Kapitel 81

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„Nun." Die Priesterin erhob die Stimme und sah in die erwartungsvolle Gesichter. „Freiwillige tretet vor."

Die Fae, die sich am hinteren Ende des Saals gesammelt hatten, schritten vor. „Ihr habt euch freiwillig gemeldet und Ihr wurdet auserwählt." Die Priesterin stand vor den Fae, die sich in eine Reihe gestellt hatten. „Es liegt nun an Euch, Lord Oraziel, Lord Rouven, Lady Caylin, Lady Liora, Prinzessin Arabella und Seine Hoheit König Vaughn jemanden zu erwählen."

Ich schluckte. Das war es also gewesen, was Heela gemeint hatte. Großartig.

„Ihre Hoheit, Sie dürfen beginnen." Vaughn trat vor und ich zog meine Magie schlagartig zurück.

  Irritierenderweise trat auch Heela vor. Sie stellte sich neben eine Fae und hob das Kinn. „Da ich in diesem Krieg nicht an vorderster Front kämpfen werde, da mir andere Aufgaben von großer Bedeutung zugeteilt wurden, biete ich meine Macht unserem König an. Er darf über sie verfügen, damit wir aus diesem Krieg siegreich hervor gehen." Sie leckte sich über die Lippen, als sie Vaughns Blick mit einem koketten Wimpernschlag erwiderte.

Die Fae neben ihr schnaubte spöttisch und eine andere verdrehte die Augen, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem König widmete. Ich warf Mina einen kurzen Blick zu, die aussah, als würde sie gerade überall lieber sein als hier.

„Lady Heela wurde weder ausgewählt noch hat sie sich als Freiwillige gemeldet, dennoch darf ihr Angebot aufgrund ihrer besonderen Stellung am Hofe und der alten Magie in ihren Adern bei der Auswahl angenommen werden."

„Oh, bitte", empörte sich eine Fae aus der linken Schlange und schüttelte missbilligend den Kopf. Während sich die Unruhe wieder legte, gewann ein mir allzu bekannter Wilkie, der in der Reihe direkt vor der Priesterin stand, meine Aufmerksamkeit. 

Das hatte er also gemeint, als er sagte, ich soll ihn berücksichtigen.

Hatte ich gerade noch ehrfurchtsvoll dem altehrwürdigen Ritual beigewohnt, so wuchs mein Argwohn, während Heela begann die obersten Knöpfe ihres Mieders zu öffnen. Die Überlieferung, die ich vor Jahren gelesen hatte, beinhaltete dies keineswegs.

Vaughn blieb vor der Fae ganz rechts stehen und schritt dann langsam weiter. „Er prüft, wie stark ihre Magie ist." Rouven stand direkt neben mir. „Er wird die wählen, die am stärksten ist."

„Wieso die? Vielleicht ist der stärkste Fae unter ihnen ja auch männlich."

„Er wird eine weibliche Fae wählen. So wie du einen Fae wählen solltest", fügte er leise hinzu.

Meine Fäuste ballten sich bei dem Gedanken daran, wie er das wahrscheinlich meinte. „Ja. Eine körperliche Vereinigung zu diesem Zweck ist üblich." Bei meiner erschrockenen Miene huschte ein Anflug Schuldbewusstsein über sein Gesicht.

Die Magie in mir begann wütend zu werden, zu brodeln. Darüber, wie schamlos Heela sich ihm anbot. „Es ist bei uns Tradition bei unverheirateten Königen und dem hohen Adel. Mir ist es ebenfalls zuwider." Ich musste mich beherrschen 

Vaughn war am Ende angekommen und schritt zurück zur Mitte. Wieso hat er dich nicht vorgewarnt, flüsterte eine dunkle Stimme. 

Nicht sie, nicht sie, bat ich in die Stille meines Kopfes. Eine Hand umfasste meine und ich sah Coilin dankbar an, der sich so nah an mich stellte, dass niemand unsere ineinander verschränkten Hände sehen konnte. Genau wie Vaughn es gemacht hatte, als er dir gerade über den Rücken gestrichen hat, krächzte die dunkle Stimme.

Tatsächlich blieb Vaughn vor Heela stehen und bot ihr seine Hand an. Mit einem erfreuten Lächeln und einer gezierten Bewegung legte sie ihre Hand in seine. 

Ich schmeckte Galle, nahm den Applaus, der aufbrannte nur im Hintergrund wahr. Meine Kehle wurde eng, so als hätte jemand ein Band um meinen Hals geschlungen und würde es jetzt festziehen. Würde ich noch über die Fähigkeit der Teleportation verfügen, hatte ich sie vermutlich genau jetzt eingesetzt.

Vaughn und Heela traten zur Seite und die Priesterin sah mich auffordernd an. Ich sollte als nächstes wählen. Coilin schob mich vor und drückte noch einmal kräftig meine Hand. 

Mit erhobenem Kopf steuerte ich direkt auf den Wilkie zu. Er war der einzige in der Reihe, alle anderen waren Fae. Ich lächelte ihn an und reichte ihm meine Hand. Er neigte dankbar seinen Kopf und ergriff meine Hand.

Wen die anderen wählten, bekam ich nur am Rande mit. Ich war vollkommen damit beschäftigt ruhig zu bleiben und so auszusehen, als würde mir die gesamte Situation nicht im mindesten etwas ausmachen.

„Schau." Der Wilkie stupste mich an. Er hatte mir seinen Namen gesagt, doch ich hatte ihn gleich wieder vergessen. Er deutete nach oben.

Die Sterne fielen.

Keine Lichtkugel erhellte mehr den Saal. Allein das Licht des Mondes und der Gestirne warf einen Schimmer auf die mondförmigen Anhänger oder die sternförmigen Ringe, die in Haaren oder an der Kleidung befestigt waren. Einige der Bemalungen schimmerten silbern.

Der Vollmond erstrahlte in seiner gesamten Schönheit und um ihn herum hinterließen die Sterne eine Spur aus purem Licht. Sie wanderten weiter, einige fielen, andere suchten sich lediglich einen anderen Platz am Firmament. 

Es war ein Ereignis, dass einen an der Bedeutung der eigenen Existenz zweifeln ließ. Nichts war so ursprünglich, so großartig, wie die Magie dieser Sterne.

Eine halbe Ewigkeit nachdem das Licht der Sterne verblasst war, erwachten die ersten aus ihrer ehrfürchtigen Starre. Erst jetzt traute ich mich zu blinzeln und meinte bei genauem Hinsehen die Form eines Drachenkopfes aus der Formation der Sterne erkennen zu können.

„Zeit zu gehen? Und bevor du fragen musst, ich heiße Livian. Und nein, ich nehme es dir nicht übel, dass du meinen Namen keine einzige Sekunde behalten hast." Seine senkrechten Pupillen funkelten amüsiert.

„Na, da bin ich aber froh", antwortete ich und war überrascht von der Leichtigkeit in meiner Stimme. „Ja, lass uns gehen." Wir wandten uns dem Ausgang zu, wo mir sogleich Heelas Grinsen entgegen strahlte. Sie klammerte sich an Vaughns Schulter und zwinkerte mir zu, bevor sie Vaughn etwas zuflüsterte und ihn auf den Ausgang zuschob.

Als Livian und ich das Schloss verlassen hatten, blieb ich stehen und sah ihn an. „Ich werde es nicht tun", teilte ich ihm mit und trat einen Schritt zurück. Er betrachtete mich gründlich und brach dann in schallendes Gelächter aus.

„Ach, Arabella. Das wusste ich doch vom ersten Blick an. Ich dachte wir gehen auf ein Fest in der Stadt." Wieder begann er zu lachen, während ich noch immer perplex den Kopf schüttelte.

„Dann ist es doch nicht so, wie ich gedacht habe?", fragte ich leise.

Er wurde schlagartig wieder ernst. „Doch. Die meisten nehmen dieses Angebot der körperlichen Vereinigung um die eigene Magie zu stärken an. Es ist ein überaus lustvoller Akt, der sehr zu genießen ist." Ich unterbrach ihn abrupt und er verstand. „Aber vor allem werden den Auserwählten einige Vorteile im und außerhalb des Palastes verschafft, die ich sehr zu schätzen gelernt habe."

„Verstehe. Also war dein Verhalten pure Berechnung", stellte ich fest.

Nun wurde seine Miene für einen kurzen Moment unsicher. „Wenn du es so sagst..."

Jetzt entschlüpfte mir ein kleines Lachen. „Das war mehr Anerkennung als ein Vorwurf, Livian. Lass uns auf dieses Fest gehen."

„Sehr gerne. Folgt mir."

The Lost PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt