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„Sag mal hast du sie noch alle?"

Wütend klatschte ich meine Tasche auf das Lehrerpult und funkelte Henry böse an. Wie konnte er nur so verdammt unverschämt sein. Alleine wie er so lässig dastand, den Rücken gegen die Tafel gelehnt, die Arme locker vor der Brust verschränkt. Als wäre er gerade eben nicht das größte Arschloch dieser Erde gewesen.

„Was meinst du?"

Ich zog eine Braue nach oben. Das war ein weiterer blöder Scherz, anders konnte ich mir sein Verhalten nicht erklären. Meine Stimme triefte nur so vor Ironie und es wühlte mich innerlich noch mehr auf zu wissen, dass er die Situation scheinbar auf die leichte Schulter nahm.

„Hmm lass mich überlegen. Wie wäre es mit der Tatsache, dass alle Anwesenden aufgefallen sein muss, dass zwischen uns was gelaufen ist?"

„Übertreibst du nicht?"

„Ich habe mit meinem Lehrer gefickt, er findet das scheinbar lustig und ich übertreibe?"

Henry richtete sich auf und kam auf ich zu. Fast schon instinktiv warf ich einen Blick zu der Tür des Hörsaals, aber alle hatten den Raum verlassen. Als ich mich wieder ihm zuwandte, stand er direkt vor mir.

„Ich bin nicht dein Lehrer, du bekommst von mir keine Bewertungen. Außerdem ist diese Überraschung hier nicht meine Schuld."

Ungläubig starrte ich ihn an und wusste nicht, ob ich auflachen, oder ihm eine Ohrfeige verpassen sollte. Die Situation war einfach zu abstrakt und jetzt unterstellte er auch noch mir, dass ich dafür verantwortlich war.

„Wer wollte denn keinen Smalltalk, oder sonst etwas von sich erzählen? Wer ist denn am nächsten Morgen einfach so verschwunden, so dass ich nicht mal die Chance hatte, dir zu zeigen was ich mache? Na, wer hat ein wenig überfürsorglich gehandelt Aurora?"

Er betonte diesen Namen, nicht ohne einen gewissen Spott in der Stimme und ich starrte ihn nur ungläubig an. Als ob ich hätte ahnen können, dass so etwas passiert. Ich schüttelte den Kopf und wandte mich von ihm ab.

Das brachte doch alles nichts. Er verstand mich nicht und selbst unterschätzte er die Situation. Ich war kein Spielzeug, welches man einfach so vorführen durfte. Ich hob meine Tasche und warf sie mir über die Schulter.

Besser war es jetzt einfach zu gehen und zu hoffen, dass er den Spaß daran verlieren würde, mich vorzuführen. Es waren ja nur ein paar Tage, die er hier unterrichtete.

Doch noch bevor ich meinen Fuß auf die erste Stufe gesetzt hatte, griff Henry meinen Oberarm und wirbelte mich ruckartig herum, so dass ich beinahe in seine Arme fiel. Dann legte er unsanft eine Hand auf meinen Hinterkopf und zog mich zu sich heran.

„Egal was du jetzt tust, es ändert nichts an dem was zwischen uns war. Und wenn du ehrlich zu dir bist, bereust du es auch nicht mit mir geschlafen zu haben."

Ich legte meine Hände auf seine harte Brust und versuchte mich von ihm wegzudrücken, doch ohne Erfolg. Ich verzog schmerzerfüllt das Gesicht, als er seine Hände in meine Haare krallte und mir jeglichen Bewegungsfreiraum nahmen.

„Gut ich werde dich für ein paar Wochen unterrichten, aber was ändert das schon? Ich will dich, immer noch und dir geht es nicht anders!"

Ich wollte widersprechen und das einzig richtige tun. Ihm sagen, dass was auch immer das zwischen uns gewesen war eine einmalige Sache bleiben würde. Dass es mir das nicht wert war um meine Ausbildung aufs Spiel zu setzten, doch ohne zu zögern presste Henry seine Lippen auf meine.

Reflexartig schloss ich meine Augen und öffnete leicht meinen Mund, um seiner Zunge Einlass zu gewähren. Sofort spielten meine Gedanken die Erinnerungen unserer gemeinsamen Nacht runter und ich sehnte mich augenblicklich nach mehr. Sein Körper fühlte sich hart an meinem an, unnachgiebig und beständig.

Wo er doch schuld an diesem Chaos war.

Es kostete mich verdammt viel Selbstbeherrschung ihn schließlich von mir zu schieben und ihn böse anzufunkeln. Wie konnte ein Mensch nur so eine große Anziehungskraft auf mich haben. Henry blickte irritiert auf mich hinab.

„Nicht hier."

„Das ist kein nein!"

Seufzend schüttelte ich den Kopf. Henry wusste nur zu gut, was er für eine Wirkung auf mich hatte. Er musste doch merken wie unregelmäßig mein Atem ging und wie gierig ich seinen Körper musterte. Ich hatte wirklich den Verstand verloren, wenn ich mich gerade förmlich dazu bereiterklärte mich erneut auf ihn einzulassen.

„Hör auf so viel nachzudenken. Entweder du sagst mir jetzt, dass du mich nicht mehr in deiner Nähe haben willst, oder ich ziehe meine eigenen Schlüsse Aurora."

Und ich konnte es nicht. Ich konnte Henry nicht in die Augen sehen und sagen, dass ich nicht mehr wollte. Frustriert seufzte ich auf und versuchte ihm mit Blicken zu verstehen zu geben, dass das nichts zu bedeuten hatte.

„Bis wann hast du Unterricht?"

„Bis 14 Uhr, aber ich kann auch eine Vorlesung ausfallen lassen."

„Kommt nicht in Frage. Komm einfach heute Nachmittag zu mir, wenn du fertig bist."

Ich beließ es dabei und hastete aus dem Raum. Schwer atmend schritt ich den großen Gang zum Hörsaal lang und begann mich innerlich schon für meine Schwäche zu hassen. Ich konnte förmlich spüren, wie das alles nach hinten los gehen würde.

Aber ich war zu schwach, als dass ich ihm widerstehen hätte können.

🌟👈😉

AuroraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt