Sobald die Silhouette der Berge Arubiens in Sicht kam, wurde mein Atem ruhiger. Das Pochen meiner Kopfschmerzen war abgeflacht, sobald wir die Küste erreicht hatten. Südlich von uns erwachten die ersten Bewohner Caleas und obwohl ich Les mit meiner Magie unterstütze, schwanden seine Kräfte langsam. Wir waren ohne Pause geflogen und als wir zur Landung ansetzen, mussten wir unsere gesamten Kräfte sammeln.
Doch wir schafften es. Ich sprang auf die steinerne Plattform, die Les angesteuert hatte, gab ihm einen Kuss und rannte einfach los. Meine Muskeln protestierten und die Erschöpfung nagte unerbittlich an mir. Doch der Gedanke an mein. Ziel, an mein Land, ließ mich schneller werden.
Über Monate hinweg hatte ich Keno Märchen vorgelesen. Legenden, die von unsterblichen Wesen, Wundern und Magie handelten. Und jetzt war ich genau nach diesem auf der Suche. Nach einem Wunder.
In einem dieser Bücher stand: „Wer an Wunder nicht glaubt, wird sie nicht erkennen. Wer ohne Fantasie ist, wird das Magische nicht sehen. Nur, wer glaubt, wird finden, was er sucht." Einem Mantra ähnelnd, liefen diese Worte in meinem Kopf rauf und runter, während ich immer höher und höher stieg.
Die Luft veränderte sich, wurde eisiger und dünner. Die Sicht schlechter, doch ich hielt meinen Kurs unbeirrt bei. Ich wusste, wo ich hinmusste. Auf den höchsten Punkt des Drachengebirges.
Meine Fingerkuppen waren aufgerissen, doch vor Kälte derart taub, dass ich es nicht spürte. Ich trug noch immer das Hemd und darüber meine Ausrüstung, die zum Kämpfen und nicht zum Klettern gemacht war. Doch ich spürte, dass der immerwährende Druck in meinem Inneren nachließ, je höher ich kam. Als würde mein Körper instinktiv wissen, welchen Weg ich gehen musste.
Geröll kam unter meinen Füßen zum Rutschen, während ich den letzten Berg erklomm. Ich schaute nicht zurück, sah nicht dabei zu, wie es im Abgrund landete. Oben angekommen trat ich endlich aus dem Schatten des Berges und fiel auf die Knie. Sonnenstrahlen erwärmten meine Haut, während ich versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Ein Blick nach oben verriet mir, dass die Sonne bald ihr Zenit erreichen würde.
Mein Herzschlag beschleunigte sich, während ich mich zurück auf die Füße kämpfte und mich umsah. Weiße Nebelschwaden verbargen die Sicht nach unten, lediglich einzelne Bergspitzen waren zu sehen und einer von ihnen erweckte sofort meine Aufmerksamkeit. Es war der einzige Berg, der noch im Schatten lag. Ich konnte dabei zusehen, wie die Sonne den Schatten auf seinem Bergkamm Stück für Stück verdrängte und dabei fiel mein Blick auf eine winzige, ungewöhnlich glatte Plattform.
Ich wählte den kürzesten Weg über den Bergkamm hinüber zur Spitze des anderen Bergs. Unablässig behielt ich den Stand der Sonne im Auge und sobald ich das Plateau erreicht hatte, zog ich das Schwert aus seiner Halterung an meinem Rücken und lehnte es an den Felsen. Dann nahm ich eines meiner kleinen Messer aus dem Gürtel um meine Taille und schnitt mir in die Handfläche.
Das Blut tropfte auf den Stein und ich schloss die Augen. Die stärkste Form der Magie lagim Blut einer Fae. Wenn es etwas gibt, dass mächtig genug war, um dieses Siegel zu brechen, musste es mein Blut sein. „Ich glaube an Wunder." Mein Blut floss weiter. „Ich glaube an die Legenden."
Meine Stimme hallte durch die klare Luft. „Ich glaube an die Rückkehr der Drachen."
Die Sonne stand im Zenit und ihre Strahlen erreichten nun auch das Plateau, auf dem ich stand. Mir wurde wärmer und ich sank auf die Knie, stützte meine Hände auf den sonnenerwärmten Stein und senkte den Kopf. Nichts rührte sich. Kein Grollen, kein Wind, kein Geräusch.
Doch mir war als würde der Stein unter meinen Händen wärmer werden. Noch immer lief Blut meinen Arm hinunter, über meine Finger und auf den Felsen. „Jeder Legende liegt eine Wahrheit zugrunde. Bitte sei der Ursprung dieser", bat ich leise. „Bitte seid die Lösung des Rätsels und meine Rettung."
Es zischte und als ich die Augen öffnete, sah ich, dass ich inmitten eines Siegels stand, geformt aus meinem Blut. Es kochte und brodelte. Dampf stieg auf.
Und als dieser sich lichtete, gab er den Blick auf eine riesige Höhlenöffnung frei. Höher als die Tore in der Arena Alejandras. Ein Schwall heißer Luft kam mir entgegen, als ich die Höhle betrat. Die Wände waren pechschwarz und glitzerten, obwohl kein Sonnenstrahl hereinfiel. Ich hörte eine Art Prusten und dann wieder vollkommene Stille.
„Arabella", dröhnte es plötzlich durch die gesamte Höhle und ich fuhr erschrocken zusammen. Die Stimme war derart alt und rau, dass ich kaum noch Zweifel hatte, wem ich gleich gegenüberstehen würde.
„Wir wussten, dass dieser Tag kommen würde. Und wir werden mit dir kommen. Unter einer Bedingung."
„Nennt Sie mir." Ich ging weiter durch die Dunkelheit und blieb stehen, als ich eine Art Säule ertastete. Dann streifte mich ein kochend heißer Windzug. Ich hob den Blick. Oder sollte ich besser sagen ein kochend heißer Atemzug?
„Mein Name ist Obsidian und wenn wir mit dir kommen sollen, fordere ich nichts Geringeres als dein Leben." Ich schluckte, doch er fuhr fort. „Deinem Blut und dem Feueropal um deinen Hals ist es zu verdanken, dass ich es nicht sofort fordere." Es überraschte mich kaum, dass er durch meinen Schutzzauber sehen konnte. Nur inwiefern meine Kette dabei eine Rolle spielte, war mir nicht klar. „Die Bedingung ist dein Leben. Wenn wir sterben, stirbst auch du."
„Einverstanden", willigte ich ohne Zögern ein.
Dann bewegte sich die Höhle plötzlich. Die Wände erwachten zum Leben, genau wie die Säulen vor mir. Der Berg grollte und bebte und dann wurde es plötzlich taghell.
Vor meinen Augen zerteilte sich die Bergspitze und nahm eine neue Form an. Oder besser gesagt fünf neue Formen. Ich konnte Beine ausmachen, lederne Flügel, glänzende Schuppen und Schwänze, die mit dornenähnlichen Spitzen versehen waren. Dann schwang sich ein Drache nach dem anderen in die Lüfte. Meine Finger tasteten nach dem Feueropal, der warm auf meiner Haut lag.
Ein roter Drache breitete seine Flügel aus und schoss senkrecht in den Himmel hinauf. Zwei, dessen Schuppen grün glänzten, stürzten sich synchron in die Tiefen. Und direkt vor mir befanden sich die Beine von Obsidian, die ich fälschlicherweise für Säulen gehalten hatte. Ich trat ein paar Schritte zurück, um ihn richtig ansehen zu können.
Er neigte den Kopf und schien mich genauso interessiert zu mustern, wie ich ihn. Seine Beine waren breiter als Baumstämme, seine Flügel lagen eng an seinem massigen Körper an und übertrafen bereits jetzt den Umfang von Azras Flügeln um mehr als das doppelte. Seine schwarzen Schuppen schimmerten im Licht der Sonne und seine Augen waren von einem derart dunklen gelb, dass das schwarz seiner schmalen Pupillen nur noch deutlicher hervortrat. In seinem Schatten stand ein kleinerer Drache, der bis auf seine Größe genauso aussah wie Obisdian.
Er streckte seinen langen Hals und neigte den Kopf dann zu mir nach unten. Dann öffnete er sein Maul und entblößte mehrere Reihen rasiermesserscharfer Zähne, von denen jeder einzelne dieselbe Größe haben mussten, wie ein ausgewachsener Fae. Er pustete leicht und eine winzige Flamme schoss empor und wickelte sich fest um mein Handgelenk.
„Steig auf, Arabella. Wir haben ein Land zu retten." Und erst in diesem Moment erlaubte ich mir zu jubeln. Ich hatte es geschafft. Vor mir stand ein Drache und sie waren bereit mit mir nach Alejandra zu fliegen.
Obsidian streckte einen seiner Flügel aus und ich machte mich an den Aufstieg. Ich schickte Les ein Bild von einem Drachen und einer freudig tanzenden Version von mir daneben, damit er wusste, dass es tatsächlich funktioniert hatte. Dann nahm ich vorsichtig auf dem Drachenrücken Platz, dessen lederne Haut überraschend warm war und konnte mir ein freudiges Jauchzen nicht verkneifen, als er sich in die Höhe schwang.
„Alejandra, wir kommen!"
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Sagt unbedingt Bescheid, wenn ihr Fragen habt oder iwo nicht mitkommt 💜
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The Lost Princess
FantasyEine gefangene Prinzessin, ein dunkler König und eine Mission, bei der es gilt unüberwindbare Hindernisse zu meistern. Arabella verliert jegliche Kontrolle. Über ihr Schwert und über sich selbst. Ihr Vater steuert sie, benutzt sie als sein Werkzeug...