Sie hob das Schwert nicht, sondern wartete ab.
„Na gut", lachte Torin schließlich und schaute kurz hoch zum blassblauen Himmel. „Ich gebe zu, ich habe einen Hintergedanken. Wenn Ihr nicht gewinnt, darf ich Euch den Schleier abnehmen."
Arabella erschrak. Und das so merklich, dass ich es ihr ansehen konnte. Sie wich zurück. Damit hatte sie nicht gerechnet. Doch dann richtete sie sich auf. Wenn man ihre Augen sehen würde, wäre das Blitzen darin sicher Warnung genug gewesen.
Sie nahm eine entspannte Abwehrhaltung an, zeigte, dass sie bereit war und wartete, unbeeindruckt von seiner Arroganz, darauf, dass Torin den ersten Schlag ausführte. Hohes Zirpen durchschnitt die Luft und kleine Wesen landeten auf den hinteren Eisskulpturen. Nur wenige wagten sich näher an das Geschehen und zwei landeten direkt auf dem eisernen Bogenschützen, hinter dem ich mich verbarg.
Torin grinste amüsiert. „Du hast doch kein Problem mit Zuschauern?" Arabella zuckte mit den Schultern und schob ungeduldig einen Fuß weiter vor. Nun nahm auch Torin seine Kampfhaltung ein. Er zog zwei Schwerter aus dem Gürtel, der um seine Hüfte hing und ließ sie durch die Luft wirbeln. Arabella machte einen Seitwärtssprung, als er auf sie zustürmte, wich seinen Schwertern aus, ohne mit ihrem gegenhalten zu müssen.
Es dauerte nicht lange, bis er wütend wurde. Als sie auch seinen nächsten beiden Angriffen mühelos auswich, wurden seine Schläge härter. Die kleinen Wesen gaben fröhliche, entzückte Laute von sich. Ich begriff das Arabella ihn mit Absicht lächerlich aussehen ließ um ihn zu provozieren. Etwas an diesem Verhalten bereitete mir eine Art von vergnügter Befriedigung. Es fühlte sich an, als hätte mein Kopf noch immer nicht verstanden, wer sie war.
Torins Züge wurden ernsthafter, der Übermut verflog und seine Angriffe wurden heftiger. Arabella wich ihm weiterhin aus, bewegte sich, als würde sie seine Züge schon voraus ahnen und ließ sich nicht von ihm in die Ecke treiben. Er drosch mit solch einer Beharrlichkeit auf sie ein, dass es sie kaum unbeeindruckt lassen konnte. Dann wurden seine zwei Schwerter zu vier und diese vier schließlich zu acht. Ich schnaubte wütend, aber Arabella schien nur belustigt. Torin hielt in seiner Bewegung inne. Ich schüttelte ungläubig den Kopf und sogar die kleinen Wesen waren kurz still. Die acht Schwerter rasten in irrwitzigen Tempo direkt auf Arabella zu. Sie traf und traf. Ein Klirren ging ins andere über. Bis die eiserne Luft von einem unheilverkündeten Summen erfüllt war.
Das Tempo in dem sie sich bewegte, übertraf das von ihrem Kampf in der Arena um Längen. Doch Torin lenkte seine Schwerter geschickt. Sie schnellten wieder hoch, nachdem sie abgewehrt wurden und nahmen jedes Mal an Geschwindigkeit zu. Die Schwerter bildeten einen einzigen metallischen Wirbel.
Als das Chaos sich beruhigte und wieder Form annahm, stand Arabella hinter Torin und hatte ein kurzes Messer an seine Kehle gelegt. Die Schwerter verharrten wartend in der Luft. „Beeindruckend", lacht er und löste sich aus ihrem Griff. „Ihr habt Euch eine Audienz verdient. Kommt mit." Arabella schien es zu missfallen, dass seine Züge zufrieden wirkten, obwohl er gerade noch so verbissen gekämpft hat. Ich traute seinem Verhalten ebendso wenig.
Ich folgte ihnen und nickte Arabella anerkennend zu. Sie blieb stehen als ein eiskalter Windstoß einen weiteren Schritt unmöglich machte. Torin stand plötzlich direkt vor ihr und hatte eine Hand nach ihrem Schleier ausgestreckt. Im nächsten Moment wurde er zurück geschleudert und landete verdutzt auf dem Rücken in einem Schneeberg. Jegliche Arroganz und höhnischer Spott waren aus seinem Gesicht verschwunden.
