Langsam, aber sicher bin ich wirklich mit den Nerven am Ende. Ich atme einmal tief ein und aus, um ruhig zu bleiben und nicht wie eine Irre alle anzubrüllen.
» Wie oft soll ich es noch sagen? Es geht mir gut! « Ok, meine Stimme klingt selbst in meinen Ohren ziemlich bissig mit einem Hauch von Verzweiflung, aber hey, ich habe es wenigstens versucht und es Fluch-frei hinbekommen. Drei kritische Augenpaare beobachten mich weiterhin.
» Ich weiß nicht so recht. Der Zusammenbruch sah ziemlich ernst aus « murmelt Bloom, doch mein Blick lässt sie erstarren. Ich bin eigentlich ziemlich stolz auf meine Ausstrahlung und dass allein meine Mimik reicht, um Leuten klarzumachen, dass sie besser leise sein sollten, doch bei Bloom fühle ich mich geradezu schlecht.
» Vielleicht solltest du ein Attest beantragen, sodass du dich von meinem Unterricht problemlos befreien kannst « wirft nun auch Mr. Jackson ein. Wütend knirsche ich mit meinen Zähnen. Im Grunde genommen hat er bestimmt einfach keine Lust, jede Sportstunde mit mir zu diskutieren, dass ich mein Nasenpiercing aus „Sicherheitsgründen" rausnehmen soll. Als ob beim Joggen mich ein Ring in meiner Nase behindern würde. Und wenn das nicht der Grund ist, dann hält er mich für eine klapprige alte Omi, die lieber auf einen Rollator zurückgreifen sollte. Die Haarfarbe hätte ich zu mindestens schon auf der einen Seite.
» Es. geht. Mir. Gut! « presse ich die Worte über meine Lippen. Und es nicht mal gelogen. Meine Kopfschmerzen sind weg, mein Schwindelgefühl ist ebenfalls verschwunden und wenn ich jetzt nochmal die Strecke laufen müsste, wäre ich bestimmt in Bestzeit da. Mittlerweile frage ich mich selbst, was da vorhins los war. Sowas ist mir vorher noch nie passiert und ich bin eher verwirrt, als erschöpft.
» Hast du schon vorher Kreislaufprobleme gehabt? « mischt sich jetzt auch noch die Schulkrankenschwester ins Gespräch. Ich balle meine Hände zu Fäusten, um den Drang zu widerstehen, aufzuspringen und sie alle zu schütteln. Ihre besorgten Blicke brennen auf meiner Haut und ich fühle mich hilflos, da sie denken, ich wäre schwach. Das ist echt erniedrigend. Nicht mal eine Woche bin ich hier und alle halten mich bestimmt für eine totale Versagerin. Verzweifelt fahre ich mit beiden Händen durch meine offenen Haare.
» Nein verdammt! Ich bin früher immer joggen gegangen! Fast mehrere Kilometer täglich. Das heute war eine Ausnahme « fauche ich und atme tief durch. » Hören Sie. Mir geht es wirklich gut. Ich bin alt genug, um meine eigenen Grenzen zu kennen und ich würde nicht lügen, wenn es um meine Gesundheit gehen würde. Jeder hat doch mal einen schlechten Tag « fahre ich in einem sanfteren Ton fort. Anscheinend habe ich das richtige gesagt, denn die Mienen glätten sich und schauen nun nachsichtiger. Bedacht wähle ich meine letzten Worte, um diese Sache endlich zu beenden und sie danach für immer aus meinem Gedächtnis zu verbannen.
» Wissen Sie, ich bin noch zu Hause ein bisschen im Umzugsstress « ok, das ist eine Lüge » und ich muss mich erst mal an mein neues Umfeld gewöhnen « und wie ich das musste! » aber das schaffe ich schon, wenn Sie mir die gleichen Chancen geben, wie allen anderen « beende ich meine Erklärung und blicke meinen Sportlehrer an. Ich verschränke meine Arme vor der Brust und beobachte ihn weiter mit festem Blick, bis er schließlich seufzt und einknickt.
» Na gut, Helen. Ich hoffe mal, dass kommt nicht noch einmal vor « Da ist er nicht der einzige. Seufzend springe ich von der Liege auf, schnappe mir meine Tasche, murmle ein schnelles „Tschüss" und verlasse schnellstens die Krankenstation der Schule. Hoffentlich muss ich da nie wieder hin. Die Aktion war gerade einfach nur unnötig, weil alle ein Drama um nichts gemacht haben. Der Zusammenbruch im Wald fühlt sich gar nicht mehr real an, als wäre es nur einer meiner bescheuerten Albträume gewesen. Je weiter ich gehe, desto besser fühle ich mich. Wirklich sehr seltsam.
Die Gänge dieser Schule sind irgendwie so verwinkelt, dass ich mir bei der nächsten Kreuzung nicht mehr sicher bin, wo es zum Ausgang geht, deswegen entscheide ich mich spontan für Links und biege in den Gang ab. Nach ein paar Metern kommt mir immer noch nichts bekannt vor, doch ich gehe einfach weiter bis Stimmen an mein Ohr dringen. Meine Schritte werden langsamer, bis ich schließlich ganz stehen bleibe. Still verfluche ich mich selbst für meine Neugier, doch ich rühre mich nicht vom Fleck und halte angespannt meinen Atem an.
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Just the moon, you and me
Werewolf» Ihr kennt mich doch überhaupt nicht! « fauche ich sie an, doch richte meinen Blick konkret auf ihn. » Fahr die Krallen ein, Kitty. Wir beißen schon nicht « erwidert er lässig und ich schnaube erbost auf. » Spar dir deine dämlichen Spitznamen! Ich...