Aron und seine Familie aushorchen, war es nicht sonderlich überraschend, dass am Wochenende wieder ein Treffen stattfinden würde.

Doch das dieser ausgerechnet heute bei uns stattfindet, ist natürlich nicht so gut.

Das jedoch hält uns in keinster Weise auf.
Denn ich weiß, dass die komplette Familie mindestens zwei Stunden nicht im Haus sein wird, was es meiner Schwester und mir wiederum leichter macht, unbemerkt in ihr Haus einzusteigen. Unser Plan hat sich ziemlich schnell gebildet.

Obwohl es ein Verbrechen ist, müssen wir nun in anderen Dimensionen denken.
Schließlich geht es um etwas Magisches.

Ich lasse meinen Kopf nach rechts fallen und betrachte den Rubin auf meiner Kommode.
Ein Lächeln umspielt meine Lippen.

„Mit dir zusammen wird das ein Kinderspiel werden."

Ich stehe auf und ziehe mir meinen Kuschelpulover an, den ich immer anhabe, wenn ich meine Erdbeerwoche habe. Als ich die Treppe nach unten gehe, atme ich tief durch und rieche dabei gleich den himmlischen Duft aus der Küche.
Als ich sie betrete, versuche ich ein zerknirschtes Gesicht aufzusetzen.

Doch als ich Linn erblicke, fällt es mir fast aus dem Gesicht.
Ihre Augen funkeln mich warnend an und ich presse meine Lippen aufeinander, um ein Lachen zu verhindern.

Ich blicke an ihr vorbei, direkt auf Mum's Rücken, die zur Kochinsel gewandt steht.
Ich sammle mich kurz, ehe ich mich räuspere. Sogleich dreht sie sich um.
Ihre Augen huschen meinem Aufzug entlang.

„Kaddee! Der Besuch kommt in weniger als einer halben Stunde. Du bist ja noch garnicht umgezogen. Ich hab dir extra eins meiner schönsten Kleider rausgelegt", redet sie darauf los und wedelt dabei mit ihrem Pfannenwender durch die Gegend.
Als ein wenig von der Soße auf den Boden klatscht, springt Linn erschrocken zur Seite.
Ich presse meine Lippen fest aufeinander, um das Heben meiner Mundwinkel zu verhindern.

Ohne das ich es will, huscht mein Blick kurz zu Linn ihrem Kleid. Es ist in einem angenehm zarten Pinkton und wäre auch ganz schön, wenn da nicht wieder diese ekelhaften Puffärmel wären, worüber ich andauernd lachen muss.

„Mir geht es nicht so gut. Ich würde gerne oben im Zimmer bleiben und mich ausruhen", bringe ich hervor. Genauso wie ich Mum kenne, erscheint sofort eine Sorgenfalte in ihrem Gesicht. „ Natürlich Schatz. Nimm dir die Zeit, die du brauchst!"

„Ja, ich werde mich gleich ins Bett legen.. und würde mich freuen, wenn ich meine Ruhe haben könnte", meine ich betont langsam in Mum's Richtung gewandt. Ich hoffe, sie versteht den Wink mit dem Zaunpfahl.
Sonst könnte ich ein Problem bekommen.
Mit klopfenden Herzen drehe ich mich um und gehe wieder in mein Zimmer, als Mum Verständnisvoll nickt. Ein schlechtes Gewissen zieht an mir und ich versuche dieses Gefühl runter zu ringen.
Gerade noch so erhasche ich im Augenwinkel Linn ihr Gesicht. Sie zwinkert mir zu.

Auch wenn das total dämlich in diesem Kleid aussieht.



Nach bereits zwanzig Minuten ist es soweit.
Auch wenn ich die Klingel höre und das plötzliche Stimmengewirr wahrnehme, bekomme ich trotzdem eine Nachricht von meiner Schwester:
Leg los, himmlische Kaddee'

Noch während ich versuche, durch das Haus Richtung Ausgang zu schleichen, ärgere ich mich über Linn ihre blöde Nachricht. Sie nennt mich mit Absicht so.

So leise es geht öffne ich die Haustüre und ignoriere die vielen fremde Jacken und Schuhe in unserer Garderobe. Genauso den Gedanken, das Jasper an unserem Esstisch sitzt und bestimmt bezaubernd heiß aussieht.
Ich schüttle über mich selber genervt den Kopf und ziehe mir die Kapuze meiner schwarzen Weste über ihn.

So mache ich mich mit schnellen Schritten auf den Weg und komme einige lange Minuten später an mein Ziel an. Zu Fuß durch die Straßen zu laufen ist keine schöne Sache, doch etwas, dass ich in Kauf nehmen musste.
Ich empfange wie abgemacht, alle zehn Minuten eine SMS von Linn, dass sie alle noch am Esstisch sind.
Heute Abend wird sie keine andere Aufgabe mehr haben.

Erleichtert über diese Tatsache ziehe ich meine Handschuhe an, bevor ich vor der Türe zum stehen komme. Ihr Garten, der sich nun hinter meinen Rücken erstreckt, kommt mir in dem Dämmerlicht unheimlich vor.
Vor allem die Hecke, über die Linn das letzte Mal so lachen musste. Ich blicke auf meine Handschuhe hinab und fühle mich damit wie eine Richtige Einbrecherin.

Ich seufze tief, um meinen Herzschlag zu beruhigen und ziehe den Rubin aus meinem Ausschnitt heraus.
Noch bevor ich weitermache, fällt mir eine Sache ein, die ich vorerst noch dringend loswerden muss. Schließlich weiß man ja nie, wenn man die Höhle des Löwen betritt.

Mit einem fiesen Grinsen im Gesicht, tippe ich in mein Handy ein:
‚Du siehst übrigens total aus wie eine Melone ohne Kerne. Wollte ich nur mal gesagt haben.'
Die Nachricht schicke ich bereitwillig an Linn.

Ich stecke mein Handy wieder in meine Hosentasche und umschließe nun mit beiden Händen den Rubin. Sogleich spüre ich etwas darin pulsieren und meine Kälte wird Augenblicklich durch die angenehme Wärme des Rubin's ersetzt.
Ich blicke die verschlossene Haustüre an.

„Ich wünsche mir, dass die Haustüre direkt vor mir aufgeschlossen wird", sage ich.
Ich ertappe mich dabei, wie ich flüstere, obwohl ich weit und breit die einzige hier bin.
Reiß dich zusammen, ermahne ich mich selber in Gedanken.

Ein paar wenige Sekunden später ertönt ein leises klicken. Zufrieden drücke ich die Türklinke hinunter und treffe auf keinen Widerstand.

Als ich die Türe aufstoße, gibt sie kein einziges Geräusch von sich.







Hi!
Ich hoffe es gefällt euch bis jetzt.
Nachschub ist schon in Bearbeitung🤍

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