Kapitel 33♚

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Es ist Todstill.

Mein Atem stockt und blicke an Aron's Gestalt vorbei zu dem dunklen Mahagoni Boden. Meine Augen wandern schließlich hinweg zu der edel tapezierten Wand.
Weiter nach oben erlaubt es unser Versteck nicht zu blicken.

Alleine schon der Boden muss unfassbar teuer gewesen sein, stelle ich in Gedanken fest. Etwas anderes wage ich nicht zu denken.
Etwas anderes erlaube ich mir nicht.

„Nein", höre ich Aron hauchen. Seine Stimme fassungslos und niederschmetternd wütend.
Wenn ich mich konzentrieren würde, könnte ich sicherlich erahnen, wie seine Augen hektisch in der leeren Schublade umherwandern.
Doch ich blicke nur weiter die Wand an.

Er stampft. Dann nochmal. Wie ein wütendes Kind, dass nicht das bekommt, was es will.

Der Boden unter mir bebt, als würde die Kraft seiner Gefühle durch das Haus wandern. Durch den Untergrund, auf dem wir kauern.
Meine Lippen pressen sich automatisch zusammen und ich versuche, so leise es geht zu atmen. Bloß nicht damit aufhören.

Etwas in mir weigert sich vorzustellen, wie Linn in der engen Nische zweier Bücherregale kauert und nur durch den richtigen Schatten und Winkeln von Aron verborgen bleibt.
Genauso wie Light, dessen Versteck nicht besser geschützt sein wird- vielleicht sogar viel schlechter.

Jasper sein Körper ist viel zu groß für die kleine Nische unter dem Schreibtisch und egal wie klein ich mich mache, so ist er kaum genug vor seinem Vater verborgen.
Es muss sich nur um weniger Sekunden handeln, bis er genauer hinblickt und uns entdeckt.
Der Grad ist hauchdünn.
Das Buch in Jaspers Armen und der Rubin um meinem Hals- all das fühlt sich jetzt falsch an.
An falscher Ort und Stelle.
Und es ist dennoch so richtig.

Doch das Glück ist mit uns, denn ohne noch einen Ton von sich zu geben geht er mit starken Schritten hinaus.
Dann donnert die Türe zu mit einem so lauten Schlag zu, das ich das Gefühl habe, dass die Regale beben.
Erleichtert atme ich aus, als es ein paar Sekunden still bleibt.
Er ist weg.

„Heilige Scheiße", höre ich Light von irgendwoher flüstern.
Ein schlürfen- als sich Linn aus ihrer Nische hinauszwängt. Am liebsten würde ich noch länger hier unten kauern, nur um sicher zu gehen, dass er nicht wiederkommt.

Doch auch Jasper setzt sich nun in Bewegung und steht mit einem ächzen auf.
„Wie konnten wir uns da nur reinquetschen?", erklingt seine belustigende Stimme.
Kaum ist er auf dein Beinen und schon streckt er mir seine Hand entgegen, um mir rauszuhelfen.

Nachdem ich kontrolliert habe, das meine Kälte nicht in meinen Fingern zu spüren ist, greife ich nach seiner Hand.
Meine ist so zierlich, das er sie komplett umschließt.
Mit einem ziehen hilft er mir auf und ich lasse seine Hand sofort los, als ich stehe.
Er scheint es nicht zu bemerken, denn er blickt nicht einmal in meine Richtung.
Mit einem schmerzerfülltem schnauben strecke ich meine Knie durch und betrachte die enge Nische.
Dann schaue ich ihn abermals an.
Da drinnen waren wir zusammen.
Körper an Körper.

Jasper lässt die Schultern kreisen, als hätte er sie einziehen müssen.
Meine Augen bleiben an Linn hängen, die sich unsichtbaren Staub von den Kleidern wischt.
Light schüttelt den Kopf, als er das sieht.

Jasper lässt das Buch auf den Schreibtisch fallen.
„Dieses Ding hört ja garnicht mehr auf zu reden", sagt er und schüttelt den Kopf.
Seine tiefdunklen Haare scheinen auf seinen Kopf zu tanzen. Ein Spiel, dass meine Augen wie gebannt verfolgen.

„Ich hoffe mal, das ich mich verhört habe", vernehme ich Light seine Stimme fast schon empört.
Als ich ihn angucke, erblicke ich sogleich seine erhobene Hand und eine abwehrende Haltung.
Linn ihr Gesicht sieht verkniffen aus und ich weiß sofort, dass es beide ganz genau verstanden haben.
Ja, das Buch redet.
Sie wollen es nur nicht hören.

Wolfsmond - Geheimnis der Legende Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt