Kapitel 48♚

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„Unmöglich", höre ich Aron fassungslos unter dem großen Körper von ihm keuchen.
Und im gleichen Moment wird es mir auch klar; Jasper hat den Bann des Rubins gebrochen und somit nicht nur ihn selber, sondern auch mich befreit.

Mir bleibt weder die Möglichkeit erleichtert aufzuatmen, noch über diese Tatsache nachzudenken.
Denn Jasper seine tiefe Stimme erfüllt meine Ohren. Und sie klingt alles andere als leise.
„Hol ihn dir!"

Erschrocken keuche ich auf, als ich kurz drauf beobachten kann, wie die geballte Faust von Aron in seinem Gesicht landet.
Jasper sein Kopf fliegt zur Seite.
Blut rinnt aus seiner Nase und ich verziehe mein Gesicht schmerzverzerrt bei dem Gedanken, wie fest der Schlag in seinem Gesicht gelandet ist.
Etwas in mir will sofort zu ihm und Aron von seinem Körper stoßen.
Kälter schießt in meine Fingerspitzen, bereit dazu, sie einzusetzen wenn nötig.
Hol dir den Rubin!, schreit alles in mir kläglich.
Doch meine Augen sind nur auf ihn fixiert.

Sein Name will mir über die Lippen huschen doch ich stocke als Aron sich von Jasper abrollt und sich mit ausgestreckten Armen auf den Rubin zuwirft, der am Boden liegt.
Ich erwache aus meiner Starre.
Jasper spuckt Blut aus, rappelt sich jedoch sofort wieder auf und versucht ihm am Knöchel zu packen.

Zeitgleich hechte ich ebenfalls auf den Rubin zu.
Doch Aron ist schneller.

Er greift ihn und stolpert durch Jasper seinen Griff im gleichen Moment zu Boden.
Ein dumpfer Schlag ertönt, als sein schwerer Körper aufkommt.
Als die Hitze des Steines seine Hand abermals versengt, versuche ich den Rubin verzweifelt aus seiner Hand zu reißen.
Doch er hält ihn eisern fest und brüllt schon den nächsten Wunsch in die Stille des Flures hinein.
„Ich wünsche mir, das Kaddee nur noch die Wahrheit auf meine gestellten Fragen sagen kann!"

Geschockt stolpere ich zurück als hätte er mir eine Ohrfeige verpasst.
Jasper bekommt einen kräftigen Fußtritt von seinem Vater und landet mit dem Rücken voran zu Boden. Seine geweiteten Augen blicken erst in seine Richtung, bevor sie zu mir wandern.
Er will sich auf Aron stürzen, doch dafür ist es zu spät.
„Ich wünsche mir, das mein Sohn Jasper sich nicht bewegen kann!"
Geschockt kleben Jasper's Augen nun auf mir, nachdem er erstarrt ist und sich nicht mehr bewegen kann.
Wann ist eigentlich alles so abgrundtief schief gelaufen?, fragt sich die stille Stimme in meinem Kopf.

„Kaddee, Lauf!", brüllt er mich mit dem stummen Befehl in den Augen an.
„Sofort!"
Sein Blick zeigt keinerlei Widerstand.

Ich zucke zusammen und wende mich schleunigst ab.
Das lasse ich mir diesmal nicht zweimal sagen, auch wenn alles in mir protestiert ihn alleine zu lassen. Doch der klar denkende Teil in meinem Gehirn übernimmt die Oberhand.
Adrenalin pumpt durch meine Adern als ich mich vollends abwende um so schnell es geht Abstand von Aron zu bekommen.
Doch bevor ich auch nur einen Schritt laufen kann, packt er mich vom Boden aus am Knöchel und zieht an.
In rasender Geschwindigkeit und mit einem harten Aufprall komme ich am Boden an und mein ganzer Körper ist einen Moment nur noch erschüttert vor Schmerz.
Erschrocken keuche ich auf und presse meine Lippen verzweifelt zusammen, um nicht aufzuschreien.

„Jasper!", rufe ich panisch seinen Namen, ohne zu wissen warum.
Gerade noch so treffen sich unsere verzweifelten Blicke und dann prescht Aron seine Stimme auch schon los.

„Zum Verständnis erstmal. Existieren sie tatsächlich? Die Mondwölfe?"
Er hat sich aufgerafft und ist ein paar Schritte nach hinten getreten.
Den Rubin triumphierend in die Höhe gehalten.
Die schneidende Hitze des Steines scheint er garnicht mehr wahrzunehmen, obwohl ich sogar von dieser Entfernung aus nur noch Blut und lose Hautfetzen erkennen kann.
Ich rolle mich auf den Rücken und robbe reglexartig nach hinten. So schnell, wie es mir das Kleid und die hohen Schuhe erlauben.
Völlig gefangen in den Klauen der Magie.
Jasper zuckt wütend gegen den Zauber an.
Vergeblich. Ich höre seine Stimme fluchen.

Panisch versuche ich meine Lippen zusammenzupressen.
Doch die Antwort kommt trotzdem raus.
Wie die leichteste Sache der Welt spreche ich es einfach aus.
„Ja."

Einen Moment ist es einfach nur totenstill. Selbst Jasper hört kurz auf sich gegen den Zauber zu wehren. 
Tränen sammeln sich in meine Augen, als ich begreife, dass die Magie des Rubins viel stärker ist als ich.
Egal, wie sehr ich es versuche.
Etwas tief in mir wird schwer vor Sorge und roher Verzweiflung.

„Was weißt du alles über sie?", redet er unbeirrt weiter und betrachtet mich aus seine irre glitzernden Augen aus.
Dabei sind diese Geheimnisse alles andere als diese leicht gesagten Worte.
So viel mehr, als diese paar wenige Sekunden sie auszusprechen..

Verzweifelt kommt ein wimmern über meine Lippen und die nächste Antwort will über sie huschen.
Ich öffne sie und bevor sie mir entrinnen können zerschlage ich sie.
„Alles", hauche ich das möglichst nahe an der Antwort, ohne alles zu verraten.

Ich rapple mich auf, obwohl meine Knie zittern wie Espenlaub.
Jasper seine Finger heben sich leicht und ich versuche mich auf ihn zu konzentrieren. Egal, ob er mir gerade helfen kann oder nicht.
Doch ich bin nicht alleine.
Er ist hier.
„Was-", ertönt abermals Aron's Stimme.

„Ich hab ein besseres Geheimnis für dich", schreie ich verzweifelt dazwischen, bevor er noch eine Frage über meine Eltern und über Mondwölfe stellen kann.
Alles würde ich tun, um das zu verhindern.
„Kaddee, bitte nicht", ertönt es leise stöhnend von Jasper, der immer noch versucht, sich zu bewegen.

„Sag es mir!", fordert Aron gierig und tritt einen großen Schritt näher.
Bevor meine Lippen Worte bilden können sammle ich die Kälte wie ein Schild vor mir.
Es ist leichter als gedacht.
Sofort macht sie das was ich will. Es fühlt sich fast an wie dieses leichte und doch zerreißende Spiel, das wir hier spielen und genau in diesem Moment wird mir klar, das ich mächtig bin.

Nicht nur die Kälte in mir, sondern auch ich.
Dann überlege ich keine einzige Sekunde mehr.
Mit einem wütenden Schrei nehme ich Schwung und schleudere den Kältewall in seine Richtung.

Als ihn die unsichtbare Wand trifft, wirft es seinen Körper mehrerer Meter nach hinten. Über Jasper hinweg.
Mit einem erschrocken aufkeuchen, das von Jasper sowie von Aron kommt beobachte ich, wie sein Körper auf dem Boden aufkommt.
Mindestens zehn Meter weiter.

Diesmal fühlt es sich nicht mehr so an, als würde ich ein Teil der schweren Last loswerden, denn die Kälte wächst sofort wieder nach und wird größer. Meine Fingerspitzen werden blau und ich begrüße den beißenden Schmerz.

Aron stöhnt schmerzvoll auf und rollt sich schwer auf den Rücken. Ich jedoch sehe nur den Rubin, der auf halben Weg zu Boden gefallen ist.
Darauf laufe ich sofort zu und schnappe ihn mir.
Leicht liegt er in meiner Hand und schmiegt sich weich in meine Kälte, auch wenn alles in mir schreit, dieses Unheil von mir zu stoßen.

Da Aron ihn nun nicht mehr in seiner Kontrolle hat, sind seine Wünsche erloschen und Jasper rappelt sich in Sekundenschnelle vom Boden auf. Kaum habe ich den Stein in der Hand und schon ist er bei mir und packt mich am Handgelenk.
Dann läuft er mit mir in halsbrecherischer Geschwindigkeit in die entgegengesetzte Richtung los.

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