Als ich müde in den Spiegel im Badezimmer schaue, bestätigt sich mal wieder, wie schlau mein gestriger Waldspaziergang war. Nämlich gar nicht.
Meine Augenringe erinnern an schwarze Löcher. Wenn sie wenigstens die Eigenschaft hätten, Menschen wegzusaugen, wäre es mal cool, aber da das aber nicht funktioniert, sehe ich schlicht und einfach aus wie der Tod höchstpersönlich. Und ich sage euch, der Tod hat eine ganz miese Stimmung. Es kostet mich einfach unnötig viel Nerven und Concealer, um wenigstens ganz normal auszusehen. Ich packe mein Make-up weg, schaue zu meinem Spiegelbild und seufze. Mein Gesicht sieht aus wie eine Maske. Makellos und perfekt. Doch die Traurigkeit in meinen Augen zerstört die Illusion der Gefühlslosigkeit. Langsam ziehe ich die Mundwinkel nach oben. Ich lächle, um zeigen zu können, dass es mir gut geht. Auch wenn es nicht so ist. Alle Gefühle verbanne ich hinter der Maske, die ich mir selbst erschaffen habe. Mein Herz pocht dumpf, so als ob es mir noch beweisen müsste, dass ich nicht viel mehr als eine leere Hülle bin. Mein Gesicht verzieht sich verärgert. Es bringt nichts, mich selbst zu bemitleiden, auch wenn ich weiß, dass ich erbärmlich bin.
Kurz streift mein Blick über die Uhr und deswegen stolpere ich fluchend über ein paar Kartons in mein Zimmer und ziehe wahllos Kleider aus meinem Schrank. Vielleicht sollte ich mir mehr Mühe geben, da ich gestern so viel Zeit investiert hatte, es ordentlich zu machen, aber da fehlt mir jetzt ehrlich gesagt die Lust dazu. Ich werfe mir meinen Rucksack über die Schulter und poltere nach unten. Mein Dad dreht den Kopf und schenkt mir ein fröhliches Lächeln.
» Guten Morgen, Leni-Schatz « sagt er und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
» Morgen Dad. Bis später « entgegne ich und laufe schon in Richtung Haustür, doch er stoppt mich.
» Iss noch etwas bevor du gehst « fordert er mich auf und verwundert lasse ich meine Sneakers mit einem stumpften „Plonk" wieder auf dem Boden fallen. Seufzend kehre ich in die Küche zurück. Ich kenne mich leider noch nicht genug in Richfield aus, um zu wissen, wo der nächste Coffeeshop ist, um noch schnell etwas vor der Schule zu kaufen. Wieder werde ich daran erinnert, dass meine alte Routine keine Verwendung mehr hat und drücke den Hebel beim Toaster hinunter. Erstaunlich ist auch, dass ausgerechnet mein Dad mich daran erinnert, etwas zu essen und nicht ich ihn. Ich lehne mich an die Küchentheke und schaue meinem Dad beim Arbeiten zu. Seine Finger bewegen sich schnell über die Tastatur seines MacBook's und hin und wieder greift er nach einem Stift, um sich weitere Notizen zu machen. Seine Brille steckt in seinem zerzausten Haaren und er trägt immer noch seinen Pyjama. Ein kleines Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen. Gut zu wissen, dass sich nicht alles ändert. Das Toast hinter mir springt nach oben und ich zucke schreckhaft zusammen. Gott im Himmel, es ist nur Brot, wieso erschrecke ich da so? Da ich eigentlich gar keinen Hunger habe, belege ich die zwei Scheiben und verstaue es in einer Papiertüte.
» Bis später « rufe ich meinem Dad winkend zu und er winkt ohne von seinen Notizen aufzuschauen zurück. Ich trete nach draußen und atme die frische Waldluft ein. Tatsächlich gewöhne ich mich langsam daran, ohne Abgase und Lärm zu leben, auch wenn es noch seltsam ist. Die angebliche Stille wird von einem brummenden Motor unterbrochen und verwirrt suche ich nach dem Auto. Meine Augen verengen sich zu Schlitzen, als ein grinsender Koray sich mehr aus dem offenem Fahrerfenster lehnt und kurz auf die Hupe drückt. Wieder zucke ich zusammen, was ihn mehr grinsen und mich finsterer dreinblicken lässt. Ich stampfe auf ihn zu und funkle ihn an.
» Was machst du hier? « frage ich ihn.
» Dir auch einen Guten Morgen « erwidert er amüsiert. Ich verschränke die Arme vor meinem Brustkorb und ziehe wartend eine Augenbraue in die Höhe.
» Nach was sieht es denn aus, Kitty? Ich hole dich ab und bring dich zur Schule « antwortet er mit einem Augenrollen. Ich ziehe meine Augenbrauen indessen noch höher.
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Just the moon, you and me
Werewolf» Ihr kennt mich doch überhaupt nicht! « fauche ich sie an, doch richte meinen Blick konkret auf ihn. » Fahr die Krallen ein, Kitty. Wir beißen schon nicht « erwidert er lässig und ich schnaube erbost auf. » Spar dir deine dämlichen Spitznamen! Ich...