„Verzeiht meinen Sohn. Er ist manchmal einfach zu neugierig." König Aurin war umringt von den kleinen Wesen. Schneeflocken tanzten um sie herum. Er war in einen prächtigen weißen Pelz gekleidet. Sein Haar und sein Bart funkelten mit dem strahlenden weiß des Schnees um die Wette. Die Augen trugen dieselbe Nuance des eisigen Blautons wie die seines Sohns. Mit einem schmalen Lächeln bedeutet er ihnen zu folgen.
Wir schritten in gebührendem Abstand hinter dem König her. Der Thronsaal unterschied sich grundlegend von dem, was ich erwartet hatte. Er war schlicht gehalten und die Wände erschienen in ihrem eisigen Glänzen nahezu unendlich hoche. Unzählige Tropfen gefrorenes Eis bedeckten die Decke und Wände. Sobald wir uns dem Thron näherten, änderte sich die Tropfen an der Decke und nahmen die Form von spitzen Eiszapfen ein. Der weiße Thron selbst war ebenfalls schlicht gehalten, nur vereinzelt befanden sich auch hier Muster, das Wappen und Verzierungen im Eis.
„So, Arabelle, Prinzessin von Alejandra und Villain, Prinz von Alhambrien. Welchen Umständen verdanke ich Eure Anwesenheit?" Der König ließ sie nicht aus den Augen während Torin sich an seiner Seite positionierte und die Wachen, die sich ihnen auf dem Weg angeschlossen hatten, zu beiden Seiten Stellung bezogen.
Ich wartete, ob Arabella wieder eine ihrer Schriftrollen zücken würde. Als dies nicht geschah, erhob ich die Stimme. „Wir sind hier um Euch um ein Bündnis anzubieten. Es herrscht Uneinigkeit auf dem Kontinent und es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Folgen Euch erreichen werden.."
„Ist das eine Drohung?", unterbrach Torin mich ungehalten.
Ich schüttelte schnell den Kopf. „Keineswegs, eher eine Vermutung. Unsere Feinde werden sich wohl kaum mit Alhambrien zufrieden geben. Sie sind zu stark, als das wir uns allein gegen sie behaupten können. Soweit ich über ihr Volk informiert bin, scheuen Eure Krieger keinem Kampf und sind für ihre Fähigkeiten im Umgang mit Pfeil und Bogen bekannt."
Aurin nahm das Kompliment mit einem halben Lächeln zur Kenntnis und wandte sich dann an Arabella. „Und warum seid Ihr hier?"
Selbst wenn sie vor hatte zu antworten, blieb ihr dafür keine Zeit. Ein Pfeil bohrte sich in ihre Mitte und sie brach keuchend zusammen. Es war kein Schütze zu sehen und die Wachen eilten auf Befehl des Königs in die Richtung in der sie den Attentäter vermuteten.
Ich stürzte zu Arabella und sah wie sich das Blut auf ihrer Kleidung ausbreitete. Torin verharrte erschrocken an der Seite des Throns und wechselte einen kurzen Blick mit seinem Vater. Meine Magie stieß gegen eine Barriere, als ich versuchte sie von innen zu heilen. Ich zog den Pfeil heraus, der aus klarem Eis geformt war und versuchte die Blutung zu stoppen. Die Anweisungen des Königs gingen vollständig unter. Ich war viel zu sehr von der Tatsache bestürzt, dass Arabella nicht unzerstörbar war. Dass sie sterben könnte, weil ich ihre Fähigkeiten überschätzt und ihre Schwäche unterschätzt hatte. Nur wie durch dichten Nebel drang die wütende Stimme des Königs zu mir durch.
Sobald die Heilerin ankam, wurde Arabella auf einer Liege aus dem Saal getragen. Ich hörte noch, wie Torin zu seinem Vater sagte, dass der Pfeil mit mehr als einem Zauber versehen war.
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The Lost Princess
FantasyEine gefangene Prinzessin, ein dunkler König und eine Mission, bei der es gilt unüberwindbare Hindernisse zu meistern. Arabella verliert jegliche Kontrolle. Über ihr Schwert und über sich selbst. Ihr Vater steuert sie, benutzt sie als sein Werkzeug...