Kapitel 18

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Das Knistern eines Schutzzaubers erfüllte die Luft. Ich versteifte mich und spürte Villains musternden Blick. Ob er sah, dass ich mich in die Ecke gedrängt fühlte?

„Wenn etwas von dem, was ich erzähle diese Hütte verlässt, werde ich Euch finden. Egal, wo ihr seid. Egal, wann ihr es tut. Ich werde euch finden und alles andere wird dann keine Rolle mehr spielen." Mein Ton dabei war nicht einmal besonders kalt. Ich sagte das ohne besondere Betonung, maß dem keinen weiteren Wert zu. Doch trotzdem wusste ich, dass sie merkten, wie ernst es mir damit war. Villain erklärte sich einverstanden und auch Coilin nickte zustimmend.

„Ehrlich gesagt, weiß ich weder, wie ich es beschreiben soll, noch was eigentlich genau passiert ist." Ich senkte den Blick auf meine Hände, eine umklammerte krampfhaft das Handgelenk der anderen. „Kurz nach meinem zehnten Geburtstag starb meine Mutter. Sie war keine besonders mächtige Fae. Sie wurde wegen ihrem alten Blut und ihrer Schönheit zur Königin erwählt. Nicht wegen ihrem Herzen oder ihrer Raffinesse. Sie hat mir früh gezeigt, wie man eine Mauer in seinem Geist baut. Sie hat mich gelehrt, Menschen und Tiere als Lebewesen wahrzunehmen. Sie hat alles getan, um mir eine schöne Kindheit zu ermöglichen."

Mein pochender Herzschlag drang durch den Raum, doch ich verhüllte ihn nicht. Nicht das ich mich verletzlich zeigen wollte, aber ich musste ihr Vertrauen gewinnen. „Ich habe erst im Nachhinein erkannt, was sie alles für mich geopfert hat." Ich seufzte und richtete den Blick zur Decke. Ich hatte noch nie so über sie gesprochen. Gänsehaut überfiel mich bei dem Gedanken. „Nachdem sie starb, erkannte er mein Potenzial. Er war fasziniert von meiner geistigen Stärke. Angetan von meiner störrischen Art und von dem Gedanken mich zu brechen." Aus dem Augenwinkel erkannte ich, wie Villains Hände sich zu Fäusten ballten.

Er schickte eine warme, kaum spürbare, Brise, die mir über den Handrücken strich. „Noch vor meinem elften Geburtstag besaß ich keine Kontrolle mehr über mich. Ich war sein Projekt und als er meinen Geist dann erfolgreich besiegt hatte, wusste er anfangs nichts mehr mit mir anzufangen. Dann fixierte sich eine Idee in seinem Kopf. Durch die Verbindung, die er geschaffen hat, musste ich mit ansehen, wie diese Idee in seinem Kopf Gestalt annahm. Er schickte mich weg. Immer wieder. In die Steinwüste, den verwunschenen Wald, das lebendige Gebirge, in die Drachenschlucht. Mit jeder Rückkehr wuchs sein Erstaunen. Er ließ seinen Hof darauf wetten, ob ich es nächstes Mal wieder zurückschaffen würde." Ich versuchte meine Stimme neutral und fest zu halten.

„Er nahm mir die Kontrolle vollständig, als er mich das erste Mal zu einer Mission schickte, bei der er eine gezielte Intention verfolgte. Alles wozu ich fähig war, wie ein stummer Zuschauer zu zuschauen. Später war ich selbst dazu kaum noch in der Lage. Ich sah nur noch, was er mich sehen ließ. Seine Stimme war das einzige, was ich hörte. Sein Gesicht, das einzige, was ich sah." Ich legte die Hand an meine Wange und wog den Kopf von rechts nach links. Es war als müsste ich mich selbst davon überzeugen, dass ich es noch konnte. Coilin versuchte nicht einmal seine Bestürzung zu verbergen. Doch gerade als er den Mund öffnete, sprach ich schnell weiter. Mitleid oder Mitgefühl war das letzte, was ich brauchte.

„Ich weiß nicht einmal, was ich alles getan habe. Aber das, was ich weiß, reicht aus, um zu wissen, dass keine Bestrafung schlimm genug sein kann. Ich habe so vielen Fae Leid angetan. Meinem eigenen Volk." Meine Stimme brach. „Nicht einmal befreien konnte ich mich selbst. Irgendwie muss meine Mutter es geschafft haben, mir einen Zauber aufzulegen, der mich ab meinem achtzehnten Geburtstag stärker macht. Ich weiß nicht, wie. Aber wenn sie es nicht getan hätte, wäre ich noch immer..." Ihre Worte hingen in der Luft.

Die Handgelenke aufeinander gepresst, fuhr ich fort. „Es waren aber nicht nur Taten gegenüber anderen. Er wollte mein ganzes Wesen zerstören und nach seinem Belieben verändern. Schon als Kind habe ich mich entschieden kein Fleisch zu essen. Unter Menschen ist das oft der Fall, teilweise aber nur, weil keine Münzen für Fleisch übrig waren. Aber bei uns am Hof galt das als falsch. Mein Vater hat mich spüren lassen, was er von dieser Entscheidung hielt." Mit Mühe gelang es mir das aufsteigende Würgen zu unterdrücken. „Denkt euch euren Teil, aber ihr müsst dazu jetzt nichts sagen. Ich war ehrlich zu euch. Jetzt, Villain, bist du dran." Mit einem auffordernden Nicken nahm ich meine Tasse wieder in die Hand und lehnte mich in die weichen Polster zurück. Villains Blick brannte sich in meinen, als ich das erste Mal den offenen Blickkontakt bewusst zuließ. 

„Ich habe so gehofft, dass das nicht du warst." 

Ich wandte den Blick ab. „Tut mir leid dich enttäuschen zu müssen." Wieder strich eine sanfte Brise über meinen Handrücken. 

„Aber das hast du doch nicht. Belle, du warst das nicht." Ich zuckte so sichtbar zusammen, dass Coilin sich alarmiert aufrichtete und von mir zu Villain sah. 

„Villain, du verstehst das nicht. Ich war das. Meine Hand. Mein Schwert. Ich diskutiere das nicht weiter." Mit einer Miene, die die Endgültigkeit meiner Worte unterstrich, nippte ich an meinem Tee und blinzelte die aufsteigenden Tränen weg, bevor einer der beiden sie sehen konnte. 

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Eher Nachteule oder Frühaufsteher?✨

Normalerweise bin ich keines von beiden, aber heute auf jeden Fall eine Nachteule 🦉❤️

The Lost PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt