In einem Holzhaus zu schleichen erstellt sich als äußert knifflig. Bei gefühlt jedem zweiten Schritt geben die Dielen oder Stufen unter meinen Füßen ein leises Knarren oder Quietschen von sich. Ich halte sogar die Luft an, weil ich der festen Überzeugung bin, dass ich bestimmt wie ein Asthmatiker gepaart mit Darth Vader hecheln würde. Als ich ungefähr auf der Hälfte der Treppe stehe, stelle ich mal wieder meine eigene Zurechnungsfähigkeit in Frage. Was mache ich hier bitteschön?! Schleiche ich mich gerade ernsthaft aus dem Haus um dann im Wald einen Spaziergang zu unternehmen, der dann bestimmt in einem Desaster endet, weil ich mich verlaufe? Ja ganz genau, das tue ich. Doch ich bin zu stur um jetzt wieder zurückzugehen. Tatsächlich erreiche ich dann auch mal die Haustür, wo zum Glück der Schlüssel steckt. Wäre ja schön blöd, wenn eine Tür mich aufhalten würde nach meinen Ninja-würdigen Schleichen! Schnell husche ich nach draußen, mit dem Schlüssel in der rechten Tasche meiner Cardigan. Draußen beschleunige ich meine Schritte. Ha, ich hab es tatsächlich geschafft!
Erleichtert atme ich die kühle Waldluft ein. Mein Brustkorb fühlt sich nicht mehr so eingeschnürt an. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich in einer neuen, ungewohnten Umgebung bin oder einfach die Trauer noch mich zu sehr belastet, aber ich halte es drinnen nicht mehr aus. Jetzt kann ich nur zu gut den Anfall von meinem Dad verstehen. Doch wie mir ein Schnarchen hinter einer Tür verraten hat, leidet er nicht an Schlaflosigkeit wie ich, hervorgerufen von endlos strömenden Gedankengängen.
Es riecht nach Kiefer und Moos, meine Schritte federn sich leicht vom Boden ab und ich lausche der Nacht. Es ist gar nicht so dunkel, wie ich dachte. Noch kann ich ihn nicht sehen, aber ich bin sicher, dass der Mond über den Baumkronen scheint. Vielleicht finde ich eine Lichtung, aber ich werde immer schön gerade aus gehen, denn sonst verlaufe ich mich wirklich.
Es ist sehr still. Das beunruhigt mich Stadtkind enorm. In der Stadt war immer was los. Hupende Taxis, schreiende Kleinkinder, die ihren Eltern den letzten Penny für Süßigkeiten aus der Tasche ziehen wollten, tratschende Touristen oder auch die wummernden Beats aus den Clubs am Abend. Aber hier scheint es, als würde der Wald jegliche Geräusche verschlucken.
Ich fühle mich ziemlich allein. Nur meine Gedanken und Gefühle begleiten mich durch meine einsame Nachtwanderung. Hoffnungslos seufze ich auf. Natürlich konnten meine Gedanken nicht in meinem Zimmer warten, nein sie belästigen mich auch bei meinem eigentlich entspannten Waldspaziergang. Und als wäre das noch nicht schlimm genug, mischt sich meine durchaus nervenaufreibende Gefühlswelt darunter. Und gemeinsam ergeben sie das perfekte Chaos in mir. Es ist zum verrückt werden! Aber eigentlich fühlt mein blutendes Herz nur vier Gefühle, die sich nicht von mir losreißen können.
Besorgnis, dass mein Dad nicht glücklich werden und ich ihm nicht helfen kann.
Angst, dass er nie wieder so wird wie er früher war.
Trauer, weil ich einen geliebten Menschen verloren habe.
Und Zweifel, dass ein abrupter Umzug wenige Wochen nach dem Tod meiner Mom eine wirklich so gute Idee war. Auch wenn ich immer noch wenig begeistert davon bin, einfach in einen anderen Bundesstaat gezogen zu sein, konnte ich meinen Dad schlecht allein losziehen lassen. Er braucht mich und ich brauche ihn, deswegen fiel mir die Entscheidung, Kartons in die Hand zu nehmen und zu packen, nicht schwer.
Es ist nicht so, dass unsere Familie klein ist; nein, bei weitem nicht. Aber wir haben uns nie großartig mit den ganzen Großtanten und Neffen zweiten Grades abgegeben, weil unser kleines Glück gereicht hat. Aber trotzdem waren alle am Tag der Bestattung dagewesen. Haben Dad und mir, ihr überaus großes Beileid ausgesprochen. Es waren mir einfach zu viele Menschen gewesen. Sie hatten sich nicht so gefühlt, als wäre ein Teil von ihnen herausgerissen worden und dass er obwohl nicht mehr da war, höllisch brannte und pochte. Sie hatten absolut kein Recht gehabt, meinen Dad und mich so am Abgrund stehen zu sehen. Das schlimmste war dann jedoch, als die Paparazzo ankamen und ihre viel zu großen und blendenden Kameras auf mich richteten. Sie streckten sich nach mir aus und hielten mir das Mikrofon hin. Ich werde wahrscheinlich nie wieder ihre Fragen vergessen, die sie mir schreiend zuriefen. » Wie verkraften Sie den Tod Ihrer berühmten Mutter Camila Wright? « »Wie fühlen Sie sich jetzt? « und » War bekannt, dass Sie depressiv war? « hallen in meinem Hinterkopf nach. Die stumme Wut, die ich an diesem Tag auf die ganze, verlogene und falsche Welt gefühlt hatte, konnte ich über meine Tränen zeigen. Ich hatte mich an diesen Monstern vorbei gequetscht, ohne mein verheultes Gesicht zu zeigen und war schnell geflohen. Mehr hatte ich nicht zusammen gebracht. Meine Gedanken quälten mich schon genug.
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Just the moon, you and me
Werewolf» Ihr kennt mich doch überhaupt nicht! « fauche ich sie an, doch richte meinen Blick konkret auf ihn. » Fahr die Krallen ein, Kitty. Wir beißen schon nicht « erwidert er lässig und ich schnaube erbost auf. » Spar dir deine dämlichen Spitznamen! Ich...