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Langsam vergeht mir echt die Lust am Laufen. Ich dachte, die Kleinstadt wäre nicht so groß, aber wenn man alles zu Fuß zurücklegen muss, eröffnen sich einem neue Sichtweisen. Und zwar keine guten. Zu allem Übel hat es wieder zu nieseln begonnen und ich bete, dass es nicht noch mehr wird. Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, seitdem ich die Bäckerei verlassen habe, aber ich sehne mich schon wieder sehr nach der Wärme. Die Nässe ist durch meine Kleidung gedrungen und legt sich auf meine Haut, die dadurch mit einer Gänsehaut überzogen ist. Auch wenn es Spätsommer ist, gerade ist mir einfach nur kalt. Die paar Autofahrer, die manchmal an mir vorbeifahren, schauen mich meistens ziemlich befremdlich an, doch ich starre meistens genauso zurück. Mein Motto bleibt „Wie du mir, so ich dir", wirklich ziemlich erwachsen. Aber wer kann es ihnen verübeln? Ich muss bestimmt ein bizarres Bild abgeben. Ein Mädchen mit schwarz weißem Haar, welches sich mit zwei Einkaufstüten im Regen abmüht und dabei einen Schlängellauf einlegt, um nicht in Pfützen zu treten. Das kann ja nur dumm aussehen.

» Kann man dir behilflich sein? « fragt eine Stimme. Der hat mir ja gerade noch gefehlt. Starr blicke ich weiter nach vorn. Vielleicht fährt ja weiter, wenn ich ihn ignoriere. Mein Tag läuft immer mehr den Bach hinunter und ich da brauche nicht unbedingt Zeugen für. Aber natürlich war es mir nicht vergönnt, still und einsam vor mich hinzuleiden. Nein, ich bekomme einen grünäugigen Idioten geschickt, der meine Misere kommentiert. Schöne Scheiße.

» War klar, dass ich von dir nur die kalte Schulter abbekomme. Aber hey, ich nehme, was ich kriege « überlegt er laut vor sich hin, doch ich laufe stur weiter gerade aus. Ich fühle mich bei seinem Monolog definitiv nicht angesprochen. Ich visiere ein Haus mit den roten Backsteinen an, um mich abzulenken. Dabei tue ich so, als hätte ich noch nie eins gesehen und mein vollstes Interesse dem Haus zu schenken und nicht dem Typen neben mir. Warum fährt er verdammt nochmal nicht weiter? Kurz beiße ich mir auf die Zunge. Nein, ich bin voll und ganz bei diesem roten Haus mit den Backsteinen. Ja sie sind rot... und eckig. Wirklich ganz großartig. Wie lange es wohl dauern würde, die Steine zu zählen?

» Helen, du siehst ziemlich nass aus. Ist dir nicht kalt? « fragt er weiter. 23...24...25... zähle ich weiter.

» Ich frag mich, warum du Großstadtpflanze keinen Führerschein hast. Weißt du eigentlich, wie viele Vorteile ein Auto mit sich bringt? Man kommt schnell von A nach B, es ist warm und trocken. Wenn ich dich da jetzt so anschaue, sieht man, dass du dringend mal über eine Investition nachdenken solltest. Sieht nicht gerade gemütlich aus, aber so gefällt mir dein T-Shirt noch ein Stück besser, was meinst... « setzt Koray an, doch meine Geduld hört ab Stein 37 auf. Hätte ich meine Arme frei, würde ich sie jetzt gerne vor der Brust verschränken, damit mir erstens wärmer wird und Koray aufhören würde, mein Brüste anzuglotzen, die durch mein nasses, weißes T-Shirt noch betont werden. Oder ich würde ihm eine scheuern.

» Was ist dein verdammtes Problem? « frage ich ihn und starre ihn wütend an. Wie gedacht sitzt er am Steuer seines Jeeps, das Beifahrerfenster hinunter gekurbelt, während er mit einer Hand lässig das Steuer festhält und sich zu mir beugt. In was für einem Klischee bin ich hier gerade gelandet? Da fehlt es ja nur noch, dass einer von uns anfängt zu singen und schon wären wir in so einem oberflächlichen, kitschigen Teeniefilm. Zum Kotzen.

» Ich formuliere es jetzt einmal nett und freundlich: Würdest du bitte einfach weiterfahren und mich in Ruhe lassen? Ich habe gerade kein Interesse an einer Unterhaltung mit dir « sage ich langsam und deutlich, dabei ringend um meine Contenance. Seine Augen blitzen amüsiert auf und ich bemerke, dass meine Taktik, um ihn loszuwerden, nicht aufgehen wird.

» Autsch, der Korb tat jetzt aber weh. Wie gut, dass ich nicht so leicht aufgebe. Du hast etwas an dir, dass fasziniert und amüsiert mich gleichermaßen « erwidert er und ich starre weiter wütend vor mich hin.

Just the moon, you and meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt