76◇

2.7K 146 19
                                    

Mika POV

Ich hatte mich bereits dran gewöhnt, Alex spitze Kommentare während den Vorlesungen schmerzlich zu vermissen. Ohne sie schien die Zeit nur halb so schnell zu vergehen und ich ließ gedankenverloren den Deckel meines Piemont Kugelschreiber auf und wieder zu schnappen. Sie hatte mir eine kurze Entschuldigung abgetippt, welche aber weder den Grund ihrer Abwesenheit verriet, noch dieses unangenehme dumpfe Gefühl in mir zu stillen vermochte.

Sie ist meine beste Freundin!

Wie ein Mantra hatte ich mir diesen simplen Satz in den letzten Wochen immer wieder vor Augen geführt. Unsere Freundschaft würde sich doch nicht so einfach entkräften lassen, dafür kannten wir uns schon zu lange zu gut. Aber alleine für einen stillen Beobachter war die Situation eindeutig. Ein Typ sitzt mit zwei Starbugkaffees alleine und mit gekränktem Gesichtsausdruck da.

Ich bin ihr nicht egal!

Aber irgendwie schien trotzdem etwas zwischen uns zu stehen. Es war, als hätte sich ein großer Keil zwischen unsere beiden Leben geschoben.

Kein Keil! Ein anderer Typ.

Und wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst war und einen kurzen Blick hinter die noble Fassade des braven und wohl erzogenen Jungen warf, war es nicht die Angst um unsere Freundschaft, welche mich innerlich zum Kochen brachte.

Nein! Es war etwas viel Düsteres als das. Etwas was schon lange über Eifersucht hinaus ging. Ich vergrub meine Hände in meinen dicken Locken und ließ das komplette Gewicht meines Kopfes so auf meine Arme sacken. Der Hörsaal war nicht mal ansatzweise voll und ich fragte mich, warum ich das monotone Gebrabbel von Herrn Professor Dr. Reichardt über das Wesen des Deutschen und europäischen Umwelt- und Planungsrechts über mich ergehen ließ.

Schlimmer als das hier war nur noch das öffentliche Wirtschaftsrecht. Und das war immerhin nur erträglich gewesen, da Alex immer wieder die Namen von irgendwelchen bekannten Machtmenschen unter die korrupten oder berechnenden Zitate gekritzelt hatte.

Ich musste trotz meiner miesen Stimmung innerlich grinsen, als ich an diese eine Vorlesung dachte, als sie unter dem bekannten Zitat von Jean Paul Getty „Reich ist man erst dann, wenn man sich in seiner Bilanz um einige Millionen Dollar irren kann, ohne das es auffällt." Gettys Namen durchgestrichen hatte und Trump stattdessen hingekritzelt hatte.

Tja, das war dann wohl Vergangenheit!

Entnervt warf ich einen weiteren Blick auf mein Handy, welches ich neben meinen Block platziert hatte, doch das Display blieb schwarz. Ein bitterer Geschmack legte sich in meinen Mund bei den Gedanken an den einzigen logischen Grund warum sie nicht hier war.

Sie war bei ihm!

Als der Professor endlich seinen Vortrag beendete, natürlich nicht ohne ein paar Anekdoten aus seinem Leben zum Besten zu geben und sich selbst zu inszenieren, raffte ich mich auf und nahm einen großen Schluck von dem mittlerweile kalt gewordenen Kaffee. Angewidert verzog ich das Gesicht als der meiner Meinung nach völlig übersüßte Cappuccino meine Kehle runterrann.

Wie konnte man Kaffee nur so übersüßt trinken?

Kopfschüttelnd verließ ich den Hörsaal und steuerte auf den Gang den nächst besten Mülleimer an. Doch als ich gerade den Deckel mit meiner freien Hand öffnete, hielt ich jedoch abrupt in meiner Bewegung inne.

„Ich glaube nicht, dass Herr Arndt das heute Abend vergessen sollte Liebling."

Überrascht drehte ich meinen Kopf in die Richtung aus welcher ich die tiefe und beschwichtigende Stimme vernommen hatte. Alleine der Klang von Henrys Nachnamen hatte meine volle Aufmerksamkeit auf sich gezogen und ich schloss langsam den Deckel des Mülleimers.

AuroraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt