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Mit schlurfenden Schritten gehe ich ins Haus und suche nach Dad. In der Küche ist er nicht, deswegen gehe ich weiter ins Wohnzimmer. Im Türrahmen halte ich inne und sehe müde lächelnd meinen Dad an, welcher mit seiner Brille auf der Nase und einem Buch in der Hand eingeschlafen ist. Langsam gehe ich zu ihm und ziehe die heruntergerutschte Decke über seinen Körper. Blinzelnd öffnet er seine Augen und reißt sie auf, als er mich entdeckt.

» Hi Dad « murmle ich zur Begrüßung und schaue zur Seite, während meine Finger mit den Kordeln der Decke spielen. Mein Wutausbrauch von vorhin ist mir jetzt schon ziemlich unangenehm.

» Du bist wieder da « flüstert er mehr zu sich selbst als zu mir, bevor er mich in seine Arme zieht und mich an sich drückt. Langsam lege ich meine Arme auch um ihn und streiche ihm beruhigend über seinen Rücken. Wir lösen unsere Umarmung, sodass wir uns anschauen können.

» Es tut mir leid « sagen wir gleichzeitig und ein schwaches Grinsen huscht über unsere Gesichter. Unsere Taten waren beide ziemlich bescheuert, was nicht anders zu erwarten ist bei Menschen, welche einen Knacks weghaben und noch ordentlich an dem Verlust einer geliebten Person zu knabbern haben. Jedoch können wir uns so einfacher verzeihen.

» Ich wollte dir noch was geben « murmelt Dad und tastet suchend an seinen Hosentaschen. Schließlich erhellt sich sein Gesicht und fischt ein kleines, silbernes Etwas aus einen seiner unzähligen Taschen. Er streckt es mir entgegen, sodass ich meine Hand aufhalte und er es hineinfallen lässt.

» Das ist das einzige, was ich noch retten konnte « erklärt er verlegen und kratzt sich am Hinterkopf. Andächtig streiche ich über die feinen silbernen Kettenglieder und den Anhänger.

» Aber die Kette hat doch Mom gehört « hauche ich fassungslos und kann meinen Blick nicht davon abwenden.

» Sie lag in den glühenden Resten der Kohle und da hab ich sie schnell rausgeholt. Ist wahrscheinlich das einzige was von ihr übrig geblieben ist « stellt er traurig fest und deutet auf den Anhänger. Es ist der Ehering meiner Mom, welchen sie immer als Anhänger an der Kette getragen hatte. Fest schließe ich meine Finger um die Kette und schließe die Augen. Ihr Tod ist jetzt nicht weniger schlimm, aber die Tatsache, dass ich die Kette in Händen halte und sie mich an Mom erinnert, macht es etwas erträglicher. Schwach lächle ich und schaue meinen Dad an.

» Danke Dad « sage ich und küsse ihn auf die Wange. Dabei fällt mein Blick auf seine Hände.

» Bitte sag mir nicht, dass du mit bloßen Händen in die Kohle gefasst hast « keuche ich und starre auf die roten und blasigen Finger.

» Würde ich gerne, aber dann müsste ich lügen « antwortet er verlegen und sofort springe ich auf und hole aus der Küche ein kaltes Tuch, Verband und eine kühlende Heilcreme gegen Verbrennungen. Zurück im Wohnzimmer verarzte ich seine verbrannten Finger, wobei er missmutig das Gesicht verzieht.

» Das ist so typisch für dich, Paps « murmle ich und schüttle meinen Kopf. Zum Glück ist das Ausmaß der Verletzung nicht so groß wie erwartet und ich bin etwas beruhigter, als die Creme aufgetragen und der Verband um seine Finger gewickelt ist. Nachdem ich alles wieder an seinen Platz gestellt habe, verschwinde ich schnell ins Bad um dann möglichst bald ins Bett gehen zu können. Vor dem Badezimmerspiegel lege ich mir die Kette um und betrachte mich im Spiegel. Der Ring liegt unterhalb meines Schlüsselbeins und wieder streichle ich über die Kette. Sie ist wirklich wunderschön.

In meinem Zimmer lasse ich mich auf mein Bett fallen und schließe erschöpft die Augen. Heute war einfach alles zu viel.

Kurz bevor ich wirklich ins Traumreich verschwinde, fällt mir Lavender ein und sofort bin ich wieder hellwach. Schnell schnappe ich mir mein Handy und wähle ihre Nummer. Bei jedem Tuten wird mein Gewissen ein bisschen schlechter, da ich fast meine beste Freundin vergessen habe und kaue nervös auf meiner Unterlippe, in der Hoffnung sie ist noch wach genug für einen Videochat. Die Verbindung kann endlich hergestellt werden und ich blicke in die vertrauten Augen meiner Cousine.

Just the moon, you and meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt