Eine Stunde später war ich bereit. Mein Kleid war einem ledernen Kampfanzug gewichen. Runa zog die Schnallen an Rücken und Schultern fest während ich prüfte ob meine geflochtene Frisur in einem Kampf halten würde. Ich hatte keine Zweifel daran, dass sie mir eine schwierige Aufgabe geben wird, um mich bloß zu stellen. Grund dieser Annahme war die Art, wie sie mich gemustert hat und wie ihre Hand besitzergreifend über Vaughns Arm wanderte, wann immer ich hinsah. In meinem Schlafgemach begann ich mich aufzuwärmen. Ich wollte diesen Kampf ohne Magie gewinnen. Zeigen, dass ich sie auch ohne Magie besiegen werde.
Als die ersten Sonnenstrahlen sich den Weg durch die Fenster meines Turmzimmers erkämpft hatten, donnerte ein hartes Klopfen an meine Tür. Ich fokussierte mich auf den bevorstehenden Kampf. Erinnerte mich daran, wen ich alles schon besiegt hatte. Mit entschlossenen Schritten ging ich zur Tür. Heelas Lächeln war spöttisch. „Hat es einen Grund, dass du in dem Turm einquartiert bist, der als verflucht gilt?"
„Hat es einen Grund, dass du hier anwesend bist?", fragte ich mit genauso freundlicher Stimme zurück. Runa hatte nicht nur ein paar Messer, sondern auch ein Schwert für mich aufgetrieben, dass ich mir um die Hüfte geschnallt habe.
Heela kommentierte meinen Aufzug mit einem Grinsen. „Mir scheint du kennst diesen Grund bereits. Komm mit." Unangenehme Erinnerung drängten in mein Bewusstsein. Ich war schon so oft in Situationen wie diesen. Situationen, in denen ich gezwungen war, zu funktionieren. Und dennoch war es dieses Mal anders. Ich tat es freiwillig. Mehr oder weniger. Ich könnte aufhören. Es wäre meine Entscheidung. Das einzige, was darunter leiden müsste, wäre mein Stolz.
Als wir unten ankamen, sahen Vaughn und Oraziel ziemlich missbilligend zwischen Heela und mir hin und her.
Heela ging voraus und wir folgten ihr in den angrenzenden Wald hinein. Das helle morgendliche Sonnenlicht schien nur vereinzelt durch die hohen Baumkronen und dichten Blätterdächer hindurch. Trotzdem schimmerte alles in einem wahnsinnig schönen grünlichen Licht. Als würde jedes Blatt und jede Knospe vor Energie erstrahlen. Im Reich der Fae war jeder Wald besonders, lebendig. Doch dieser hier erschien tatsächlich magisch.
Vor einer Art Steinbruch blieb Heela stehen und drehte sich mit feierlicher Miene zu uns um. „Hier ist deine Aufgabe. Ich habe im Inneren der Tunnel mal etwas verloren und ich will das du es findest und mir bringst." Ihre Miene war derart triumphierend, dass es keine Frage war, ob es Haken gab, sondern eher wie viele es waren.
Das Misstrauen in meinen Zügen war unübersehbar und auch Vaughn schaute sie fragend an. „Wenn du es findest, erlasse ich dir den Wunsch, den du mir schuldest", fügte sie noch hinzu und meine Augenbrauen wanderten noch höher. „Es ist etwas, was man greifen und spüren kann?", fragte ich. Nur zur Sicherheit. Sie schaute nachdenklich und nickte dann grinsend. Etwas daran ließ mich stutzig werden. „Und was ist es genau?"
„Ahh, du bist doch nicht so dumm, wie Vaughn dich beschrieben hat", feixte sie zufrieden. Ungeduldig wippte ich mit dem Fuß, fest entschlossen ihre bissige Bemerkung zu ignorieren. „Das herauszufinden liegt bei dir. Es ist möglich, nur sehr, nennen wir es, unwahrscheinlich", verkündete sie schließlich und trat zur Seite, damit der Weg zum Eingang der Tunnel frei war.
„Toll", erwiderte ich gelangweilt.
„Du kannst loslegen." Großspurig breitete sie die Arme aus. Ich wartete ab, ob einer der anderen etwas dazu sagte, dass sie mir eine Aufgabe gab, die ich unmöglich lösen konnte. Das Problem lag nicht nur an der Tatsache, dass ich nicht wusste, was ich suchen sollte. Sondern auch daran, dass diese Tunnel endlos lang sein könnten und mir vollkommen unbekannt waren.
Von Vaughn und Oraziel kam nichts. Das einzige was ich von Vaughns Seite aus bemerkte, waren ungemütliche Schwingungen. Eine kleine Erinnerung daran, dass ich immer noch seine Gefangene war, auch wenn er mich nicht wie eine behandelte. Toll. Das Ganze wurde immer besser.
Ohne mich umzudrehen, steuerte ich auf den Eingang der Höhle zu. Ich trat ein und lauschte dem Echo, das die Schritte meiner schwarzen Stiefeln erzeugten. Ich ging weiter bis ich um eine Ecke bog und damit aus der Sichtweite der anderen verschwand.
Ich griff eine der Fackeln von der Wand und entzündete sie an dem kleinen Feuer, das in eine Nische im Stein eingelassen war. Es war eine dieser unauslöschlichen Flammen, die von Magie erzeugt wurden. Die kunstvoll geschmiedete Glaskuppel ließ das Feuer fackelnde Schatten an die Steinwand werfen. Der Tunnel war nicht viel höher als ich und die Luft roch abgestanden.
Ich ging weiter. Mir war klar, dass meine Chancen dermaßen gering standen, dass es an sich nicht einmal Sinn machte, es überhaupt zu versuchen. Aber ich würde ihr nicht die Genugtuung bereiten es unversucht zu lassen. Zudem schwirrte seine Warnung unablässig in meinem Kopf herum, während ich, eine Hand am Knauf des Schwerts, tiefer in den Berg vordrang. Hass loderte in mir auf. Jetzt, wo ich dazu gezwungen war über meine Situation nachzudenken, drifteten meine Gedanken immer weiter ab. Meine Sicht verdunkelte sich, als würde ein düsterer Schleier meinen Blick trüben.
Ich bog an den Gabelungen, abwechselnd rechts und links ab und markierte meinen Weg mit Kreuzen aus Ruß der Fackel.
Es verging eine ganze Weile bis ich ein Geräusch hörte. Mit der Zeit hatte ich meine Schritte lautlos werden lassen, was trotz der schweren Stiefel erstaunlich leicht war. Ich konnte nicht ausschließen, dass in diesen Gängen etwas lebte, was ich sonst aufschrecken würde. Das Geräusch, das leise durch die Gänge hallte, hörte sich wie eine Art gurgeln an. Ich schritt in die Richtung, in der ich den Ursprung vermutet und gelangte in eine Höhle. Irgendwo musste das Sonnenlicht hereinfallen können, denn vereinzelt waren helle Flecken auszumachen.
Ich blieb im Schatten des Tunnels stehen. Etwas an dieser Höhle, dem beleuchteten nahezu kreisrundem See in der Mitte und dem dunklen Stein, der aus dem See heraus ragte, kam mir merkwürdig vor. Das Geräusch, das mich her gelockt hatte, klang jetzt eher nach einem Blubbern. Als ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass um den Stein in der Mitte kleine Bläschen aus dem Wasser hervortraten.
„Ich sehe dich." Augenblicklich presste ich mich näher an den Stein. Die alte Stimme klang so nah, dass ich lautlos mein Schwert hob. Ein Lachen tönte durch die Höhle. Sie schien keinen Ursprung zu haben, sondern einfach überall zu sein. „Komm raus, Menschlein." Mit gerunzelter Stirn trat ich hervor.
_________
Bereit für das nächste Kapitel?♥
DU LIEST GERADE
The Lost Princess
FantasiEine gefangene Prinzessin, ein dunkler König und eine Mission, bei der es gilt unüberwindbare Hindernisse zu meistern. Arabella verliert jegliche Kontrolle. Über ihr Schwert und über sich selbst. Ihr Vater steuert sie, benutzt sie als sein Werkzeug...