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Es ist eine maßlose Untertreibung, wenn ich behaupten würde, ich hätte schlecht geschlafen. Die ganze Nacht über habe ich mich in meinem Bett hin und her gewälzt, bis ich in unruhige Träume geglitten bin, nur um dann von einem Albtraum wieder geweckt zu werden. Um vier Uhr morgens hatte ich dann schlafen aufgegeben. Stattdessen versuche ich, meinen Körper davon zu überzeugen, dass zwei Cappuccino ebenso gut sind wie zwei Stunden Schlaf. Abgesehen davon, dass ich sonst nur selten Kaffee trinke, vertrage ich auch viel Koffein auf einmal eher schlecht. Es macht mich hippelig und demzufolge kann ich mich in der Schule kaum auf den Unterricht konzentrieren.

Die Wirkung meines Energieschubs verklingt jedoch dann doch schneller als erwartet und lässt mich stattdessen angespannt zurück. Mein kompletter Körper steht unter ständiger Alarmbereitschaft, in der Erwartung, dass bald etwas Schlimmes passieren könnte. Doch es passiert rein gar nichts. Ich sollte eigentlich erleichtert sein, doch das Gegenteil ist der Fall. Diese Ungewissheit bringt mich noch um.

Wie in Trance balle ich meine Hände zu Fäusten und spüre dabei, wie sich meine Fingernägel in meine Handinnenflächen bohren, bis ich sie wieder öffne und die Prozedur von vorne beginne.

» Hör auf Helen « mahnt mich leise eine beruhigende Stimme und eine fremde Hand hält mich davon ab, meine Fingernägel wieder in meine Hände zu bohren. Ich blicke auf und begegne den Blick von Levi. Kurz schaut er mich an, bevor seine Aufmerksamkeit auf die roten Abdrücke gezogen werden. Schnell lege ich meine Hand in seine, damit die Male nicht mehr zu sehen sind und lächle entschuldigend.

» Tut mir leid, schlechte Angewohnheit « rede ich mich heraus und Levi seufzt schwer. Ich sehe ihm an, dass er ein schlechtes Gewissen hat. Levi muss es nicht aussprechen, aber ich erahne, dass er sich selbst Vorwürfe macht, mich in die Sache hineingezogen zu haben. Dass ich zusätzlich auch noch beunruhigt bin, was ich unwillentlich durch meine Körpersprache offenbare, macht es für Levi wahrscheinlich auch nicht viel besser. Ich sollte lieber stark sein und Levi unterstützen, so wie es sich für eine zukünftige Luna gehören sollte. Stattdessen fühle ich mich wie eine zusätzliche Last, die ich ihm aufbürde.

Kurz schaue ich mich nach unseren Freunden um. Die Stimmung im Rudel scheint noch bedrückter als gestern zu sein. Wahrscheinlich realisieren wir alle jetzt erst so langsam, wie ernst die Lage ist und welche Konsequenzen nun folgen werden. Selbst Koray hat heute nur halb so viele Scherze gerissen wie sonst üblich, was ein deutliches Zeichen ist, dass es an ihm ebenfalls nicht so leicht vorbeigeht. Unbewusst suchen wir alle einmal mehr die Nähe zueinander und so kommt es auch, dass wir in der Pause eng beieinander sitzen. Werwölfe sind nun mal Rudeltiere.

Mit einem Mal überrollt mich eine Woge der Entschlossenheit und ich straffe unwillkürlich meine Schultern. Ich will mich nicht mehr hinter Levi verstecken, sondern an seiner Seite stehen und das Rudel gemeinsam mit ihm beschützen. Vielleicht habe ich es bis jetzt nicht bemerkt, aber dies scheint meine Bestimmung zu sein.

» Sag mir, wie ich helfen kann « bitte ich Levi stumm in Gedanken und er sieht zu mir. Mir fällt auf, dass unter seinen Augen ungewöhnlich dunkle Ringe sind, die meine eigene Müdigkeit nur allzu gut widerspiegeln. Und obwohl Levi erschöpft wirkt, strahlt seine Haltung immer noch die gleiche Kraft und Stärke aus wie zuvor. Wahrscheinlich ist ihm gar nicht bewusst, was er für eine Wirkung auf uns andere hat. Durch sein unerschütterliches Auftreten gibt er uns wieder die Kraft und Zuversicht zurück, die wir kurz zuvor verloren haben. Wie kann da auch nur irgendwer behaupten, dass er kein großartiger Alpha werden wird?

» Meinetwegen bist du in Gefahr geraten und ich werde sicherlich nicht zulassen, dass das noch einmal passiert. Auch wenn du gerne so tun willst, als wäre nichts, spüre ich sehr wohl, dass es dir zu schaffen macht. Aber egal was auch kommt, ich werde dich beschützen « antwortet er ebenso stumm zurück. Ich schüttle nur merklich meinen Kopf.

Just the moon, you and meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt