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„Ahhh verdammte Scheiße!"

„Jetzt haben Sie sich nicht so."

Die Schwester stemmte ihre Hände in die Hüften und sah den Arzt genervt an. Mika hielt wie ein kleines Kind schützend die Hände vors Gesicht und mir lief erneut ein eisiger Schauer über den Rücken. Nicht weil mich der Anblick von Blut schockierte, sondern einfach nur weil ich müde, erschöpft und bis auf die Knochen durchgefroren war.

„Herr Schwarzfischer reißen sie sich zusammen! Wir können sie auch entlassen, ohne ihre Nase zu richten, wir machen das hier auch nicht aus Spaß."

„Schwester Silvia!" Zischte der Arzt der Schwester zu, doch diese hatte sich bereits in Rage geredet.

„Nein Herr Doktor. Genau das meinte ich vorhin. Dafür habe ich nicht drei Jahre gelernt und schlage mir hier die Nächste um die Ohren. Nicht dafür! Nicht dafür, dass solche verwöhnten Schnösel, die alkoholisiert nicht ihre Leben in den Griff bekommen um Mitternacht hier auftauchen mit ihren Wehwehchen und wir strammstehen müssen!"

Mir stand der Mund offen, dem jungen und hageren Arzt ebenso, doch Schwester Silvia warf unberührt den Tupfer beiseite und griff routiniert nach einer kleinen Ampulle und brach sie auf.

„Na schön, wollen wir es nochmal versuchen?" Fragte der Arzt peinlich berührt und ich griff nach Mikas Hand und drückte fest zu. Innerlich war ich mit meinen Gedanken völlig woanders, selbst in dieser penetranten Situation. Wir waren vor wenigen Minuten mit Blaulicht und Martinshorn in die Notaufnahme gefahren und sofort in diesen kleinen Behandlungsraum gebracht wurden.

Mittlerweile hatte Silvia es sicherlich bereut, uns nicht in einem schallgeschützteren Raum manövriert zu haben, denn Mikas Schreie waren wirklich beängstigend laut.

Die armen Leute im Wartezimmer dachten Sicherlich hier wurde ohne Betäubung am offenen Herzen operiert, anstatt eine Nase wieder geradegerückt. Der Arzt zog sich frische Handschuhe über und trat wieder an Mika ran, der mit zusammengepressten Augen ihm sein Gesicht entgegenstreckte.

„Also schön, auf drei, bereit?"

Das Geräusch, als Knorpel über Knorpel rieb würde ich vermutlich nicht so schnell vergessen. Und auch Mikas geweitete Augen zeugten davon, dass er wohl noch längerfristig von diesem Ereignis traumatisiert sein würde. Während die Schwester begann Mikas Nase zu desinfizieren und zu verbinden, hatte der Arzt sich bereits wieder aus den Handschuhen befreit und klopfte dem aschfahlen Mika auf die Schulter, bevor er den Raum verließ.

„Na, so schlimm war es doch gar nicht."

Ich lächelte ihn dankbar an. Silvia klemmte sich unterdessen ein Handy unters Ohr und wickelte dann ein Streifen Pflaster von der Rolle.

„Hör mal Anke, hast du noch ein Bett frei?.... nee männlich.... Aha, hmmm... ja so gegen eins, ich schaffe es nicht früher, muss noch im Schockraum Klarschiff machen und der kann warten.... Na rate mal.. nee, Verdacht auf Nasenbeinfraktur.... Aha, ja das habe ich auch gedacht...jaja, gut bis dann."

Ich fragte mich ob die Frau den richtigen Beruf gewählt hatte oder heute einfach ein Scheißtag für sie war, aber wirklich übel konnte ich ihr ihre Abneigung auch nicht nehmen. Immerhin war unser Besuch hier ja wirklich unnötig und wenn ich hier Nachts arbeiten müsste, wäre ich vielleicht auch nicht zuckersüß zu allen.

Andererseits, ein wenig mehr Professionalität wäre wohl angemessen.
Zumindest bei jemanden wie Mika.

Oder besser: bei jemanden mit diesem Elternhaus- aber das konnte sie ja nicht wissen.
Außerdem wirkte Mika viel zu fertig mit der Welt, um gerade empört oder wütend sein zu können. Silvia erklärte und noch kurz, dass Mika mindestens über Nacht bleiben müsste und dass das Lidokain seine betäubende Wirkung erst in der nächsten Stunde langsam verlieren würde.
Armer Mika.

AuroraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt