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Hätte mir mal jemand gesagt, dass ich für die Zukunft meines Rudels kämpfen würde, hätte ich denjenigen ausgelacht. Ich und kämpfen? Wozu? Schon immer habe ich Gewalt und alles was damit zu tun hat verabscheut. Nichts und niemand konnte mich je dazu bringen, meine Probleme mit den Fäusten oder vielmehr mit den Klauen auszutragen. Zwar ist das Kämpfen bei uns Werwölfen auf eine gewisse Weise angeboren, aber es hat mir nie Spaß gemacht. Seitdem ich das Kampftraining abgelehnt habe, durfte ich mir von meinem Vater anhören, dass ich mein Talent verschwenden würde. Mir war es egal gewesen. Denn ich hatte ja einen älteren Bruder, welcher für mich notfalls in die Bresche gesprungen ist. Der fürsorgliche große Bruder, welcher niemals zugelassen hätte, dass mir etwas passiert.

» Du schlägst dich ganz wacker für einen Pazifisten. Die Frage ist nur, wie lange du noch durchhältst « verspottet mich mein Bruder und beobachtet mich aus sicherer Entfernung, während seine willenlose Kampfmaschinen mich attackieren.

Im Moment jedoch würde ich eine Ausnahme meines Grundsatzes machen und Ryan liebend gerne meine Faust ins Gesicht rammen, Pazifist hin oder her. Erstens hat er es verdient und zweitens weiß ich, dass er danach wieder heilen würde. Diese zwei Voraussetzungen treffen allerdings nicht auf die mutierten Werwölfe zu. Sie greifen mich nicht an, weil sie es wollen, sondern weil Ryan es ihnen befiehlt. Sie können nichts dafür, dass mein Bruder sie verwandelt hat. Ich kenne nicht alle von ihnen, aber ich kann mir denken, dass sie zu den Personen zählen, die im Umkreis von Richfield als vermisst gemeldet worden sind. 

Verdammt, das sind quasi noch Welpen! Ich kann sie unmöglich ernsthaft angreifen. Sie verfügen zwar über eine Stärke, welche die von Menschen bei weitem überschreitet, aber sie besitzen keine Heilfähigkeiten so wie ich sie habe. Deswegen halte ich mich bedeckt und gehe in die Defensive, während mich von allen Seiten meine fünf Gegner angreifen. Sie geben mir kaum eine Verschnaufpause und ich hatte Glück, dass ich mich noch rechtzeitig verwandeln konnte, sonst säße ich noch tiefer in der Scheiße fest. Ihre Attacken sind nicht aufeinander abgestimmt und unkoordiniert, was mir allerdings nur einen winzigen Vorteil bringt. Sie verfolgen kein bestimmtes Muster, sodass ich mich immer auf meine Instinkte verlassen muss, von welcher Seite sie als nächstes angreifen. Ich sollte mich also glücklich schätzen, dass ich es hier mir unerfahrenen Welpen zu tun habe. Gegen fünf kampferfahrene Wölfe hätte ich keine Chance.

Einer dieser Mutanten-Wölfe ist Helen und Will gefolgt, bevor ich ihn aufhalten konnte und ich bete innerlich dafür, dass ihnen nichts geschehen ist. Ich könnte mir niemals verzeihen, wenn Helen etwas zugestoßen wäre.

Meine Gedanken schweifen nur für einen Moment ab, doch das reicht einem meiner Angreifer, meine ungeschützte rechte Flanke zu attackieren. Tief vergräbt er seine Reißzähne und vor Schmerz heule ich kurz auf, bis ich es schaffe, ihn wieder abzuschütteln. Mein Fell durchzieht sofort rote Streifen meines eigenen Blutes und ein wütendes Knurren verlässt meine Kehle. Ryan hat Recht, mit dem was er sagt. Ich kann mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, unschuldige Menschen anzugreifen. Alles was ich tue, ist sie hinzuhalten und zu versuchen, sie nicht allzu sehr verletzen. Doch lange wird mir das nicht mehr gelingen. Die Wunde fängt nur langsam an zu heilen und der Schmerz lässt mich bei jeder Bewegung innerlich zusammenzucken. Doch ich kann jetzt noch nicht aufgeben. Ich muss einfach weitermachen. Irgendetwas muss mir doch einfallen, um Ryan aufzuhalten!

» Überfordere dich doch nicht selbst, Levi. Sieh ein, dass du schon bald verloren hast. Du kannst immer noch die Seiten wechseln, weißt du? Glaubst du wirklich auch nur für einen Moment, dass du mich als Alpha übertreffen könntest? Dass du irgendeine Chance hast, um mich zu besiegen? Mach dich nicht lächerlich. « Ryans Stimme so voller Spott und Hohn zu hören, zerreißt mir das Herz. Das ist nicht mein Bruder. Ich hasse diese Person, die mich aus diesen vertrauten, doch zugleich fremden braunen Augen betrachtet. Wie konnte er sich nur so verändern?

Just the moon, you and meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt