Kapitel 18♚

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Ich bewege meine Arme. Dann meine Beine.
Sie fühlen sich schwer an, beinahe ist es so, als würde etwas an ihnen hängen.
Ich lasse meine Augen geschlossen und lege den Kopf in den Nacken.
Die frische Luft tut mir gut, denke ich. Und die Sonne.
Sie muss mir gut tun. Es scheint mir, als ob sich meine Kälte jeden Tag ein bisschen mehr ausbreitet. Mein inneres erbebt unter ihr.

Ich fühle mich fast darin gefangen und gleichzeitig fühle ich den Rubin an meinem Hals. Er ist so warm.
Ich wage kaum daran zu denken, doch könnte ich mir die Kälte wegwünschen?
Würde mir dann nicht etwas fehlen?

„Ist dir nicht gut?", ertönt eine dunkle Stimme direkt vor mir.
Ich öffne meine Augen und erblicke Jasper. Seit wann steht er schon hier?
Als Antwort seufze ich auf.
Kaum öffne ich die Augen und schon bin ich wieder in der Wirklichkeit. In einer mit lauten Kinderstimmen und schwerer Luft.
Ich muss mich nicht im Pausenhof umsehen, um zu wissen, wie viele Schüler durch die Gegend laufen. Ich wäre doch besser in der Mensa geblieben.

„Geh' bitte aus der Sonne", sage ich tonlos einen Moment später. Meine Beine sind zu schwach, um aufzustehen. Die Sonne hatte mich bis eben wenigstens etwas wärmen können.
Eine träge Traurigkeit legt sich um mich, wie ein Todbringender Schleier.
Mein ganzes Leben lang, bin ich nur auf der Suche nach Wärme. Warum kann ich sie nicht immer haben, wie jeder andere Mensch auch?

Jasper zieht seine Stirn kraus. Er tritt einen Schritt zur Seite und sofort spüre ich die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut.
Ohne das ich es will, seufze ich wohlig auf.

„Dir ist wieder Kalt, habe ich recht?"
Ich schaue ihn an und begegne seinen eigenartigen Gesichtsausdruck. An was er wohl gerade denkt?

Bestimmt fragt er sich, aus was für einem Loch ich gekrochen bin.

„Was willst du von mir? Den blöden Rubin bekommt ihr nicht wieder", platzt es etwas trotzig aus mir heraus. Ich schließe schnell den Mund, um nicht mehr Dummheiten zu sagen.

„Oh, du weißt also schon mehr darüber? Weißt du.. was er kann?"
Wie sehr ich mich nur mit einem Wort verraten kann. Warum habe ich nicht einfach wieder Stein gesagt als ‚Rubin'?
Die Träge breitet sich aus und ich habe das Gefühl, nicht viel denken zu können. Vielleicht kommt deswegen nur wirres Zeug von mir.
Ich lege abermals meinen plötzlich so schweren Kopf in den Nacken.

„Überrascht dich das?"
Die andere Frage ignoriere ich gefließlich.
Ich wundere mich kurz, wie leicht es ist eine Konversation zu betreiben. In den Filmen sieht das manchmal ein wenig schwerer aus.
Zumindest habe ich es mir bei Jasper immer so vorgestellt. Schließlich ist er unfassbar schön.
Genervt versuche ich meine Gedanken um ihn zu vertreiben.
Er kommt nur zu mir, weil er etwas braucht.
Wegen nichts anderem.

Jasper überlegt einen Moment und im nächsten setzt er sich neben mich auf die Bank.
Ich rutsche ein wenig weg, da ich nicht will, dass er sich wegen meiner fehlenden Körperwärme wundert. Oder gar die Kälte spürt.

Aus dem Augenwinkel erhasche ich seinen Gesichtsausdruck nur kurz. Seine Augenbrauen sind zusammengezogen.
„Nein das überrascht mich nicht wirklich. Du weißt es bestimmt schon längst, sonst würdest du den Rubin nicht die ganze Zeit behalten wollen."

Seine Worte versetzen mir einen Stich und ich drehe meinen Kopf zu ihm, um ihn wütend anfunkeln zu können. Diese plötzliche Emotion von mir drängt meine Kälte wieder nach innen und es scheint mir so, als wäre mein Körper wieder aufgewacht.

„Was soll das denn heißen? Es sagt eher wohl einiges über dich und deinen Bruder aus, weil ihr diesen blöden Rubin so unbedingt haben wollt! Ich beschütze ihn nur und benutze ihn nicht. Damit das klar ist", sage ich nun etwas aufgebrachter.
Wie unverschämt er ist!

Wolfsmond - Geheimnis der Legende Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt