°1-Wahrheit

124 6 0
                                    

Mit ihren kühlen Fingern strich sie die verschwitzte Strähne aus dem Gesicht ihrer Mutter. Sie hatte die Augen heute noch nicht aufgemacht und sie sorgte sich. Ihre Mutter war schon immer etwas kränklich gewesen, konnte nichts mit höherer Belastung machen, aber sie war eine liebe Mutter und las ihnen die Wünsche von den Augen ab.

Aber seit gestern Abend war es schlimm. Mit Fieberschüben hatte ihr Vater sie ins Bett gebracht und Wadenwickel besorgt. Nach ihrer Nachfrage, nach fiebersenkenden Mitteln, hatte ihr Vater nur traurig den Kopf geschüttelt und die Tür geschlossen.

Doch jetzt war er im Ministerium und es lag wieder einmal an der Ältesten der drei Kinder, sich um die Mutter zu kümmern. In wenigen Tagen aber, würde es für die drei Kinder wieder nach Beauxbaton gehen und eine vertraute Angestellte würde sich wieder um ihre Mutter kümmern müssen.

Seufzend wechselte das Mädchen die Wadenwickel und schlug die Bettdecke neu auf. Es klopfte an der Tür und ein zwei Jahre jüngeres Mädchen schlüpfte herein. In ihrer Hand einen großen Strauß rosa Rosen, denn sie in die Vase auf dem Nachttisch stellte.

"Wie geht es ihr?", fragte sie dann. Ihre Stimme war traurig und etwas rau, als müsste sie sich davon abhalten, gleich zu weinen. "Nicht so gut, Isobel, nicht so gut. Aber das wird wieder. Mutter hat immer ihre Hochs und Tiefs"

Isobel nickte und zog ein kleines Büchlein hervor. "Ich habe vor ein paar Jahren angefangen zu notieren, wann sie ihre besseren Tage hat und wann nicht. Dabei ist mir etwas aufgefallen, was mich stutzen lässt"

Das Mädchen reichte ihrer Schwester das Büchlein und tippte mit dem Ende ihrer Feder auf ein bestimmtes Datum. Das heutige Datum.

"Rot bedeutet ganz schlimm und jetzt sieh dir dieses Datum die Jahre davor an", meinte Isobel und ihre Schwester tat, wie ihr befohlen. Sie blätterte ein bisschen nach vorne und stutze. Dasselbe rot, am selben Datum, nur ein Jahr zuvor. Und noch einmal. Und noch einmal.

"Wie? Jedes Datum hat immer dieselbe Farbe, mit ein paar Abweichungen. Es scheint, als ob es ihr im Winter am besten gehen würde und umso näher es dem Datum von heute kommt schlechter und danach wird es wieder besser", murmelte sie und Isobel nickte.

"Das habe ich mir auch gedacht. Valerie, du musst mit Vater darüber sprechen! Irgendwas ist hier im Busch, ich spüre es!" Valerie nickte, schlug das Buch zu und steckte es ein. Dann schob sie ihre Schwester aus dem Zimmer und lief mit ihr ins Wohnzimmer.

"Haben du und Nathan schon die neuen Schulsachen besorgt?", fragte Valerie und ließ sich ein Glas Wasser bringen, während sie sich setzte und die Briefe von Beauxbaton hervorzog. Isobel schüttelte den Kopf und setzte sich neben sie.

"Ich möchte Mutter ungern heute allein lassen, vor allem nach deinen Aufzeichnungen, aber morgen können wir in die Place Cachée. Am besten schreibst du mit Nathan alles zusammen, was ihr wieder aufstocken müsst"

Valeries Schwester nahm eine Pergamentrolle und eine Feder entgegen und verließ den Raum. Seufzend zog die älteste Delacour das Büchlein hervor und begann es noch einmal genau zu betrachten.

An jedem Tag, dieselben Symptome. Wie eine Routine. Was war das für eine Krankheit? Mit dem Buch in der Hand lief sie in die delacoureigene Bibliothek und direkt zur Abteilung von Krankheiten und deren Heilung.

Sie war sich nicht sicher, ob sie wirklich etwas finden würde, denn sonst hätte ihr Vater ihre Mutter ja schließlich schon geheilt. Das würde er doch, oder? Er würde ihrer Mutter so etwas nie antun. Allein sein Blick, wenn er sie ansah, pure Liebe. Nein. Valerie schämte sich für den Gedanken, den sie hatte, dass ihr Vater ihrer Mutter dies antat.

Ihr Vater war ein guter Mann, genauso wie ihre Mutter. Niemals würden sie sich gegenseitig dies antun. Die Delacours verletzten sich nicht gegenseitig, sie beschützten sich.

Pure BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt