*5*

6.7K 213 62
                                    

Verdammt, warum glotzen die so? Dieses Monster von einem Auto hat tatsächlich sechs Menschen hervorgebracht, die mich nun alle interessiert mustern. Ich versuche sie zu ignorieren und konzentriere mich auf den Typen direkt vor mir.

» Wie war das? « fragt der Heini vor mir gedehnt und lächelt süffisant. Na toll, jetzt habe ich es auch noch mit einem geistig Beschränkten zu tun. Ich funkle ihn weiter böse an.

» Und wieso sollte ich Menschen zum Spaß anfahren? Da gibt es doch weit bessere Zeitbeschäftigungen « ergänzt er nun und lässt seinen Blick demonstrativ an meiner Figur hinab wandern. Das Grinsen bleibt und ich frage mich, wie schlecht mein erster Eindruck wäre, wenn ich ihm hier und jetzt eine scheuern würde. Wahrscheinlich gar nicht gut.

» Hör mal Casanova, mein Gesicht ist hier oben « unterbreche ich seine Inspektion und unsere Augen treffen sich. Er grinst mich verschmitzt an und lehnt sich gegen den Jeep. Ich beiße mir auf die Zunge, damit ich mich nicht von diesem unverschämten Anblick ablenken lasse.

» Ich dachte, man stellt sich zuerst vor, bevor die Spitznamen vergeben werden? Wie dem auch sei, mein Name ist übrigens Koray Campbell, aber du kannst mich gerne nennen, wie du willst. Und mit wem habe ich das Vergnügen? « fragt er unerwartet, was mich kurz aus der Bahn wirft. Wahrscheinlich schaue ich kurz wie ein Schaf, doch ich finde schnell meine Wut wieder, welche sich jetzt sogar fast verdoppelt hat. Flirtet dieser Typ etwa gerade mit mir?! Ich glaube, der tickt wohl nicht mehr richtig! Und ganz nebenbei, was ist das bitteschön für eine Taktik, erst sein Ziel der Begierde fast anzufahren und dann schamlos zu flirten, währenddessen seine Freunde uns interessiert zuschauen? Ich glaub, ich bin eindeutig im falschen Film.

» Schön, dass du das hier alles so für amüsant hältst, ich tue das nämlich nicht! Nur, weil du wie ein Geisteskranker fährst, wäre ich beinahe zu Schaden gekommen und weißt du was, ich kann ganz gut darauf verzichten herauszufinden, wie weit der Weg zu einem richtigen Krankenhaus ist  « schnauze ich ihn an. Wenn er denkt, dass er mich mit oberflächlichem Flirten um den Finger wickeln kann, dann kann er das gleich wieder vergessen. Die Sache ist wirklich sehr ernst gewesen und es hätte nicht viel zu einem schlimmen Unfall gefehlt. Dazu kommt noch, dass er viel zu schnell gefahren ist und mich damit auch keine Schuld trifft. Ich atme tief durch und schaue kurz auf die Gruppe hinter ihm. Wie eine Mauer haben sie sich hinter ihm aufgebaut und es wirkt auf mich so, als wären sie eine Einheit.

Ich schaue wieder in sein Gesicht und mustere es. Hohe Wangenknochen, grüne Augen und blondes Haar, welches gekonnt nach oben gestylt ist. Aber von Reue oder Schuld keine Spur. Was für eine Zeitverschwendung. Ich habe mich umsonst aufgeregt und wozu? Nur damit mich dieser Typ weiter mit seinem Grinsen beobachten kann?

» Was er eigentlich sagen will ist „Entschuldigung", doch er war leider noch nie so talentiert darin, weswegen ich das wahrscheinlich übernehmen muss. Also entschuldige bitte, dass Koray so rücksichtslos fährt. Es wird nicht wieder vorkommen « erklingt von hinten eine männliche Stimme. Ich wende meinen Blick von Koray ab und folge der Stimme. Die hochgewachsene Gestalt schaut mich kurz an, drückt sich dann vom Auto ab und verschwindet in Richtung Schule ohne ein weiteres Wort an seine Freunde zu wenden.

» Ganz der Gentleman « murmelt eines der Mädchen und wirft Koray einen schrägen Blick zu. Ich beschließe, dass das mein Moment ist, um zu gehen und setze mich in Bewegung.

»Bis irgendwann mal! Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen, Kitty « ruft mir Koray hinterher, doch ich ignoriere ihn und verkneife mir den Kommentar, dass die Freude nur Einseitigkeit beruht. Wenn es nach mir geht, dann würde ich am liebsten keiner meiner Kurse mit ihm belegen.

Ich betrete das Schulgebäude und es richten sich immer mehr Blicke auf mich, doch ich ignoriere sie gekonnt. Eigentlich bin ich eine sehr nette Person, nur das Problem liegt bei mir darin, dass ich Menschen hasse. Ich hasse es außerdem, wenn ich angestarrt werde. Es verunsichert mich immer leicht, obwohl es meistens auch kein Grund gibt. Ich ermahne mich selbstbewusst meinen Rücken noch mehr durchzustrecken und mein Kinn zu heben. Eigentlich muss ich niemanden etwas beweisen, doch ich werde nicht zulassen, dass ich unter dem immer schwerwiegendem Gewicht der Starrer einknicke. Hoch erhobenen Kopfes gehe ich durch die Gänge auf der Suche nach dem Schulsekretariat, welches ich nach ein paar Schritten dann auch finde.

Just the moon, you and meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt