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Mit verquollenen Augen tapse ich die Treppe zu unserer Haustür runter. Schnell wische ich mir noch einmal über die Augen. Was wahrscheinlich nicht viel bringt, denn ich sehe bestimmt aus wie eine Mischung aus Panda und Wasserleiche. Kaschieren ist demnach so gut wie unmöglich. Ich öffne die Tür und blickte in die vertraut blauen Augen meiner Cousine Lavender. Vielleicht kann mein Lächeln überzeugen, dass es mir gut geht. Ich ziehe meine Mundwinkel nach oben, doch es fühlt sich absolut falsch an. Wahrscheinlich hätte der Joker es besser hinbekommen als ich mit meinem „Verdammt-ist-das-Leben-sauer-wie-eine-Zitrone-Lächeln". Also auch ein Griff ins Klo, wenn ich den mitleidigen Blick meiner Cousine richtig deute.

» Hallo « versuche ich zu sagen, doch meine Stimme bricht mitten im Wort. Kein Wunder, wenn man gerade die Niagarafälle nachgeahmt hat.
» Ach Süße « murmelt sie und zieht mich in ihre Arme. Beruhigend streicht sie mir über den Kopf und flüstert aufmunterte Worte. Fest kneife ich meine Augen zusammen und stelle mir vor, dass sie es ist, die mich umarmt. Stelle mir vor, dass sie mich tröstet, wie sie es schon immer getan hat. Mein dumpf pochendes Herz reißt wieder auf und es ist erstaunlich, dass ich an dieser Lüge noch nicht verblutet bin. Ich sehne mich so nach meiner Mom, doch sie wird nicht zurückkommen können. Denn ihre Asche wurde über dem Pazifik verstreut.

Unbemerkt haben meine Tränen wieder angefangen zu fließen und Lavender zieht mich sanft in das stille Haus hinein und gemeinsam gehen wir in mein Zimmer, welches nur noch sperrlich eingerichtet ist. Zusammen legen wir uns auf die Matratze. Mein schwarzes Kleid raschelt kurz, welches ich noch von der Beerdigung anhabe und wahrscheinlich wird es fürchterliche Knitter davontragen, doch das ist mir gleichgültig. Ich genieße einfach die Wärme, welche neben mir ausgestrahlt wird und mich wärmt.

» Ihr zieht wirklich morgen weg. Man, ich werde dich so vermissen. « murmelt Lavender nach einiger Zeit einvernehmlicher Stille und ich schlucke. Meine Tränen sind versiegt, da ich wahrscheinlich keine Flüssigkeit in meinem Körper mehr besitze und wahrscheinlich zu einem Kaktus mutiert bin. Jetzt fühle ich mich einfach nur leer.

» Du musst mir ein Gefallen tun « murmele ich nach einer Erwiderung. Misstrauisch und zugleich neugierig beobachtet sie mich. Ich raffe mich zusammen, gehe kurz durch das Haus und komme voll beladen wieder in meinem Zimmer an, wo mich eine leicht verunsicherte Lavender erwartet.

» Sei bitte nicht so panisch. Ich verlange schon keine Sterbebeihilfe oder so « sage ich zynisch, was mit einem bösen Funkeln beantwortet wird. Mein Humor war schon immer sehr schwarz und ich nehme an, dass das meine Strategie zum Überleben ist.

» Also als erstes musst du mit mir dieses Eis vernichten « sage ich gespielt ernst und reiche ihr ein Löffel und einen Becher Ben&Jerries. Sie grinst leicht (wahrscheinlich auch erleichtert) und salutiert mit dem Löffel in der Hand.
» Auftrag wird ausgeführt « schmatzt sie mit vollem Mund und ich lasse mich neben sie fallen, ebenfalls mit Löffel und Becher bewaffnet. Kurz versinken wir in dem himmlischen Genuss von Half Baked Cookie & Brownie Dough, bis Lavender einen Blick über meine Schulter wirft und misstrauisch nachfragt: » Was soll das sein? «

» Das wäre die zweite Sache « entgegne ich nervös. » Bitte bleiche und färbe mir meine Haare « platze ich heraus und sie starrt mich erschrocken an.

» Mach deinen Mund zu, sonst fällt das Eis noch raus und du besabberst dich «

» Aber wieso nur? Deine Haare sind so schön « stottert sie und spielt mit einer Strähne meiner pechschwarzen Haare.
» Sie wachsen doch wieder, ist doch alles gut. Und ich möchte es für sie machen « flüsterte ich zum Ende zu. Es kommen viele neue, teils ungewollte Veränderungen auf mich zu, da macht eine zusätzliche keinen großen Unterschied. 

Just the moon, you and meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt