Kapitel 10

242 18 22
                                    

               Villain

Arabella und ich waren bereits seit zwei Tagen im Norden. Arabella hatte eine Hand auf meine Schulter gelegt und uns durch die Welt getragen. Innerhalb eines Augenblicks hatte sich die Landschaft um uns herum, von einer blühenden Wiese, die Blumen aller Farben zeigte, zu einer weißen Eislandschaft gewandelt. Sie trat so schnell von mir weg, dass ich nicht umhin kam, ihr einen besorgten Blick zuzuwerfen. Noch immer hatte sie nicht gesprochen. Hätte ich nicht gehört, dass sie im Thronsaal mit ihrem Vater gesprochen hat, würde ich glauben, dass sie es nicht konnte. 

Wir wurden in einen abgelegen Teil des Schlosses einquartiert. Der Boden, die Wände und die Decken bestanden aus kühlem, glatten Eis. Es strahlte und glitzerte und war an manchen Stellen so dünn wie Glas, an anderen so breit, dass es einer eiserner Festung glich. 

König Aurin hatte unsere Anwesenheit bisher nicht zur Kenntnis genommen. Das einzige Mitglied des Hofes, das wir bisher gesehen hatten, war Aleen. Bis auf die helle, fast schneeweiße Haut und die noch helleren Haare sah sie erstaunlich menschlich aus und entsprach damit nicht im geringsten den Erzählungen über das Volk des Nordens. 

Sie brachte uns zweimal am Tag etwas zu essen, sprach ansonsten aber genauso wenig wie Arabella. Diese verbrachte so wenig Zeit wie möglich in ihren Gemächern, oder besser gesagt in meiner Nähe.

Unsere Räume waren nicht luxuriös, aber dennoch annehmbar und stilvoll eingerichtet. Die Möbel wären aus dunklem Holz. Fein gewebte Teppiche und große goldene Kissen zierten den Boden. Es war kein Kamin vorhanden und trotzdem herrschte eine angenehm warme Temperatur.

Das ganze Schloss pulsierte vor Magie, die sich ihren Weg durch das gesamte Schloss bahnte. Ins Eis gemeißelt, ins Holz geschnitzt und sogar der Stoff des Überwurfs für die Betten war mit dem Wappen des Eisvolks verziert. Die gigantische Pfote eines Tieres, die den Legenden des Eisvolks zufolgen vor tausenden Jahren hier gelebt und den Kontinent beherrscht hatten.

Als Arabella sich am nächsten Tag im Morgengrauen aus ihren Gemächern schlich, folgte ich ihr. Sie wanderte durch die schmalen Gänge und strich mit den Fingern über das Eis. Es dauerte bis sie das Schloss verließ und einen Park betrat der dem meines Hofes gar nicht unähnlich war. Eine endlose weiße Ebene erstreckte sich vor meinen Augen. Hohe, glasklare Eisskulpturen erhoben sich und ragten hoch hinaus. Sie zeigten Fae in Kampfposition oder riesige weiße Bären mit erhobenen Tatzen. Arabella schritt mit entschiedenen Schritten voran. Der kaum erkennbare Weg war von blass weißen und himmelblauen Eisblumen gesäumt.

Die Anordnung der Skulpturen erfolgte um eine ovale freie Fläche herum. Arabella positionierte sich genau in der Mitte und nahm eine Kampfposition ein. Als plötzlich ein Pfeil aus dem Nichts auftauchte, wirbelte sie herum und trennte den Schaft mit einer einzigen gezielten Bewegung von der Spitze. Dann hagelte es Pfeile auf sie herab. 

Sie bewegte sich schneller als ein menschliches Auge es je erfasse könnte. Selbst ich hatte Probleme ihren Bewegungen zu folgen. Eine Pfeilspitze nach der anderen landete, abgetrennt von ihrem Schaft, mit einem leisen metallischen Klirren auf dem Boden. Auf eine gewisse Art und Weise faszinierte mich ihre Art zu Kämpfen. Die Präzision mit der sie zielte und traf, die Geschwindigkeit mit der sie sich bewegte, die Anmut und Eleganz die sie dabei ausstrahlte. Es war bemerkenswert. Ich hatte nicht annähernd in Betracht gezogen, dass sie noch mehr konnte. Arabella ist noch zu weit mehr fähig als sie in der Arena gezeigt hatte.

Als der Pfeilhagel endete, war das glatte Eis um sie herum nahezu vollständig mit Pfeilstücken bedeckt. Dumpfes Klatschen ertönte und ein hochgewachsener Fae betrat die Fläche. Arabella zuckte nicht zusammen. Sie drehte sich langsam zu ihm um und nahm sich Zeit um seine markanten Gesichtszüge, die schneeweißen Haare und die eisblauen Augen ausgiebig zu betrachten. 

„Nicht schlecht, Prinzessin. Die Gerüchte über eure Fähigkeiten sind sogar bis zu uns in den Norden vorgedrungen. Bewundernswert." Sie neigte den Kopf und spielte abwartend mit dem Schwert in ihrer Hand. 

„Wie unhöflich von mir." Er grinste sie unverhohlen an und blieb erst stehen, als nur noch ein Schritt gefehlt hätte, um direkt vor ihr zu stehen. „In Ermangelung einer Alternative bin ich gezwungen mich selbst vorzustellen. Ich bin Torin, Kronprinz des Nordens, Sohn von Aurin, dem König des Eis." Arabella deutete eine Verbeugung an, die leicht spöttisch wirkte, und Torin tat es ihr gleich. 

„Ich habe gehört, dass ihr nicht sprecht." Sein Blick wanderte über ihren dunklen Umhang, das enge Kleid darunter und schließlich zu dem Schleier vor ihrem Gesicht. „Ich mache Euch einen Vorschlag. Ich habe Euch kämpfen sehen, trotzdem biete ich Euch ein Duell an. Zu gewinnen gibt es eine Audienz beim König." Arabella rührte sich nicht. Sie wusste, dass wir dafür hier waren. Aber trotzdem wirkte sie, als würde sie tatsächlich abwägen, ob sie gewinnen würde. Oder eher, was sie erwarten würde, wenn sie es nicht täte.

__________________

Was glaubt ihr, könnte Torin für eine Rolle in der Geschichte spielen?

Ich schaue seit ein paar Tagen wieder Quantico und ich liebe diese Serie so! Wer kennt sie?

The Lost PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt