*2*

7.3K 210 23
                                    

Noch viel zu müde steige ich in das Auto meines Dads. Er sitzt bereits hinter dem Steuer und trommelt nervös einen Takt auf den Lenker. Dr. Kenneth Wright ist Psychologe, Autor, Exzentriker und Vater, neuestens auch Wittwer. Ich konnte bis jetzt mit allen Arten des Mannes, der neben mir sitzt, klarkommen. Er bildet genau das Gegenteil von Mom. Früher habe ich mich immer gefragt, was so eine sportliche, wunderschöne Blondine von einem introvertierten, doch schlauen Doktor wissen wollte. Aber mit den Jahren bemerkte ich immer mehr diese tiefe Verbundenheit, welche mehr über meine damals noch kindische Oberflächlichkeit hinaus ging. Sie hatten sich wahrhaft geliebt, so als wären sie frisch verliebt. Meine Familie war ein perfekter, ungetrübter Traum gewesen, ohne jeglichen Makel. Ich hätte wissen müssen, dass alle Träume irgendwann enden.

Denn jetzt sitze ich in einem Auto, das sich von Minute zu Minute weiter von meinem Zuhause entfernt.

Konzentriert blickt mein Dad nach vorn, lässt keine Gefühlsregung durch seine aufgesetzte Maske. Denn unter ihr ist er ein zerbrochener Mann. Er hielt es nicht einmal mehr zu Hause aus, wo er überall an seine verstorbene Frau erinnert wurde. Eines Morgens hatte er mir verkündigt, dass er irgendwo in Utah ein Häuschen mitten wo im Nirgendwo gekauft hätte und wir bald umziehen würden. Es war eine Qual gewesen, ihm die letzten Wochen zu beobachten. Es schien, als müsste er mit einer neu entfachten Klaustrophobie kämpfen und ich war einmal kurz davor gewesen, den Notarzt anzurufen, da Dad sich in einer Ecke des alten Schlafzimmers zusammen gekauert hatte und eine Mischung aus Panikattacke und Heulkrampf erlitt. Noch nie hatte ich ihn so gesehen, was mich ziemlich erschütterte.

Doch jeden Kilometer entspannt sich seine verkrampfte Haltung. Irgendwann fängt er an, in für sein ihn so typisches Gemurmel überzugehen. Er erzählt meistens dann von seiner Tagesplanung, einer Idee für ein neues Buch oder etwas anderes alltägliches. Für den Moment beruhigt es mich, dass er langsam in alte Muster übergeht, doch mich lässt das Gefühl nicht los, dass er nur vor der Wahrheit davonläuft. Irgendwann wird er in die Ecke gedrängt und die Realität holt ihn ein. Davor fürchte ich mich schon.

» Ach Gott, jetzt stehen wir im Stau. Sowas aber auch « murmelt er und summt gedankenverloren vor sich hin. Ich verkneife mir ein Seufzen. Nur weil mein Dad unter Flugangst leidet, konnte ich ihn nicht zu einem Flug überreden. Obwohl ich bezweifele, dass die „Stadt", wie er sie nannte, einen Flughafen besitzt. In Los Angeles bin ich groß geworden, deswegen bin ich bei einigen Sachen wohl auch ziemlich verwöhnt. Deswegen hocken wir jetzt auf irgendeiner doofen Autobahn im Stau fest. Mich überfällt die Müdigkeit erneut und mit den Klängen von „Bitter Sweet Symphony" schlafe ich schließlich ein. Das nächste Mal erwache ich, als mich jemand von der Seite anstupst und das erste was ich sehe, ein Ortseingangschild ist, welches mich mit einem Stadtnamen begrüßt, den ich in meinem Leben noch nie gehört habe.

» Sind wir schon da? « frage ich verschlafen. Könnte gut sein, denn ich habe mir den Namen von der „Stadt" am Arsch der Welt nicht gemerkt.

» Nein, wir machen eine Mittagspause « antwortet Dad. Beinahe stimmt mich das grummelig, weil er meinen Schlaf gestört hat, doch es geht um Essen, da drücke ich ein Auge zu. Außerdem grummelt mein Magen. Wir halten vor einem Diner, welches eigentlich ganz in Ordnung aussieht und verlassen es nach einiger Zeit mit vollen Bäuchen.

Diesmal schotte ich mich mit meinen Kopfhörern ab und beobachte, wie eine Kleinstadt der nächsten folgt.

~~~~~~~~

» Wir sind da « ertönt die Stimme meines Dads. Kurz blinzele ich die Müdigkeit weg, anscheinend bin ich (mal wieder) eingeschlafen. Ich kneife meine Augen zusammen, um überhaupt etwas zu erkennen. Da wir den ganzen Tag unterwegs waren, ist es schon dunkel. Wo ist denn hier bitte eine Straßenlaterne? Suchend schaue ich mich um. Ist das eine? Und wenn ja, warum funktioniert sie nicht? Moment mal. Das sind keine Laternen. Das sind Bäume, sehr viele Bäume. Steht unser neues Haus etwa in einem Wald?!

»Dad? Bist du sicher, dass wir hier richtig sind? « frage ich ihn zweifelnd und beobachte noch einmal genauer die Umgebung. Jep, ein Wald, kein Zweifel. Im Stillen verfluche ich das Navi. Verdammt, wir haben uns sicher verfahren.

» Ja Leni, hundertprozentig. Ich glaube, uns tut die Ruhe und Abgeschiedenheit nach der ganzen Hektik in Los Angeles ganz gut. Und ich kann mich mal endlich auf das Schreiben konzentrieren « erklärt er. Introvertierter Exzentriker, ich sag es ja. Weit und breit steht nur eine einzige Hütte. Unser neues Zuhause. Bei aller Liebe, aber ein Haus in der Kleinstadt hätte uns auch durchaus viel mehr Ruhe verschafft, als sonst. Ich meine, was soll denn da großartig los sein? Dass man vom Nachbarn beim Mülltonnen rausfahren gestört wird, weil er dich anquatscht? Oder vielleicht von einer Zeitung abgeworfen wird, die ein pickliger Jugendlicher verteilt? 

Pff, aber hier sind wir wirklich mutterseelenallein. Ich zucke kurz zusammen, der Witz war etwas zu scharf, selbst für meine Verhältnisse. Seufzend ergebe ich mich meinem Schicksal und gehe auf das Haus zu. Der Großteil unser Einrichtung ist schon hier, der Rest wird morgen noch geliefert, sodass wir uns um nichts kümmern müssen, außer vielleicht das Essen. Oh Gott, das Essen! Hier wird uns doch kein Pizzalieferant der Welt finden! Vielleicht haben wir auch noch die Hexe aus Hänsel und Gretel als Nachbar, die uns dann isst, nachdem wir aus reinem Überlebensinstinkt ihr Haus halb aufgefuttert haben. Doch der Blick in den Kühlschrank bereiten meinem krassen Entzugsgedanken ein Ende. Irgendwas Essbares lässt sich hier noch zusammenwürfeln bis ich morgen einkaufen gehen kann. Wenn es A: einen Supermarkt im Umkreis gibt, B: ich mich erinnere, in welcher Tasche sich meine Bankkarte befindet und C: ich aus diesem Wald heil herausfinde. Doch das wird schon irgendwie gehen. Zuhause habe ich immer das Kochen gemeinsam mit Mom übernommen, da die Gerichte meines Dads eher experimentell als genießbar sind. Dafür darf er immer den Abwasch übernehmen, so wie heute.

Nach dem Duschen kann ich zufrieden feststellen, dass es in dieser Hütte auch warmes, fließendes Wasser gibt und Elektrizität auch kein Problem darstellt. Ich schlurfe in mein neues Zimmer uns sehe mich im großen Raum um. Die Aussicht aus dem Fenster, wer hätte es gedacht, beschränkt sich auf Bäume. Schließlich reiße ich mich von diesem ungewohnten Anblick los und suche in den Kartons nach Decken, Kissen und einem Schlafsack, da meine Matratze acht Stunden von hier entfernt in einem leeren Zimmer liegt. Auf dem Fußboden liegend studiere ich die Maserung der Dielen in meinem neuen Zimmer. Eine ganze Zeit starre ich vor mich hin, bis mir einfällt, dass man zum Einschlafen es mal mit Augenschließen versuchen sollte. Deswegen kneife ich meine Augen zusammen und welze mich von der einen ungemütlichen Position in die nächste. Egal was ich tue, ich finde keine Ruhe. Wahrscheinlich habe ich auf dem Weg hierher zu viel geschlafen. Oder es ist Vollmond, da kann ich nämlich immer beschissen schlafen. Vielleicht ist aber auch bloß Aberglaube. Frustriert taste ich nach meinem Handy. 23:24 Uhr verkündet mir das grelle Display. Ich kaue nachdenklich auf meiner Lippe, bis mir etwas einfällt, was eigentlich total hirnrissig ist, aber hey, ich hab nie behauptet, dass ich eine von der intelligenten Sorte bin.

» Ach was soll's « murmele ich zu mir selbst, rappele mich auf, ziehe mir Jacke und Schuhe über und verlasse schleichend das Haus.


Hello people!

Ich bin wieder da mit Kapitel zwei! Hurray!

Ich weiß immer noch nicht ganz genau wann ich updaten soll, vielleicht Donnerstag und Sonntag? Schreibt gerne, wie ihr das findet und wie euch die Kapitellänge gefällt ;)

Das Bild ist übrigens von Helens neuem Zuhause 

Und was hat sie denn jetzt noch so spät vor? Was denkt ihr? Schreibt es gerne!

Wer hätte vermutet, dass sie deswegen umziehen und dann auch noch in einen Wald, wo wirklich niemand sonst ist *hust* *hust*? (was ich wohl damit meine, hmm?)

Gut, dann habt noch einen schönen Abend/ Tag or whatever, wann immer ihr es auch lest^^

Peace out- Fearnofuture

Just the moon, you and meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt