Kapitel 13

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Es fühlte sich anders an als sonst. Ich konnte den Unterschied nicht greifen, nicht benennen. Doch er war deutlich zu spüren. Seit Stunden versuchte ich Ordnung in meinen Kopf zu bringen. Sortierte Erinnerungen, trennte Träume von der Realität, schob Wünsche in die eine und Ängste in die andere Ecke. Es war merkwürdig still in meinem Kopf. Er fühlte sich leer an, obwohl er so voll war. Voll mit Emotionen, Gedanken, Hoffnungen, Stimmen. 

Ich lauschte ihnen und versank. Ich vernahm das Donnern von Hufen, das Klirren von Schwertern, das Zischen eines Feuers, das Lachen eines Mädchens. Wie an einem Faden arbeitete ich mich zu diesem Mädchen durch. Sie saß auf dem Rücken eines pechschwarzen Hengsts, der in halsbrecherischem Tempo durch einen Wald galoppierte. Sie lachte und streckte die Arme aus, flog mit ihm über einen Fluss und schmiegte sich nach der Landung an seinen weichen Hals.

Dann ein Schrei. Hoch und spitz, von Schmerz erfüllt. 

Eine Blumenwiese, die unendlich erschien. Sie erblüht in allen Farben, die die Sonne je gesehen hat. In einer sanften Brise wehen die Blüten im Wind, wachsen und strecken sich der Sonne entgegen. 

Eine märchenhafte Lichtung und fallende Blüten, ein Mädchen, dass zum Lied des Waldes tanzte, dass niemand außer ihr hörte.

Dann vollkommene Stille. Wieder das kleine Mädchen, gefangen in der Dunkelheit ihres eigenen Geistes. Eine Erinnerungen ging in die andere über, wie brechende Wellen im tosenden Meer.

Kniende Männer, denen die Kehle durchgeschnitten wurde. Eine Frau, die mit hoch erhobenem Haupt stirbt. Zerstörung, Verwüstung, Tod.

Vollmond. Strahlend und heller als je zuvor. Kühle Nachtluft auf der Haut. Unzählige kleine Sterne, die mit ihrem Strahlen den schwarzen Nachthimmel erhellen. Der winziger Bruchteil eines Ganzen schottet sich ab, versteckt sich in einer Ecke. Schmiedet Pläne, wenn niemand hinsieht, schirmt Gedanken ab, damit niemand sie lesen kann, sät Spuren, die vom eigentlichen Ziel ablenken sollten.

Im Schein des Mondes und dem Licht der Sterne, im Auge ihres dunklen Angesicht war die Wahrheit nicht das einzige, was strahlte. Erkennen blitzte auf und erschütterte die Scherbe, die sich erinnerte zu einem Ganzen zu gehören. 

Ein Plan nahm Form an. Ein Ziel wurde gewählt.

Als ich aufwachte, das erste Mal seit Jahren allein durch meinen eigenen Willen, löste sich ein dunkler, schwerer Teil von mir. Ein schwarzer Klumpen bestehend aus unendlicher Angst, gefährlichem Zorn und willenloser Hilflosigkeit.

Ich hörte mehrere Stimmen. Eine davon so nah bei mir, dass ich kaum zu atmen wagte. Ich wartete. Solange bis ich Schritte vernahm, das Schließen einer Tür und dann Stille. Eine Person war noch immer anwesend, tigerte aufgewühlt durch den Raum. Meine Magie tastete nach ihm, nahm meine Umgebung wahr, den Schutzzauber und ihn. Ich richtete mich mit einem Ruck auf und spürte augenblicklich wie er abrupt stehen blieb. Fassungslos und ungläubig. 

Als ich die Augen aufschlug, blieb alles schwarz. Ich tastete über mein Gesicht, über den unnachgiebigen Stoff, von dem es bedeckt war. 

„Arabella." Villains Stimme war direkt neben mir. So nah, dass ich kurz davor war zurückzuzucken. Ein Schluchzen bahnte sich seinen Weg nach oben, doch ich hielt ihn auf. Meine Hände wanderten über den Schleier. Erinnerungen, die nicht meine waren, tanzten durch meinen Kopf. Ich am Boden einer Arena, am anderen Ende einer gedeckten Tafel, in einer Bibliothek, versteckt in einem Schrank. Ich hielt erschrocken inne. Verbannte all diese Erinnerung. 

„Villain." Ich wollte es sagen, doch meinen Lippen entkam nur ein kläglicher Laut. 

"Ich kann Ophelia holen." Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte einen Plan und er wartete schon viel zu lange darauf ausgeführt zu werden. 

Ich verstärkte den Schutz um uns herum und stand mit wackligen Beinen auf. Wieder brachen Erinnerungen über mich ein. Eine Arena, ein Kampf, ein Messer. Ein toter Krieger. Ein neuer Kampf, schwarzer Staub und noch mehr Tote. Ich schluckte, wandte den Blick ab und versuchte mich zu sammeln.

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Na, wer wagt eine Interpetation, was das zu bedeuten hat?👀

Was habt ihr am Wochenende vor?🥰

Danke fürs Lesen♥

The Lost PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt