Villain
Drei kojotenähnliche Wesen schlichen lauernd auf Arabella zu. Sie hatte ihr Schwert nicht gezückt, sondern beobachtet die drei bloß. Laut fauchend näherten sie sich Arabella und bestärkten mich in dem Verdacht, dass das keine normalen Kojoten waren. Coilin war im Begriff einzugreifen, doch ich hielt ihn mit einem stummen Kopfschütteln zurück. Arabella visierte die drei Kojoten an und ihr Gesicht, an dessen bloßen Anblick ich mich immer noch nicht gewöhnt hatte, wurde zu einer starren Maske. Ihre Wangen schimmerten wegen der Kälte in einem kühlen Rosa und in den goldenen Sprenkeln ihren dunkelblauen Augen spiegelte sich der funkelnde Schnee.
Als das erste Tier zum Sprung ansetzte und der Ring um Arabellas Iris dunkler wurde, landete es einen Augenblick später in einem der Sträucher am Rand der Lichtung. Das Knurren der anderen beide wurde lauter, bedrohlicher und sie wagen sich in schlängelnden Bewegungen näher an Arabella ran. Ich hegte nicht eine Sekunde Zweifel daran, ob sie der Situation gewachsen war. Ein Blinzeln später waren beide Kojoten spurlos verschwunden, nur ihre Pfotenabdrücke, die an der Stelle endeten, an der sie eben noch gestanden hatten, zeugten von ihrer Existenz.
Ein merkwürdiges Fiepen lenkte meine Aufmerksamkeit auf das kleine Bündel dem Arabella sich jetzt zuwandte.
„Nicht anfassen!" Coilin war auf die Lichtung gesprungen, noch bevor ich reagieren konnte. „Das ist ein Eisbär Junges, die Eltern sind sehr besitzergreifend."
„Ich sehe, dass das ein Eisbär Junges ist, Coilin", antwortete sie mit einem Hauch Belustigung in der klaren Stimme. Coilin drehte sich überrascht über ihre lockere Antwort grinsend zu mir um. Ich nickte erstaunt und blieb wie Coilin und Arabella in gebührendem Abstand zu dem Jungen stehen. Der Kleine beobachtete uns drei mit großen Augen und schräg gelegtem Kopf.
„Unseren Legenden nach waren manche von den Eisbären, die hier leben mal Fae mit der Fähigkeit sich verwandeln zu können. Es heißt einige haben sich dazu entschieden ihre Tiergestalt dauerhaft anzunehmen und damit ihre magischen Fähigkeiten und ihr Fae Dasein für immer verloren." Arabella lauschte Coilin aufmerksam.
„Wann soll das gewesen sein?", fragte Arabella, hielt den Blick dabei weiter auf das junge Raubtier gerichtet, dass sie im Gegenzug aus seinen schwarzen Knopfaugen genauso intensiv zu mustern schien.
„Vor über tausend Jahren. Das Reich der Fae war noch vollständig vereint. Der Norden war damals nur spärlich besiedelt und meistens von denen, die sonst nirgendwo eine Heimat gefunden haben. Der Norden galt als Zufluchtsort." Coilin war in die Erinnerung an die Erzählungen seines Vaters vertieft, während ich den Blick nicht von Arabella abwenden konnte.
„Was hast du vor?" Sie tat mir nicht den Gefallen meine Frage zu erwidern.
„Wer von euch kann die Sprache der Tiere verstehen?", fragte sie stattdessen. „Im Unterricht hieß es immer fast jeder mächtige Fae könne mit Tieren kommunizieren. Aber ich glaube nicht, dass ich schon einmal jemanden mit dieser Fähigkeit getroffen habe. Oder er hat es mir nicht erzählt." Sie warf mir einen kurzen Seitenblick zu. Aus einem spontanen Impuls heraus, grinste ich sie achselzuckend an. Daraufhin verdrehte sie die Augen und ich schmunzelte über diese dramatische Geste, die so gar nicht zu ihrem üblichen Verhalten passte.
„Wo sind deine Eltern?" Coilin blieb stehen, wo er war und ging in die Hocke. „Zeigst du es mir?", versuchte er es nach einem Moment der Stille nochmal. Mit einer ratlosen Geste erhob er sich wieder. „Scheint nicht zu funktionieren. Ich habe es ewig nicht mehr gemacht. Vielleicht habe ich diese Fähigkeit wieder verloren oder ich habe sie mir als Kind nur eingebildet."
Wieder bemerkte ich einen Hauch Belustigung in ihren Zügen. Dann wurden sie wieder wachsam und kontrolliert. „Coilin, sind die Eisbären hier in der Gegend eher Einzelgänger oder leben sie in Gruppen zusammen?"
„Normalerweise sind sie Einzelgänger. Nur außerhalb der Paarungszeit und wenn kein Nahrungsmittelmangel herrscht, schließen sie sich zeitweise zusammen." Coilin ließ den Kleinen nicht aus den Augen.
„Gut zu wissen. Ohne in Panik zu verfallen, schaut doch mal nach rechts." Alarmiert fuhren wir herum. „Ging es noch auffälliger?", zischte Arabella wütend, während Coilins Augen groß wurden, als er die Eisbären zählte, die aus dem Unterholz hervor kamen. „Rückzug, Jungs." Arabella stieß mich unsanft an, als ich keine Andeutungen machte mich zu bewegen. Wir entfernten uns von dem Jungen, während die großen Eisbären sich auf die Hinterbeine stellten und somit eine beachtliche Größe annahmen. Sie waren deutlich größer als hochgewachsenen Fae. Und jeder von ihnen hatte uns anvisiert.
„Einfach weiter gehen", murmelte Arabella. Wir hatten den Rand der Lichtung erreicht und die Eisbären in wenigen Schritte ihr Junges. Selbst dieses verfolgte uns noch immer mit den Augen.
Den Rest des Weges hatten wir rennend zurückgelegt. Wieder in der Hütte angekommen, wurde die Tür als erstes fest verriegelt.
„Wieso hast du uns nicht einfach von dort weggebracht?", fragte ich, während wir uns die Mänteln auszogen. Kurz bildete ich mir ein Arabellas Mundwinkel zucken zu sehen, doch als ich mich ihr vollständig zuwandte, trug sie denselben unbewegten Ausdruck wie immer.
„Ich wollte euch keine Angst machen, aber meine Magie hat nicht mehr funktioniert, sobald die Eisbären in unserer Nähe waren." Sie zuckte mit den Schultern und machte es sich auf einem der breiten Sofas gemütlich.
„Du hast es also versucht?", hakte ich ungläubig nach. Sie nickte ohne mich anzusehen. Coilin hantierte mit den Kesseln herum und kam kurz darauf mit drei dampfenden Tassen wieder.
„Ich habe noch nie von derartigen magischen Blockaden gehört", sagte Coilin. „Ich finde wir drei sollten uns endlich mal vernünftig unterhalten."
Ich stimmte ihm zu, während ich bemerkte, dass Arabellas Finger zitterten, als sie die mit Tee gefüllte Tasse von Coilin annahm. „Wir haben dich in den letzten Tagen weder etwas essen, noch etwas trinken gesehen."
Mit einem schwungvollen Ruck stellte Arabella die Tasse ab, wobei ein Teil des heißen Wassers über ihre Finger lief. Sie verschränkte die Hände in ihrem Schoß und setzte sich aufrecht hin. Mir kam der Gedanken, dass sie sich wie ein ruheloser Soldat benahm, der kurz vor einer Schlacht stand. Und in einer gewissen Weise stimmte das ja auch.
Sie atmete tief ein und aus. „Einverstanden. Lasst uns reden." Coilin nahm ihr gegenüber auf dem Sofa Platz. Ich entzündete ein Feuer im Kamin und setzte mich auf den dunkelgrünen Sessel..
Schweigen legte sich über uns. Bis Arabella sich räusperte.
„Na gut. Ich fange an" Ihre Stimme war so unsicher, wie ich sie noch nie gehört hatte und ein Teil von mir drängte mich dazu sie beruhigen zu wollen. Aber erst musste ich wissen, was genau passiert war. Mit meinen Männern. Mit ihr. Wie hatte sie es geschafft den Bann zu lösen?
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1. Kapitel der Lesenacht ❤️
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The Lost Princess
FantasyEine gefangene Prinzessin, ein dunkler König und eine Mission, bei der es gilt unüberwindbare Hindernisse zu meistern. Arabella verliert jegliche Kontrolle. Über ihr Schwert und über sich selbst. Ihr Vater steuert sie, benutzt sie als sein Werkzeug...