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Sub/Bottom ( für unten) bezeichnet im BDSM eine Person, die für die Dauer einer Spielszene (Session) oder innerhalb einer Beziehung die passive oder unterwürfige Rolle einnimmt. Die andere Person wird Top genannt. Sowohl Bottom als auch Top können männlich oder weiblich sein; der Begriff sagt nur etwas über die gewählte Rolle aus...

„Erde an Alex, ich versuche ein Gespräch mit dir zu führen, was echt nahezu unmöglich ist, wenn du die ganze Zeit auf dein Handy starrst."

Mika schaute mich vorwurfsvoll an und mit einem Seufzen ließ ich mein Handy in meiner schwarzen Tasche verschwinden. Ich verstand ihn ja, aber meine Fingerspitzen kribbelten förmlich bei dem Gedanken jeden Artikel, welchen es im Internet über Subs, Reitgerten und Sessions gab zu durchforsten, um mehr über Henrys Leidenschaft zu erfahren.

„Tut mir leid."

„Was ist nur heute los mit dir? Du siehst fertig aus, und damit meine ich nicht übermüdet."

Ich zog eine Augenbraue hoch, doch insgeheim wusste ich genau was mein Kumpel meinte. Ich hatte den kompletten Abend damit verbracht mir den Kopf zu zerbrechen. Als ich endlich auf die schlaue Idee gekommen war und angefangen habe zu recherchieren, war es schon nach Mitternacht.

Für mich ergaben sich langsam ein paar Zusammenhänge, welche das was wir getan hatten in einem völlig neuen Licht dastehen ließen. Alleine diese kniende Position, welche ich vor ihn eingenommen hatte, nannte man wohl Nadu.

Alles hatte eine bestimmte Bedeutung gehabt.

Wenn ich im Nachhinein nur daran dachte, breitete sich ein Kribbeln in mir aus und dennoch machte es mir Angst. Was für mich wirkte wie ein abgefahrenes Spiel, schien eine komplette Szene auszumachen. Und je mehr ich mich informierte, umso mehr verwirrten mich Begriffe, Sitten und Formen von Sessions.

„Was ist passiert?"

Ich zuckte mit den Schultern, doch wie immer ließ Mika nicht locker. Seufzend erwiderte ich seinen Blick und versuchte ein paar passende Worte in meinem Kopf zurecht zu legen.

„Naja, erinnert du dich an den Typen in der Bar. Nachdem wir getanzt hatten, haben wir was getrunken und..."

„Und du hast mit ihm geschlafen!"

Ich konnte den Tadel in seiner Stimme nur mit viel Mühe überhören. Ich schloss meine Augen und nickte. Das mit Henry war nicht mein erster One Night Stand gewesen und bis jetzt hatte ich Mika von jedem einzelnen erzählt.

„Und danach haben wir uns nochmal getroffen und es war so... anders."

Und scheinbar unterrichtet er nun an unserer Fachhochschule, was mich total aus der Bahn geworfen hat.

Aber dies verschwieg ich, ebenso wie der Tatsache, dass Henry offensichtlich ein Dom war. Ein Mann, welcher es genoss, über einen anderen Menschen die Kontrolle zu haben, ihn in gewisser Weise zu dominieren.

Und das hatte er.

„Können wir bitte über etwas anderes reden?"

Ich sah Mika flehend an.

„Klar, aber wir müssen so oder so langsam los. Es ist gleich um."

Wir erhoben uns und griffen nach unseren Jacken, welche wir als provisorische Picknickdecken verwendet hatten, um keine ätzenden Grasflecken auf unserer Kleindung davon tragen zu müssen. In der lauen Morgensonne war es gerade so warm genug ohne Jacke gewesen.

Wir passierten den Campus und eilten die Stufen zum Hauteingang hoch. Ich hasste Zeitdruck, besonders wenn es unnötig war sich zu stressen, aber für Mika waren fünf Minuten vor Beginn einer Vorlesung schon ein Zuspätkommen.

Im schnellen Laufschritt merkte ich gar nicht, wie ich versehentlich mit meiner Schulter etwas, oder jemanden rammte. Alarmiert drehte ich mich um und zuckte zusammen, als ich den strengen Blick der Frau mir gegenüber registrierte. Sie hielt ihren Arm, obwohl der Stoß nicht doll gewesen sein musste.

„Tut mir leid, ich wollte dir nicht weh tun."

Ein Schnauben verließ ihren Mund und sie warf ihre braunen Haare über die Schulter. Sie war ein paar Zentimeter größer als ich und roch unangenehm nach einem viel zu blumigen Eau de Toilette.

„Ein wenig Respekt junges Fräulein, ich bin keine Studentin. So ein Verhalten verbiete ich mir, aber wenn ich mir sie so anschaue."

Abwertend wanderte ihr Blick über mein einfaches Shirt und meine Jeans, deren große Löcher einzelne Stellen meiner Haut freilegten. Tatsächlich war diese Hose schon älter als mein jüngster Bruder und die Löcher hatten mit der Zeit den Stoff verunstaltet.

Um es zumindest ein wenig gewollt aussehen zu lassen, hatte ich ein paar mehr reingeschnitten, was scheinbar nicht die beste Idee gewesen war. Aber ich liebte diese Hose trotzdem und der abwertende Blick der Frau gefiel mir überhaupt nicht.

„Wissen Sie, ihre schlampige Art wird hier noch gerade so geduldet, aber wenn Sie erstmal aus der Uni rauskommen, kommen Sie nicht mehr nur durch gespreizte Beine weiter."

Fassungslos starrte ich sie an und ich konnte spüren, wie Mika mich versucht wegzuziehen, aber ich schäumte nur so vor Wut. Wie konnte sich ein Mensch nur so einen Kommentar erlauben. Und das, obwohl sie mich nicht mal kannte. Ich ballte meine Hände zu Fäusten.

„Ich persönlich habe euch Gören ja nie verstanden. Alleine schon diese gefärbten Haare sind ja sowas von peinlich."

Ich musste schmunzeln, trotz meines wachsenden Missmutes. Wenn diese Frau eine Lehrkraft war, betete ich dafür, sie niemals vor mir im Hörsaal stehen zu haben. Solche Menschen konnte ich für gewöhnlich nur mit viel Alkohol ertragen.

„Sie finden das also lustig?"

„Nun, wissen sie ich habe noch nie in meinem Leben Haare gefärbt, aber ja: Vorurteile amüsieren mich, besonders wenn man mit ihnen völlig daneben liegt. Aber wenn ich mir Sie so anschaue..."

Ich betonte die Worte, mit welchen sie mir vor Sekunden noch abfällig tituliert hatte und nun war es mein Blick, welcher musternd über ihre cremefarbene Bluse und über den Kurtrock glitt.

„Ich schätze Sie hatten nie sonderlich viel mit Menschen zu tun. Also ficken Sie sich doch."

Ich zwinkerte ihr noch überlegen zu, bevor ich Mika am Arm packte und ihn hinter mir herzog. Wiederwillig folgte er mir.

„Was sollte das denn gerade Alex?"

„Ich war einfach nur genauso unfreundlich wie sie. Weißt du wer das war?"

Er schnaubte und Fassungslosigkeit schwang in seiner Stimme mit.

„Das war Veronika Geiz."

Ich schnappte nach Luft und Entsetzten machte sich in mir breit, als die Zahnrädchen in meinem Kopf zu rattern anfingen.

„Doch nicht etwa Geiz wie Herr..."

„Doch verdammt. Sie ist die Tochter des Direktors und wird vermutlich sein Nachfolger. Bis dahin unterrichtet sie zwar nur die Erstis, aber trotzdem war das gerade alles andere als diplomatisch geschickt Alex. Du musst aufhören so impulsiv zu sein."

AuroraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt