Ich fühle mich so, als hätte mir die ganze Welt den Krieg erklärt. Plötzlich aus meinem kleinem Universum raus gerissen, an der Realität den Kopf gestoßen und hart auf der Erde gelandet. Und nun irre ich durch diese Welt und versuche klar zu kommen. Mission Freunde kann ich erst mal hinten anstellen, daran habe ich mich schon verbrannt. Aber wenn etwas schief geht, dann geht alles den Bach hinunter.
Seit geschlagenen fünf Minuten versuche ich dieses Ding, genannt "Einkaufswagen", unfallfrei durch die Supermarktgänge zu manövrieren. Ich mag zwar kein Führerschein haben, aber dumm bin ich ja auch wieder nicht. Es ist absolut unmöglich, elegant durch die Gänge zu schreiten, wenn man ein verbogenes, in sich verflochtenes, angeblich mit funktionierenden Rädern bestattetes Stück Metall vor sich her schieben muss. Deswegen landen die Lebensmittel auch eher unsanft im Wagen, als sie es vielleicht sollten. Doch meine Stimmung ist nun mal schuld daran und Koray ist schuld für meine Stimmung, ganz einfach. Leider besitze ich diese melodramatische Eigenschaft, die sich immer gerne zu meiner aktuellen, miesen Gefühlslage mischt und dann das Chaos perfektioniert, was am Ende dann noch viel schlimmer ist. Mich verfolgt dann immer nur eine Frage: Warum ich? Am liebsten würde ich die nette alte Dame anschreien, dafür dass es meinen Lieblingskäse nicht mehr gibt und sich die ganze Welt gegen mich verschwört, aber mal im Ernst, die Omi kann ja gar nichts dafür. Wütend knirsche ich mit den Zähnen. Wie alt bin ich? Sieben Jahre oder siebzehn? Ich muss mich echt mal zusammenreißen. Ich weigere mich zu glauben, dass ich so eine Dramaqueen bin. Nein, dass bin ich nicht! Mit Arschlöchern kam ich doch sonst auch gut klar. Meine kühle und undurchdringliche Maske hat sie immer in Schach gehalten, doch irgendwie bringt mich dieser Typ aus meiner altbekannten Fassung. Wenn mein Masterplan daraus besteht, wie ein Kleinkind die ganze Zeit beleidigt wegzurennen, wenn sie auch nur in der Nähe sind, dann brauche ich dringend einen neuen. Langsam zweifle ich wirklich an mir selbst. Im Stillen fordere ich mein Gehirn auf, sich etwas Besseres und geniales einfallen zu lassen. Etwas Cooles und Geistreiches, sodass jeder merkt, dass man sich nicht mit mir anlegen sollte. Bin ich ja eigentlich auch, nur bin ich gar nicht spontan und da liegt das Problem. Seufzend biege ich in den letzten Gang ein und Schokolade und Chips finden auch den Weg in meinen mittlerweile gut gefüllten Wagen. Mit zwei großen Papiertüten verlasse ich schließlich den Markt. Kurz bevor ich loslaufe, krame ich nach meinem Handy und wähle die Nummer von meinem Dad. Ungeduldig lausche ich dem regelmäßigen Tuten.
» Geh doch ran, bitte geh ran « murmele ich, obwohl meine Hoffnung mit jeder weiteren Sekunde kleiner wird. Keine Ahnung, wie er das immer schafft, aber er verlegt immer sein Handy und weiß dann nicht mehr, wo es ist.
» Entschuldigung, ich muss wohl gerade beschäftigt sein, hier ist die Mailbox von Dr. Kenneth Wright. Vielleicht versuchen Sie es später nochmal oder ich rufe zurück, wenn ich mein Telefon finde. Ähm... Wiederhören! « erklingt die Stimme meines Dads. Super, jetzt muss ich wohl laufen. So etwas wie Linienbusse gibt es anscheinend nicht oder sie kommen nur aller zwei Stunden oder so. Na ja, ein bisschen Bewegung kann mir nicht schaden, wenn ich mir noch gemerkt habe, wohin ich laufen muss. Google Maps funktioniert zum Glück und schon beginne ich meine Expedition mit dem Namen: „Wie komme ich nach Hause?". Viel Spannendes zu sehen gibt es leider nicht und ein Reihenhaus folgt dem nächsten. Vor mir bilden sich kleine dunkle Flecken auf dem Boden und werden immer dichter. Und ich nasser und nasser. Genervt schau ich nach oben in die dunklen, schweren Regenwolken.
» Dein Ernst? « frage ich den Himmel, aber mir antwortet nur das Geräusch von stärker werdenden Regen. Ich beschleunige meine Schritte und verlasse die Wohnsiedlung. Es ist wirklich wie ausgestorben auf den Straßen, aber wer läuft bei dem Wetter schon draußen herum? Richtig, niemand nur ich. Es dauert wahrscheinlich nicht mehr lange und ich bin komplett nass. Es gibt ja hier nicht mal Busstellenhäuschen, wo man sich drunter stellen könnte! Um meine Kleidung mache ich mir eher weniger Sorgen, sondern eher um die Lebensmittel.
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Just the moon, you and me
Werewolf» Ihr kennt mich doch überhaupt nicht! « fauche ich sie an, doch richte meinen Blick konkret auf ihn. » Fahr die Krallen ein, Kitty. Wir beißen schon nicht « erwidert er lässig und ich schnaube erbost auf. » Spar dir deine dämlichen Spitznamen! Ich...