Kapitel 77

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Calea war noch viel schöner als von oben betrachtet. Wir waren inzwischen im hintersten Viertel, dessen Dächer und Türen in allem möglichen Farben erstrahlten, angekommen. Die Brücke, die wir überquert hatten, war eine der beiden größten der Stadt. Die bronzene Brüstung fing das Sonnenlicht und noch immer waren meine Gedanken bei den schönen Statuen, die auf einzelnen Sockeln standen. Unter uns glitten gelbe, grüne und blaue Boote über den glänzenden Fluss.

Selbst Dienstboten und einfache Händler trugen saubere, ordentliche Kleidung. Ich entdeckte niemanden mit vom Hunger verzerrtem Gesicht und verschlissener Kleidung. Niemand dessen Miene von unbändiger Qual und Leid sprach. Natürlich wusste ich, dass die materielle Armut nicht das einzige Problem der Bevölkerung war. Aber in Alejandra war ich so an ihren Anblick gewöhnt, an ihre stetige Präsenz, dass mich diese Stadt in Erstaunen versetzte.

Als hätte Vaughn bemerkt in welche Richtung meine Gedanken gedriftet waren, begann er zu erzählen. „Ich habe ja bereits angedeutet, wie der alte König war. Zu seiner Herrschaftszeit schuftete der Großteil der Bevölkerung in Mienen, Steinbrüchen oder in den Haushalten der wenigen reichen und adeligen Fae. Zwischen arm und reich war eine Kluft, die immer größer wurde. Die reichen wurden noch reicher und immer mehr Fae lebten in vollkommenem Elend. Wilkies und Halbfaen wurde der Zugang zu Geschäften, Wohnhäusern und Arbeit verwehrt."

Er räusperte sich und hielt den Blick geradeaus gerichtet. Keno ritt vor uns, die Brust noch immer vor Stolz geschwellt. Er winkte einem Mädchen zu, dessen rechte Gesichtshälfte von einem rot grünen Drachen bemalt war. Der Drache war so detailgetreu gemalt, dass mein Blick an ihr hängen blieb. Selbst Dampf stieg aus den Nasenlöchern aus und die Zähne im aufgerissenen Maul sahen täuschend echt aus. Ich lächelte sie an und sie grinste übermütig.

Dann wandte ich mich wieder an Vaughn, damit er fortfuhr. „Es hat mehr als ein Jahrhundert meiner Herrschaft gebraucht, bis die Sklaverei zum großen Teil abgeschafft war. Einige Sklavenhändler haben ihre Spuren so gründlich verwischt, dass wir ihre Verbrechen nicht nachweisen konnten. Und andere, die aus Mienen und Bergbau große Profite erwirtschaftet haben, vergrößern ihr Vermögen auch heute noch auf den Rücken der einfachen Arbeiter. Auch wenn die Bedingungen nun besser sind. Ich meine... Warst du jemals in einer Miene? Unter Tage ist es..."

Wieder fehlten ihm die Worte und ich fragte mich, was genau das war, was er nicht auszusprechen breit war. Leider hatte ich sehr genaue Vorstellungen davon, wie es in den Tiefen der Mienen aussah. Viel zu genaue.

Ich schüttelte den Gedanken ab. „Du hast sehr viel erreicht, Vaughn. Und dein Land liebt dich zurecht dafür" Das Schutzschild um uns herum vibrierte leicht, als ein riesiger Blumenstrauß gegen ihn prallte. Vaughn lockerte es, damit Keno, der abgestiegen war, ihn aufheben konnte. Währenddessen sah ich mich nach demjenigen um, der die Blumen geworfen hatte.

Ich folge einigen Blicken in Richtung einer schmalen Straße und sah dort wie ein Fae hinter der Ecke verschwand. Meine Alarmglocken schrillten derart laut, dass ich keuchte. Ich warf ein Schutzschild um den Strauß noch bevor Keno ihn aufheben konnte. Und verstärkte diesen bevor ich ihn zu mir schweben ließ. Ich bemühte mich um Keno beruhigend anzugrinsen und wir ritten weiter.

Der Strauß war wunderschön. Drei äußerst seltene Sternblumen bildeten sein Herzstück. Darum herum waren blaue, rosane und fliederfarbene Hyazinthen gesteckt. Ich kannte die Wildblumen. Kornblumen, Akeleien, Flockenblumen, Glockenblume, Buschwindröschen und Mohn. Nur eine einzige kam mir nicht auf Anhieb bekannt vor.

Sie erinnerte von der Form an eine der Zierblumen, die in der Welt der Menschen sehr beliebt waren. Nur das Muster und die Farben irritierten mich etwas. Sie waren von einem dunklen lila und mit einem schachbrettartigem Muster versehen. Ihre Blütenblätter waren noch voll verschlossen.

„Vaughn." Ich hob den Blick und in dem Moment machte Les einen Satz, bei dem mir der Strauß aus den Händen glitt. Sobald er den Boden berührte, explodierte er.

Allein das Schutzschild, sorgte dafür, dass die Macht der Explosion uns nicht in Stücke riss.

Vaughn presste die Lippen zusammen. Kurzerhand ließ er noch andere Lichter erscheinen und diese in den Himmel aufsteigen.

Die Menge jubelte über die Inszenierung. Die Freude auf die Nacht der fallenden Sterne wuchs mit diesem Schauspiel auf ein vielfaches. Doch die eisige Kälte die sich über mich gelegt hatte, wie eine schwere Decke, blieb. Denn die Person, die ich um die Ecke laufen ließ, trug etwas, was mir bekannt vorkam.

Einen grauen Umhang. Genau wie damals. Als ich im Wald auf dem Rückweg zum Schloss angegriffen worden war.

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Wer hat Lust auf einen Leseabend?💛

Ich habe es mir jedenfalls mit einem Tee und Musik vor dem Laptop gemütlich gemacht und hoffe heute einiges schaffen zu können🧡 Was steht bei euch an?💛

The Lost PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt