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„Alter Mika, wirklich gar keine Ahnung!"

Ich überflog ein zweites mal die Weinkarte, aber bis auf die Preise fiel mir nichts Außerordentliches auf. Ich mochte generell Wein, aber meine Preisrange war eher das mittlere Drittel des Weinregals im Supermarkt und nicht ein Weinkeller, in welchem der Wein vermutlich so viel Wert war wie mein kleines Auto.

Wir hätten an sich auch einen der Tische im hinteren Bereich des Nobelrestaurants wählen können, aber Mika hatte auf einen Sitz an der Bar mit Blick über das komplette Restaurant bestanden. Obwohl der Begriff „Bar" irreführend war. Selbst die Barhocker hier waren bequem und zeugten von Luxus. Ich lehnte mich an die kleine und dennoch gemütlich gepolsterte Lehne und überschlug meine Beine, bevor ich die nächste Seite aufschlug.

„Soll ich etwas aussuchen, oder willst du gleich Cocktails?"

Ich zuckte mit den Schultern. Mir wäre ein Mojito um Welten lieber gewesen als ein halbtrockener 2011er Riesling Cuvee, welcher laut Karte ein betörendes Aroma von Apfelsäure und Pfirsich aufwies und demnach wundervoll die Empfehlung des Küchenchefs, geschmorte Kalbsbrise auf jungen Safran-Knollengemüse, abrunden würde. Aber Mika zu Liebe hielt ich mich zurück. Ich wusste, dass er einen guten Wein sehr schätzte.

„Nein nein, alles gut. Wenn du denkst, dass etwas hier besonders ist, können wir natürlich Wein trinken. Aber ich wäre eher für einen Weißen, oder Rose."

Hauptsache Alkohol!

Ein junger Kellner näherte sich und lächelte uns höflich an. Er wirkte so, als wäre er in etwa in unserem Alter und hatte einen strohblonden Schopf.

„Willkommen im Heritage. Mein Name ist Tristan, was darf ich dem jungen Paar bringen?"

Mika schlug die Weinkarte demonstrativ zu und ich beschloss Tristan nicht zu korrigieren. Mika und ich wurden des Öfteren für ein Pärchen gehalten, aber wir stellten das selten richtig hin. Früher hatten wir uns sogar einen regelrechten Spaß aus diesem Irrglauben gemacht gehabt.

„Den Chardonnay bitte, aber keine ganze Flasche. Ist der auch im Ausschank?"

Tristan lächelte und machte sich eine kurze Notiz.

„Eine vorzügliche Wahl. Ja ist er, und unmittelbar bevor wir ihn servieren wird er auf 16,4 Grad gekühlt!"

Überrascht zog ich die Augenbraue hoch. Gut zu wissen.
Ich schaffte es oft nicht mal dran zu denken, meinen Wein vor dem Trinken in den Kühlschrank zu stellen. Stattdessen griff ich oft genug auf die ich-mache-ein-paar-Eiswürfel-rein-und-habe-dann-Weinschorle-Methode zurück!

Tja, das hier war halt eine andere Liga!
Nicht meine Liga!

„Gut zu wissen, denn alles drüber wäre inakzeptabel gewesen!" Scherzte ich. Aber auch wenn Mika nicht lachte, grinste Tristan. Ich griff nach der Weinkarte und fächerte mir damit Luft zu. Vielleicht hätte ich doch versuchen sollen, die blauen Flecken auf meinem Rücken zu überdecken und dafür ein weniger bedecktes und warmes Kleid anziehen sollen.

Unser Kellner drehte sich und trat den Rückweg in die Küche an und mein Blick richtete sich wieder auf Mika. Er hatte sich ebenfalls zurückgelehnt und sah mich mit einem merkwürdig nachdenklichen Blick an. Irgendwas war da noch, das konnte ich spüren. Es gab etwas, was er mir offensichtlich verschwieg, was ihn aber dennoch beschäftigte.

Hoffentlich war er nicht nach wie vor sauer auf mich...

Irgendwie schien es generell in meinem Umfeld fast schon eine Gewohnheit geworden zu sein, Probleme nicht mehr direkt mit mir zu besprechen, sie aber dennoch mich spüren zu lassen. Frustriert warf ich einen Blick über meine Schulter. Es wollte einfach nicht dunkel draußen werde.

AuroraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt