Kapitel 10♚

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,,Das kannst du nicht ernst meinen, Mum."

Genervt blicke ich an mir herunter und kann es kaum fassen, das ich mich da wirklich rein gezwungen habe. Ich hätte gleich nein sagen sollen. Ich wende meinen Blick zu Mum, die über ihr ganzes Gesicht strahlt. Würde mich auch wundern, wenn es anders wäre, schließlich ist es ja auch ihr Kleid.

Ihr Haar ist kunstvoll nach oben gesteckt und ihr Kleid erinnert mich eher an ein Abendkleid, die die Leute immer in diesen ultra teueren Galas tragen.

,,Kaddee du siehst bezaubernd aus! Es passt wie angegossen", erfreut klatscht sie in ihre Hände.

Ich verdrehe meine Augen und wende meinen Blick dem Spiegel vor mir zu. Das dunkelrote Kleid schmiegt sich wie eine zweite Haut an mich und ich frage mich, wann ich je so etwas teueres wie dieses Kleid getragen habe. Es endet über meinen Knien und kurz bin ich versucht mich zu bücken um zu sehen, ob das Kleid auch alles bedeckt, was es bedecken sollte.
Nur für den Fall.

Doch dann kommt Dad ins Zimmer und ich staune nicht schlecht anhand des schicken Anzugs.
Lächelnd zupft Mum an seiner Krawatte, was mir ein Lächeln entlockt.

,,Oh Gott, ich kenne keinen Jäger dessen Familie steinreich ist. Da muss irgend ein Fehler unterlaufen sein.. und nicht nur da", höre ich Linn hinter der Türe. Kurze Zeit später erscheint sie am Türrahmen und prompt muss ich anfangen zu lachen.

,,Wie siehst du den aus?", bringe ich mühsam lachend hervor, dass ich nach einem strengen Blick von Mum versuche zu unterdrücken. Beinahe gelingt es mir nicht.
Linn schenkt mir einen Todesblick, den ich jedoch kaum ernst nehmen kann in diesem rosa Traum aus Rüschen. Das Kleid reicht ihr bis knapp unter den Knien und beinahe bin ich dann doch froh über meins.

Schließlich sehe ich nicht aus wie frisch vom Kloster.

,,So meine Mädels", Mum legt einen Arm auf meiner Schulter und den anderen auf den von Linn, ,,ich möchte, dass ihr euch benehmt. Bitte, nur diesen einen Abend."

Sie bedenkt uns beide mit einem vielsagenden Blick.

Schade, dann doch kein knutschen im Flur mit Jasper, denke ich seufzend.

Ich blicke zu Linn hinüber und entdecke ihr scheinheiliges Lächeln, während sie nickt.

Dieser Abend kann ja was werden.





Ich staune nicht schlecht, als Dad unser Auto in einem Vorhof manövriert, dessen Haus so groß ist wie eine Villa.
Ich wusste ja das Jasper etwas besonderes ist, doch das er auch noch reich ist, habe ich mir nicht gedacht.
Naja, er sieht zumindest nicht so aus als würde er im Geld schwimmen können.

Ich beobachte das Schimmern unter meiner zur Faust geballten Hand. Nervös blicke ich zu Linn, die mit mir im Rücksitz platz genommen hat.

Sie zwinkert mir zu.

Ich schüttle leicht den Kopf und wende meinen Blick wieder ab.
Sie hatte mir vor der Fahrt blaue Kontaktlinsen gegeben und kurz meine Hand gedrückt. Danach hat sie mir zugeflüstert, dass wir morgen mit dem Unterricht beginnen.
Was auch immer das heißen soll, mir gefällt es auf jeden Fall nicht.
Aber gerade habe ich ganz andere Probleme.

Besonders mit meinem Herzen.

Als wir zur Haustüre gehen, laufen wir an Hecken vorbei, die so zugeschnitten sind, dass sie wie Tiere aussehen.
Linn ihre Wangen werden ganz rot vor unterdrücktem lachen, als sie an einem Pelikan vorbei geht.
Unser Vater schüttelt schmunzelnd den Kopf.

Dad klingelt und eine Melodie erklingt im inneren des Hauses. Nervös reibe ich meine Hände an meinem Kleid ab. Mein ganzer Körper fühlt sich kalt an, trotz der spätabendlichen Frühlingswärme.

Ein Junge öffnet uns die Türe mit einem strahlenden Lächeln. Er müsste ungefähr ein bis zwei Jahre älter als ich sein und doch habe ich ihn noch nie gesehen.
Wahrscheinlich geht er auf eine andere Schule oder studiert schon.
Würde mich zumindest nicht wundern, so wie der aussieht.

Mein Blick gleitet an seinem perfektem Haar nach unten zu seinem hellblauen Hemd und seiner hellen Hose.

Insgesamt sieht er gleichermaßen brav wie rebellisch aus.
Das muss an seinen Wangenknochen liegen, denke ich mit schief gelegten Kopf.

,,Hallo, ich heiße Light. Freut mich euch kennenzulernen."

,,Ja, jede Wette", murmle ich.

,,Du hast da Soße am Mundwinkel", sagt Linn.

Mum seufzt neben mir und Light guckt ein bisschen verdutzt.

Ich komme nicht umhin festzustellen, wie ähnlich er Jasper sieht, wenn man sich die normalen glatten Haare und vielleicht die Augen wegdenkt. Er hat die gleichen Schultern, ist jedoch auch etwas kleiner als Jasper. Was aber nichts an seiner Schönheit wegnimmt.
Das muss wohl an der Familie liegen.

Mum geht mit leicht energischen Schritten Light entgegen und gibt ihn ganz nach höflicher Mutter die Hand.
Dann läuft sie ins Haus als würde sie sich schon prächtig auskennen. Dad folgt ihr.
Und uns blieb nichts anderes übrig, als ihr auch zu folgen.

Als Linn an Light vorbei geht, nickt sie ihn grüßend zu.
Mehr kann man von ihr wohl nicht verlangen angesichts der Umstände.

Danach erwische ich ihn, wie er sich mit dem Handrücken schnell über den Mundwinkel wischt.
Ich kann mir kein Lächeln verkneifen, schließlich war da ja auch kein Soßenfleck wie Linn behauptet hat.

Lights Blick fällt kurz danach auf mich und sein Strahlen wird kaum merklich heller.

,,Zu guter Schluss noch die Schönheit des Tages."

Er hält mir seinen Ellenbogen hin und grinst spitzbübisch.
Ich hacke mich wiederwillig ein.
Hoffentlich spürt er die Kälte nicht allzu sehr.

Verlegen lächle ich ihn an und bringe dann doch ein ,Danke' zustande.

Eigentlich liegt mir ein ,ist nicht mein Kleid' auf der Zunge, doch ich muss ja heute freundlich sein und da Linn es anscheinend nicht gelingt, werde ich es zumindest versuchen.

Falls ich vor Jasper überhaupt ein Wort rausbekomme.

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