Es kam anders. Durch Magie der mächtigeren Fae, die uns zu etwas mehr Fahrtwind verholfen hatten, erreichten wir die Küste Arubiens bereits um die Mittagszeit. Zusammen mit den Schiffen, die sich uns unterwegs angeschlossen hatten, stiegen wir nun in die am Kai anliegenden Kriegsschiffe um. Ich hatte mehrere Augenblicke damit verbracht davor zu stehen und ihre unvorstellbare Größe zu bestaunen. Während wir auf unserem Schiff Platz gerade mal für etwa 100 Leute Platz hatten, waren diese hier für über 900 ausgelegt.
Die Sonne stand hoch am Horizont und warf einen glitzernden Schimmer auf das Meer, das sich so weit erstreckte, bis es in den Himmel überging.
Les hat die Fahrt in einer der großzügigen Boxen unter Deck gut überstanden und konnte jetzt seinen Platz in der Nähe des Mastes einnehmen. Dort war ein kleiner Bereich für etwa zwanzig Pferde vorbereitet. Sie waren schmal, damit es auch bei schwererem Wellengang nicht zu Gleichgewichtsproblemen kommen konnte und waren großzügig mit Heu und Kraftfutter ausgestattet. Les wirkte zum Glück recht zufrieden und kaute auf einer Handvoll Heuhalme herum.
Erst jetzt konnte ich am Bug des Schiffes Vaughn entdecken, umgeben von seinem engsten Kreis und Kapitänin Perisha. Wir hatten noch kein Wort miteinander geredet, worüber ich ganz froh war. Ich hatte mir vorgenommen meine Nase in die salzigen Winde des tückischen Meeres zu halten, um wieder einen klaren Kopf zu kriegen. Denn zu meiner Schande musste ich gestehen, dass meine Gedanken seit dem Aufbruch fast ununterbrochen um Vaughns nächtliche Aktivitäten kreisten. Ich mich dann dazu zwang an etwas anderes zu denken, wütend wurde, weil es nicht funktionierte, wütend wurde auf Heela, noch wütender auf Vaughn. Am wütendsten war ich jedoch auf mich selbst, weil ich an nichts anderes denken konnte. Ein Teufelskreislauf.
Heela, Vaughn, Bett, nackte Haut.
„Aaargh!" Ich stampfte mit dem Fuß auf, wie ein bockiges Kleinkind und zog mich dann an die Reling zurück. Ich schob mich an einigen Matrosen und Soldatinnen vorbei und richtete den Blick nach vorne, in Richtung meiner Heimat, fokussierte mich auf das Ziel, das vor mir lag.
„Prinzessin." Rouven grinste mich an. Seine Haare flatterten im Wind und seine Augenbrauen wanderten spöttisch in die Höhe.
„Was ist?", fauchte ich ungehalten.
„Ach nichts. Wollte nur mal hören, wie deine Nacht war. Treffen es folgende Beschreibungen? Aufregend, reizvoll, intim, lang, laut."
„Das reicht, du nervige, kleine Tarantel." Ich stieß ihn mit meiner Magie fest gegen die Reling.
„Du gibst also zu, dass du heute nicht besonders gut drauf bist?" Ohne das Prickeln meiner Magie zur Kenntnis zu nehmen, grinste er mich herausfordernd an.
„Nein."
„Du bist noch viel sturer, als er es beschrieben hat." Er keuchte, als meine Magie heiß aufloderte.
„Was. Hat. Er. Über. Mich gesagt?"
„Gib zu, dass es dir nicht egal ist", forderte er. Kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn.
„Und wenn ich das nicht tue?"
„Dann wirst du nicht erfahren, was letzte Nacht gelaufen ist und was er über dich gesagt hat."
Oh, verdammt. Verdammt. Verdammt. Verdammt.
Er löste sich von meiner Magie und ich ließ es zu. „Wir treffen uns in meiner Kajüte. Sie liegt deiner gegenüber."
Großartig, dieser Tag konnte ja nur noch besser werden. Und jetzt musste ich herausfinden, wie ich zu meiner Kajüte kam ohne dabei jemandem, wie beispielsweise Vaughn, über den Weg zu laufen.
Ich drehte mich um und stand direkt vor einer schwarzhaarigen Fae mit unglaublich hellen Augen. Sie trug eine lederne Kampfmontur und ich sah mindestens drei verschiedene Waffen an ihr. Messer, Messer, Schwert, Kurzschwert.
„Dieses Gespräch hat sich einfach zu interessant angehört, um wegzuhören."
„Jetzt hat sich also auch die Frage beantwortet, wieso er mich an einem diskreteren Ort sprechen wollte."
„Scheint fast so", antwortete sie leichthin, ohne meinen bissigen Ton wahrzunehmen.
„Da ist jemand, der mit dir sprechen möchte."
„Bitte?"
„Er ist so groß." Sie zeigt zu ihrer Hüfte. „Größtenteils weiß und kommuniziert gerne über Kopfschmerzen bereitende Visionen. Und jetzt, folg mir."
Ich strich über Aryas Ring, atmete ungefähr zehn Mal durch und folgte ihr.
„Osmium!" Der Schneeleopard hatte es sich auf einer samtgrünen, riesigen Chaiselongue ausgestreckt und hielt mir seine Nase entgegen, als ich mich neben ihn kniete. Ich blinzelte ihn vorsichtig an, doch ich spürte weder Schwindel noch ein anderes Symptom einer Vision.
„Es gibt doch immer einen Grund, wenn du auftauchst, oder mein Kleiner?" Ich strich ihm über den Kopf und er begann lautstark zu schnurren. Ja, den gab es. Aber anscheinend konnte es noch ein paar Augenblicke warten.
„Es ist schön dich zu sehen." Ich vergrub meine Nase in seinem Fell und atmete seinen Schneeglöckchenduft ein. „Ich muss ganz kurz etwas klären und dann komme ich zurück und bleibe bei dir, ja?"
„Ich zeige, dir wo deine Kajüte ist." Augenrollend schickte ich Osmium einen Was-hast-du-mir-da-angetan- Blick und folgte ihr.
Ich öffnete die Kajütentür und wider meiner Erwartungen stand da nicht Rouven.
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The Lost Princess
FantasyEine gefangene Prinzessin, ein dunkler König und eine Mission, bei der es gilt unüberwindbare Hindernisse zu meistern. Arabella verliert jegliche Kontrolle. Über ihr Schwert und über sich selbst. Ihr Vater steuert sie, benutzt sie als sein Werkzeug...