Kapitel 5

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Villain

„Hier ist sie." Seine Stimme übertönte die Klänge der Trommeln mühelos. Dann verstummten sie ruckartig und vollkommene Stille trat ein. Sie war anders, als die Stille vorhin. Gespannter, aufgeregter, begeisterter.„Meine Tochter, Arabella." Er grinste in die Runde. Ein Anblick den man so selten zu sehen bekam, dass es die meisten erschreckte. Stolz lag in seiner Miene, als Arabella einen Wimpernschlag später in voller Kampfmontur neben ihm auftauchte. Niemand hatte bemerkt, dass sie überhaupt gegangen war.

Die geflochtenen Strähnen waren aus ihrer Frsiur verschwunden. Ihr langer Zopf hing bis zur Mitte ihres Rückens, wo zwei überkreuzte Schwerter in einem Gurt steckten. Sie trug schwarze Stiefel. Hosen und Oberteil bestanden aus dunklem Leder und lagen an ihr wie eine zweite Haut. Keine Sekunde glaubte ich, dass das was sie trug. gewöhnlicher Stoff bestand.

In Cys Gesicht stand ein Gedanke, der alles andere in den Hintergrund rücken ließ. „Sie hat ihn umgebracht. Unseren Freund." Hass loderte in seinen Zügen auf, wie eine wütende, alarmierende Flamme. Ich nickte knapp, während die Menge noch immer den Atem anhielt. „Aber was wäre die Alternativegewesen?" Ich will es nicht aussprechen, doch sein Tod war ehrenhafter als es den meisten vergönnt war. Er war von einem Mut gezeichnet, der den wenigsten zu empfinden möglich war. Und er wurde für seinen Mut mit einem gnädigen Tod geehrt. Durch ihre Hand. Aber schnell und schmerzlos. Nahezu gnädig. War es das, wovon die Köchingesprochen hatte? Das Zeichen?

Laute Rufe aus dem Publikum lenkten meine Aufmerksamkeit zurück nach vorne. Arabella stellte sich in die Mitte der Arena. Nicht an den Rand, wo sie durch die Wand wenigstens im Rücken geschützt wäre. Kein kluger Zug. Sie musterte ihren Vater, der wieder über allen anderen thronte und sie zufrieden beobachtete. Die Bosheit in seinem Gesicht war genauso deutlich zu erkennen, wie die schwarzen Runen, die sich über seine Arme zogen. Das schwarze, edle Gewand, dass er trug, erinnerte vom Stil an eine längst vergessene Zeit. An den Schultern wurde es von silbernen Nadeln zusammengehalten. Ansonsten war es überraschend Schlicht für einen Tyrann seiner Größenordnung.

Am Rand der Arena wurden Fackeln entzündet, doch trotz des Lichts war in Arabellas Haar keine Spur des früheren Glanzes zu erkennen. Die Augen, die früher in einem rauchigen Blau gestrahlt hatten, waren sicher genauso abgestumpft. Ihr Schleier war derselbe wie immer. Schwarz, unbeweglich und blickdicht. Die Menge stimmte aphatisch ihren Namen an, als sie eine Kampfposition einnahm. Sie hat früher jegliche Art von Geschichten geliebt. Ich würde zu gern wissen, wie ihr die ihre gefällt.

Der König winkte lässig mit einer Hand und die Runen auf seiner Haut leuchteten silbern im Licht der Fackeln, die ihn umgaben. Die ersten Nigroms erschienen wie düstere Schatten aus der Dunkelheit. Sie begannen sich erst zu einer Fae ähnlichen Gestalt zu formieren, als sie Arabella fast erreicht hatten. Plötzlich stoppten sie, als würden sie gegen eine durchsichtige Mauer prallen.

Seelenruhig malte Arabella mit der Spitze ihres Stiefels einen runden Kreis um sich herum. Sie hob eins ihrer Schwert, dessen Griff vollkommen schmucklos war. Die Klinge brach das herabfallende Mondlicht, doch es war nicht ihr sagenumwobene Schwert Nachtfäller. Es war ein gewöhnliches Schwert.

Die Nigroms schienen sich wieder ungehindert bewegen zu können und stürzten sich auf Arabella. Ihre Klinge wirbelte durch die Luft, mit einer halben Umdrehung traf sie vier der Nigroms, die ihr am nächsten waren. Sie hielt nicht inne. In flüssigen Bewegungen wandte sie sich den nächsten zu. Das Kreischen der Kreaturen hallte durch die Arena und erweckten den Eindruck im ganzen Land gehört zu werden. Nachdem die ersten unbewaffnet kamen und gescheitert waren, folgten die nächsten mit kurzen Dolchen. Das Feuer in ihren Augen brannte heller. Ihre Schatten verzerrten sich, sie wurden wütend und drängten in Massen auf die Prinzessin zu.

Die Menge war nicht unruhig oder besorgt. Sie verfolgten das Schauspiel wie gebannt. Fiebrige Ausdrücke auf ihren schönen Gesichtern. Jeder und jede Fae war schneller und stärker als ein Mensch. Die meisten auch intelligenter, aber so wie es gerade aussah, wäre ich mir da nicht mehr so sicher. Und das obwohl niemand Magie einzusetzen schien.

Es war kein Flimmern von der Magie des Geistes zu erkennen. Kein Beben, die die Magie der Elemente auslöste und kein Knistern, die das Ausüben von roher Magie überlicherweise mit sich zog, zu hören. Da die Möglichkeit, dass gerade niemand Magie ausübte aber aufgrund der auftauchenden Nigrome ausgeschlossen war, musste ihr Ursprung verschleiert sein. Oder die Schilde des Königs blockierten sie.

Wenn man Arabellas Gesicht sehen könnte, würden ihre zielsicheren Bewegungen darauf schließen, dass ein kühler, entspannter vielleicht sogar gelangweilter Gesichtsausdruck zu sehen wäre. Das Volk Alejandras trampelte vor Begeisterung auf den Tribünen der Arena. Da es den Nigroms vereinzelt gelungen war durch undichte Stellen in unsere Welt zu gelangen und dies immer Zerstörung und Tod mit sich zog, war der Hass der Fae dementsprechend enorm. Und ihre Freude darüber dabei zuzusehen, wie einer nach dem anderen in die Klinge ihrer Prinzessin lief, nahezu grenzenlos. Auch die Messer halfen ihnen nicht Arabella auch nur ein Haar zu krümmen.

Unermüdlich und unerschrocken kämpfte sie weiter. Sobald einer der Nigroms in ihre unmittelbare Nähe kam, war da ihr Schwert, was seinem Leben ein Ende bereitete. Das zweite hing noch immer auf ihrem Rücken. Doch Arabella gefiel es sicherlich mit ihrer Überlegenheit zu prahlen. Das Klirren von Münzen, die ausgetauscht wurden, von ehrfürchtigem Flüstern und zufriedenem Lachen lag in der Luft während der Mond immer höher wanderte.

Fast alle der anwesenden Fae waren Krieger und trotzdem wurden ihre Augen mit jedem weiteren Stern, der am Himmel erschien, immer größer. Kaum einer konnte fassen, dass sie immer noch kämpfte. Dass sie immer noch aufrecht stand und im Begriff war zu siegen. Sie traf. Schlag für Schlag und ihr Schwertarm zitterte nicht.

Der König beobachtete sein Volk wie ein lauernder Greifvogel kurz bevor er angriff. Ein kaum erkennbarer Missmut zog seine Mundwinkel nach unten und mit jedem Hieb zogen sich seine dunklen Brauen weiter zusammen. Es erweckte fast den Anschein, als würde er sich nicht darüber freuen, dass seine Tochter gewann und sein Volk sie feierte.

Als Arabella das Schwert in die andere Hand warf, kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass der König sie nicht retten würde, wenn sie zusammenbrach. Dass sie so unerbittlich kämpfte, weil sie keine andere Wahl hatte. Dass sie nicht aufgab, weil das ihren Tod bedeuten würde. Auch Cy war neben mir reglos geworden.

The Lost PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt