An diesem Tag fand ich meine Leichtigkeit wieder. Meine Unbeschwertheit. Ich hatte sie schön öfter mal für kurze Augenblicke oder vorübergehende Momente wieder. Aber dieses Mal war es anders. Dieses Mal würde sie bleiben. Ich würde sie mitnehmen.
Ich hatte mich lange gefragt, wie ich geworden wäre, wenn alles anders gekommen wäre. Und ich hatte heute die Antwort bekommen. So wäre ich geworden.
Unbeschwert, frei, glücklich.
Und an der Art, wie Vaughn mich ansah wusste ich, dass er dasselbe dachte. Trotzdem oder gerade deshalb konnte ich endlich Frieden mit meiner Vergangenheit schließen. Sie war nicht zu ändern, ich konnte es nicht rückgängig machen und ich hatte es überstanden. Und das war in Ordnung. Es war nicht meine Schuld und endlich konnte ich das akzeptieren, was ich schon lange wusste. Dass ich unschuldig war.
Ich erzählte Vaughn von dem Tag mit Villain und Coilin an dem wir einen Trainingskampf zu einer eisigen Rutschpartie umfunktioniert hatten, wie wir dem kleinen Eisbärjungen begegnet waren und obwohl ich mir sicher war, dass er das durch seine Spione längst wusste, erzählte ich ihm von den Halbfae und Wilkies, die Phineas auf seinem Fest in einem Käfig gehalten hatte.
„Und konnten sie fliehen?", fragte er leise. Seine Finger strichen über meine und unsere Köpfe waren nur eine Handbreit voneinander entfernt an den Stein gelehnt.
„Nicht alle."
Er nickte knapp. „Und dennoch. Wieder sind da Leben, die du gerettet hast. Woher wusstest du, dass ihr genau an diesem Tag reagieren musstet?"
Ich schluckte. Das Thema war heikel, obwohl es das eigentlich nicht war. Es war nicht unüblich das Könige und Königinnen eine Verbindung zu ihrem Land hatten. Doch seit der Spaltung des Reichs der Fae in fünf Länder gab es das nur noch sehr selten. Entweder war die Magie des Königs oder der Königin stark genug oder sie waren direkte Nachfahren von der ursprünglichen Königsfamilie Azralons. Durch den Missbrauchs des dunklen Königs eben dieser Verbindung war es ein mit Spannung verbundenes Thema geworden.
„Zufall und ein wenig gute Intuition?" Es klang mehr nach einer Frage als nach einer Antwort. Doch Vaughn hakte nicht nach. „Wie ist es bei dir? Hast du eine Verbindung zu deinem Land? Spürst du wenn etwas in Arubien vorgeht?"
„Ja." Er schien nachzudenken. „Ich fühle Veränderungen, manchmal auch schlechte Nachrichten oder Aufstände. Es ist wie eine Gewissheit, die plötzlich in meinem Bewusstsein ist. Früher habe ich mir immer vorgestellt, dass dieses Gefühl an einer Stelle in den Boden sickert und die Magie sie an mich weiterleitet. Oder der Wind sie zu mir trägt. Da war ich mir nie sicher." Er lachte leise. Ich hatte das Bild von Keno, schlafend in meinem Zimmer, vor mir. Und fragte mich nicht zum ersten Mal, wie ähnlich der König seinem kleinen Bruder war.
„Kann ich mir Keno wie eine jüngere Version von dir vorstellen?", fragte ich mit einem vorsichtigen Seitenblick, der unwillkürlichen auf seine zu einem Lächeln verzogenen Lippen fiel.
„In gewisser Weise schon." Als würde sich eine dunkle Gewitterwolke vor sein Lächeln schieben, verlor es plötzlich an Kraft. „Aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Mein Vater gehörte nicht zu den wenigen Fae, die viel von Liebe und Zuneigung halten. Er hatte seine eigenen Prinzipien und ich war der älteste Sohn, der Thronfolger. Er hat mich früh darauf vorbereitet zu herrschen, wie man herrscht, wie das Volk einen König zu respektieren lernt, was man tun muss, was man bereit sein muss zu opfern."
Ich beobachtete ihn genau. Sah wie seine Augen an Glanz verloren, während er über seinen Vater sprach. Wie sich ein verbitterter, harter Zug um seine Mundwinkel legte und eine Hand in seinen Nacken wanderte. Ich meinte zu verstehen, auch dass, was er nicht sagte.

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The Lost Princess
FantezieEine gefangene Prinzessin, ein dunkler König und eine Mission, bei der es gilt unüberwindbare Hindernisse zu meistern. Arabella verliert jegliche Kontrolle. Über ihr Schwert und über sich selbst. Ihr Vater steuert sie, benutzt sie als sein Werkzeug...